… das ist eine Liebesgeschichte: Regelmäßige Leser/innen werden es wissen, ich lasse mir keine Chance entgehen, Cire Trudon über den grünen Klee zu loben. Denn ich bin ein großer, ein riesengroßer Fan der Duftkerzen jener altehrwürdigen Manufaktur. Hier stimmt es ausnahmsweise mal – Cire Trudon ist wirklich eine Manufaktur, und zwar eine mit einer Geschichte, wie es sich kein Marketingler besser aus den eifrigen Fingerchen hätte saugen können. Seit 1643 gibt es das Haus, das ursprünglich von dem gleichnamigen Kaufmann gegründet wurde, der in seinem Geschäft unter anderem auch selbst gefertigte Kerzen für den Hausgebrauch verkaufte. Das wurde nicht lange später dann zum Firmeninhalt – die Herstellung von Wachsartikeln bzw. Kerzen. Bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts rief man Trudon aufgrund seiner exzellenten Kerzen an den Hof, 1719 wurde das Haus zur königlichen Wachsmanufaktur ernannt.
Cire Trudon hat wohl durchgehend produziert, damit ist es der älteste französische Kerzenhersteller, vermutlich dürfte die Firma auch gute Karten haben, was den Vergleich mit anderen Ländern angeht. Überhaupt – welcher herstellende Betrieb kann denn auf, seien wir großzügig: vierhundert Jahre durchgehende Produktion zurückblicken? Ich finde das genauso beeindruckend wie die Liste derer, für die man bisher gefertigt hat – diverse Königshäuser sind darunter, der Vatikan bzw. die Kirche, natürlich etliche Modehäuser wie Hermès, Dior und viele andere.
Das ist aber nicht der einzige Grund, weshalb Cire Trudon mich so ins Schwärmen versetzt: Ich liebe deren Kerzen. Punkt. Ich liebe Duftkerzen, ich habe etliche, auch von anderen Herstellern. Aber niemand macht so schöne SOMMERduftkerzen wie Cire Trudon. Ich liebe Abd el Kader und Dada. Pfefferminze, Eukalyptus, Gräser – das kenne ich aus einer Duftkerze in dieser Form nur von Cire Trudon. Auch die anderen Kerzen – es gibt so wundervolle Kerzendüfte von Cire Trudon, nach Leder, nach Büchern und Brot, nach Blumen und Feldern, Wiesen und Wäldern, nach Leinenwäsche, und alles so authentisch. Ok, die grünen Gläser passen nicht zu meiner Einrichtung, eigentlich in keinem Zimmer. Macht nichts, denn sie sind trotzdem schön. Und ich würde mir selbst eine in ein Toilettenbecken gegossene Cire-Trudon-Kerze mittig und altargleich auf dem Wohnzimmertisch platzieren und ihr huldigen.
… spätestens jetzt wisst Ihr, weshalb die restlichen Pitti-Fragranze-Artikel eine kleine Unterbrechung brauchten: Cire Trudon macht jetzt in Düfte. DÜFTE. Körperparfums. Ausrufezeichen! Fünf verschiedene Düfte gibt es als Auftakt, die sind vor einigen Tagen endlich als Pröbchen bei mir gelandet, was mich sofort dazu verleitet, eine Rezension darüber zu schreiben, weil ich vor Neugierde brenne und hoffe, hoffe, hoffe, dass auch für mich (mindestens) ein Parfum dabei ist 🙂
Révolution ist der erste Duft, mit dem ich heute beginnen möchte:
„Revolution is a fragrance that permeates the skin, and builds up on human emotions throughout the day. It blends in, leaving an air of mystery and intrigue around the body.“
Als Parfümeurin tritt in Erscheinung … Lyn Harris. Oh, wie mich das freut!
An dieser Stelle muss ich es nochmals erwähnen: Ich habe keine Ahnung, was gerade mit Miller Harris vor sich geht. Ich selbst war und bin großer Fan der Marke, die Lyn Harris allerdings nicht mehr gehört, sie wurde verkauft vor einigen Jahren. Auf der Webseite tut sich immer wieder etwas, und zwar scheinen die Düfte, die von Lyn Harris selbst kreiert wurden, bis auf einige wenige Ausnahmen immer mehr zu verschwinden. Auf zweimalige Anfrage hat niemand reagiert, in Deutschland hat Miller Harris keinen Vertrieb mehr und die Düfte werden gerade auf diversen Plattformen verscherbelt, insofern …. wer hier noch Lieblinge hat, Leidenschaften hegt, ich würde mich (und habe mich, nebenbei bemerkt), eindecken, keiner weiß, was hier kommen mag.
