Serge Lutens – Von orientalischem Vetiver & Milchzähnen …

… haben wir es die nächsten zwei Tage. Ja, Ihr habt richtig gelesen: MILCHZÄHNEN. Dent de Lait heißt nämlich der Neue aus Serge Lutens‘ Kollektion. Und wie immer kommt auch im Herbst diesen Jahres ein ansonsten dem Palais Royal in Paris vorbehaltener Duft (für eine vermutlich beschränkte Zeit) in die Exportkollektion, in diesem Falle der 2004 veröffentlichte Vétiver Oriental. Beide sind selbstredend von dem Parfumeur Christopher Sheldrake, der schon seit jeher im kreativen Duo mit Serge Lutens zusammenarbeitet.

Vétiver Oriental macht heute den Anfang:

„Ich wollte schon immer etwas Anderes. Als Kind: eine andere Familie, andere Freunde und später dann ein anderes Land. Ach, und fast hätte ich’s vergessen: bitte auch ein anderes Geschlecht! Einfach alles wollte ich ändern, bis hin zu diesem orientalischen Vetiver: Je weiter er sich von Köln entfernt, desto lasziver räkelt er sich in orientalischem Samt.

Gebettet in Cistus Labdanum-Harz kann er seinen Duft voll entfalten. Was für ein Wachs!“

Die angegebenen Duftnoten, wie häufig nicht ganz korrespondierend hinsichtlich der Duftbeschreibung: Kopfnote: Vetiver; Herznote: Iris, Rose; Basisnote: Sandelholz, Moschus.

Serge Lutens wollte also alles anders und umgedreht, ja? Will ich auch oft. Und als ich damals vor Urzeiten Köln wohntechnisch verlassen habe, räkelte ich mich zwar nicht zwangsläufig auf orientalischem Samt, aber besser ist es mir mit der Entscheidung in jedem Fall gegangen – sorry, liebe Kölner/innen 😉

Aber Spaß beiseite, widmen wir uns dem, worauf es ankommt, dem Duft, und kommen zurück zum Parfum: Ich habe Vétiver Oriental irgendwann vor ewiger Zeit einmal getestet, habe demgemäß nur noch eine äußerst nebulöse Erinnerung daran. Er war mir damals zu warm, definitiv. Allerdings stand ich da auch zu Beginn meiner Vetiverleidenschaft und war auf der Suche nach den kühlen, salzigen Vetivervarianten, von denen es definitiv viele und viele mehr gibt als wärmere Interpretationen. Ein warmer, vielleicht gar orientalischer Vetiver? Der Markt bietet in dieser Hinsicht nicht viel: Vetiver Tonka von Hermèssence fällt mir dazu ein sowie Byredos toller Bal d’Afrique. Und da verließen sie ihn oder vielmehr mich … ich bin mir ganz sicher, noch ein paar Kandidaten vergessen zu haben, aber sie wollen mir partout nicht einfallen – nun ja, fällt Euch noch etwas ein? Ich denke aber, wir können uns darauf einigen, dass sie eher rar gesät sind, jene Gesellen.

Neugierig bin ich, ob mich meine Erinnerung in Bezug auf Vétiver Oriental im Stich lässt oder nicht … schnell also auf den Arm mit ihm!

… ja, es ist ein Vetiver, unverkennbar. Es grast und salzt, und zwar auf ziemlich dunkelgrüne Art und Weise, aber dennoch verschieden von dem, was man von Vetiverdüften so kennt. Diese werden ja gerne, das hätte ich oben noch erwähnen können, mit Zitrusfrüchten gepaart – zugegeben, eine sehr gelungene Kombination, die eigentlich auch immer funktioniert, aber eben „hell“ wirkt, erfrischend. Vétiver Oriental ist nicht hell und auch nicht frisch. Er ist darüber hinaus auch nur bedingt erdig, obschon es viele Vertreter seiner Gattung gibt, die diese Facette dominant präsentieren – denkt nur mal an Etros Vetiver oder Route du Vétiver von Maître Parfumeur et Gantier. Sicher, ihm wohnt eine gewisse Erdigkeit inne, die rückt allerdings ganz nahe an den nächsten Baumstamm, ans Holz – Sandelholz stiftet seine typischen Akzente, eine balsamisch-würzige, warme Holzigkeit, an Barbershops erinnernd. Zwischendurch wird es samtig und, seltsam, mitunter ein wenig likörig – ich schiebe ersteres auf die Iris, für die likörige Anmutung habe ich keine wirkliche Erklärung außer derjenigen, dass der Duft eine gewisse Schwere hat und viel Tiefe, in seiner Dichte bisweilen dumpf wirkend. Und dennoch verleiht ihm der Moschus etwas Schwebendes, einen Tupfer Weichheit, versöhnliche und unbeschwert leichtfüßige, einhüllende, von Labdanum unterstützt, das dezent raucht, vornehmlich aber wärmt und süßt, verhalten.

Vétiver Oriental ist kein klassischer Orientale, nein. Und er hat auch nicht die Hitze, die man aus vielen älteren Lutens-Düften kennt. Ich empfinde ihn definitiv als unisex, er ist nach wie vor besonders, dabei aber auch nicht edgy, zu abgefahren oder kantig. Und vor allem hat er eine wahnsinnig elegante, wunderschöne, samtig-süß-herb-staubige Basis – zum Verlieben toll! Und hier könnte man dennoch an Orientalisches denken. Vielleicht an … den Gentleman im Orient Express? Der ist im übrigen gerade wieder neu verfilmt worden, sieht gut aus – wer geht demnächst ins Kino?

Zurück zu Lutens Vetiver: Wer dieses Gras mag, und das sollte man zweifelsohne tun ;), der kann und sollte hier getrost einmal testen, zumal der Duft vermutlich wie seine Vorgänger nicht für immer in der Exportlinie bleiben wird.

Vetiverfreunde unter Euch, meine Lieben? Welche Kostbarkeiten nennt Ihr denn Euer Eigen?

Viele herzliche Grüße

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

2 Kommentare

  1. Bernd
    11. November 2017
    Antworten

    Mich erinnert der irgendwie an Acqua Originale – Aberdeen Lavander
    von Creed .. der ist auf seine Art genauso abgedreht wie der SL.

  2. Ulrike Knöll
    13. November 2017
    Antworten

    Huhuu lieber Bernd,

    der Aberdeensche Lavendel … den habe ich gar nicht mehr im Kopf, das muss ich bei Gelegenheit nochmals nachholen, den erneut zu schnuppern! Danke für den Hinweis, bin schon gespannt, ob ich hier auch eine „geistige“ Ähnlichkeit entdecken kann 🙂

    Viele herzliche Grüße

    Ulrike

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