Aber zurück zu Cire Trudon: Die Handschrift von Harris passt perfekt zu dem, was ich an Cire Trudons Kerzen so liebe und mir für ihre Düfte erhoffe – authentisch, leise, aber dennoch prägnant, sehr natürlich, aber dennoch höchst komplex und fragil. Sie wird auch genannt auf der Webseite, denn man lässt dort jeden Parfümeur zu seiner Kreation zu Wort kommen:
„The streets of Paris during the French Revolution, an odour of smoke and musket powder. Rage and intense emotions on the faces of the crowds. Houses are afire, and the cobblestones awash in oil; horses are whinnying; their and sweaty riders are robed in black leather. A touch of incense softens the air, suggesting peace is near. Revolution captures a moment in history, a period when smells were raw and prevailed everywhere. History is alive in this composition where smoke, wood, leather and incense reign. Yet modern elements in the formula let the scent breathe. A form of harmony is born out of these contrasting notes, leaving an elegant, clean, smoky wood-scented backdrop that remains on the skin.“
Auch hier muss ich gleich wieder ausholen: Ein Duft, der nach Revolution duftet – so etwas gab es schon einmal, und zwar als Projekt von Ulrich Lang und Lisa Kirk, lest hier. Und dann gab es auch schon Revolutionäres unter demselben Namen von Cire Trudon selbst – die gleichnamige Duftkerze, leider mittlerweile discontinued. Eine meiner, na was wohl – Lieblingskerzen. Révolution roch nach Brot, verrußtem, im Steinofen gebackenen Brot. Und war eine Kerze, die ich nur für mich zu genießen lernte, es mochte sie fast keiner außer mir. Vermutlich auch der Grund, weshalb sie nicht mehr zu kaufen ist. Ich hingegen vermisse sie ganz schmerzlich – sollte wer noch ein Exemplar haben und nicht schätzen … call me!
Die Französische Revolution als solche ist natürlich ein großer „Brocken“, den man sich da zum Thema genommen hat. Sie ist mit Sicherheit eines der folgenträchtigsten Ereignisse der Neuzeit, ich sage nur Abschaffung des Ständestaats und Ideen der Aufklärung, Stichwort: Menschenrechte, generell: Auffassung von Demokratie als Staatsform.
Einmal mehr bin ich gespannt, wie Revolution duftend umgesetzt wird, erst recht eine, die derart tiefgreifende Umwälzungen und Entwicklungen zur Folge hatte …
Tolltolltoll. War ja klar 😉 Schießpulver und Speck rieche ich, Rauchschwaden, nebelige … und fühle mich erinnert an Annick Menardos Meisterwerk Patchouli 24 für Le Labo, auch hier Speck und Rauch. Der Birkenteer ist es, der hier losknattert und krachledert, denn die Ledernoten sind es, die „speckig“ wirken, geräuchert. Das ist gewaltig und sicherlich nicht jedermanns Geschmack, ich allerdings mag es, sehr sogar. Stecke mit meiner Nase in dem rauchigen Nebel, dem weißlich-grauen, und entdecke darin … Gräser. Leise Anklänge von Hesperiden, eine zitrische Frische, die immer wieder hervorblitzt, oder ist es ein Kraut, Zitronenverbene oder ähnliches, das zitrisch duftend?
„On your skin and after the smoky cade cloud, Revolution will transport you towards southing wood notes.“
Cade, das ist Wacholder. Vielleicht ist es tatsächlich auch Wacholderholz, der in diesem Feuer glüht, denn lagerfeurig geht es mittlerweile auch zu auf meinem Arm, was mich an Naomi Goodsirs Bois d’Ascèse erinnert. Ein paar Beerchen sind in jedem Fall noch dran an den verbrennenden oder verbrannten Ästen, und überhaupt wird es mit der Zeit holziger, hinter dem Rauch schimmert eine gewisse (Harz)Wärme durch, die immer noch leuchtend grüne, kräuterige Anklänge offenbart, lichte Momente, wegweisende. Für mich ein schönes Sinnbild für … genau: eine Revolution. Insofern, Madame Harris: Schwieriges Thema, exzellent umgesetzt.
Und ist sie auch tragbar, die Revolution? Jein. Es ist – ein Konzeptduft, ganz klar. Allerdings hatten Comme des Garçons in ihren Series bisweilen sehr viel konzeptionellere Düfte. Allerdings muss man Rauch und Leder mögen, die hier durchgängig ohne Süße und nur mit sehr wenig Wärme präsentiert werden. Ich mag es, ich mag Révolution. Und es war für mich auch ein überaus standesgemäßer Einstieg in eine Kollektion, die mich jetzt noch ein klitzekleines bisschen neugieriger gemacht hat!
Morgen geht es weiter – bis dahin alles Liebe
Eure Ulrike
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