… jenes Kult-Shops im Big Apple: New York-Urlauber werden ihn kennen, denn Aedes de Venustas ist ein Mekka für Nischenduftfans. Genauso wie unser Shop existiert das Geschäft von Robert Gerstner und Karl Bradl schon sehr lange, genauer gesagt seit 1995, und erfreut sich großer Beliebtheit aufgrund seiner erlesenen Auswahl rarer Duftjuwelen und seiner exquisiten Einrichtung. Darüber hinaus haben die beiden seit einigen Jahren eine eigene Linie lanciert, die bisher mit einer herausragenden Qualität begeisterte und einige Düfte beinhaltet, die bereits als moderne Klassiker gelten können. Mein Herz gehört vor allem ihrem Erstling, der zum Zeitpunkt seines Erscheinens der olfaktorische Soundtrack meines Sommers wurde, seht hier. Bis heute liebe ich sein rhabarbergeküsstes Spiel von Licht und Schatten. Allerdings stehen ihm die anderen Düfte in nichts nach, sie sind allesamt überdurchschnittlich gut und besonders. Insofern hege ich keinerlei Zweifel, dass auch der Neue diese Latte spielend schafft – Vorhang auf heute für Pélargonium:
„Die Muse: Ägyptischer Storchschnabel
Diese Geranium-Art sollte nicht mit den rot blühenden Geranien verwechselt werden, wie sie häufig in Blumenkübeln gepflanzt werden. Bei Pelargonium graveolens, was so viel bedeutet wie „süß duftend“, handelt es sich vielmehr um eine ganz besondere Varietät der Gattung der Pelargonien, die zu den vielseitigsten Essenzen in der Parfümherstellung gehört. Die Essenz wird weniger aus den Blüten, sondern aus den Blättern der Pflanze gewonnen. Aufgrund ihres frischen, rosenähnlichen Aromas wird die Pflanze auch häufig als „Rose geranium“ bezeichnet.
Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert ist sie Hauptbestandteil der maskulinen Fougère-Duftfamilie. Nathalie Feisthauer Pélargonium bringt sie aus den Tiefen der Duftpyramide zum Vorschein, sodass sie ihre wandelbaren und komplexen Facetten frei entfalten kann.
Der Duft: Pélargonium
In diesem beeindruckend eleganten Stillleben des Duftes tritt die Pelargonie wie ein Blumenbouquet auf einem Gemälde des goldenen Zeitalters der Niederlande in Erscheinung. Nathalie Feisthauer beschreibt das Geranium als „aromatisch mit einer Facette von zerriebenen Blättern, die ein klein wenig an Weihrauch erinnert und weniger fruchtig, aber balsamischer ist als die Rose“. Der ägyptische Storchschnabel steht im Mittelpunkt dieser einnehmenden Duftkomposition.
Die Parfümeurin schafft zunächst ein Fundament aus einer kühlen Veilchenwurzelnote auf Zedernholz. Darüber legt sie eine dunkle, rauchige Schicht aus Haiti-Vetiver, Guajakholz und Moos. Im warmen Licht der die Komposition durchziehenden kalabrischen Bergamotte funkelt hier und da ein Hauch von grünem Kardamom, der von gehaltvollen Ingredienzen eingefangen wird, die ihr Volumen und Kontrast verleihen. Die pflanzliche Süße der Karotte unterstreicht den Duftakkord der Veilchenwurzel. Bernsteinfarbener Muskatellersalbei beschwört die Weichheit samtiger Blätter herauf. Zitroniges, pfeffriges und an Weihrauch erinnerndes Elemiharz akzentuiert die frischen und balsamischen Facetten des Geraniums. Während sich Moschus weich über die leicht scharfen Akzente legt, entwickelt sich das opulente Aroma von Pélargonium in seiner reduzierten und abstrakten Schönheit.“
Storchschnabel aus Ägypten, eine Pelargonienart, nicht die, die im Blumenkasten auf Balkonia blüht und Nathalie Feisthauer – so weit so gut in Kürze. Endlich hat sich jemand einmal die Mühe gemacht, einen ordentlichen Text zu präsentieren – die Übersetzung stammt von uns, klar, aber dennoch, Information/en, Inspiration, Herzblut, nicht nur zwei Sätze, die mich mitunter mittlerweile nerven, wie Ihr Euch denken könnt 😉 Zu Feisthauer hat man sich ebenfalls ein paar Zeilen einfallen lassen, darüber hinaus ihre Erfolge zitiert – eine schöne Beschreibung, die ich Euch nicht vorenthalten möchte:
„Die Parfümeurin: Nathalie Feisthauer
Als Heranwachsende hat sich Nathalie in ihrer jugendlichen Unbesonnenheit zunächst überhaupt nicht für Düfte interessiert, bis sie eines Tages in einer Parfümerie in Straßburg einen überaus würzigen Wohlgeruch vernahm, der sie nicht mehr losließ. Bald schon verbrachte sie ihre ganze freie Zeit mit der Erkundung von Duftstoffen und da es damals noch kein Internet gab, suchte sie sich im Postamt die Adressen von Parfümherstellern zusammen. Irgendwie gelang es ihr, einen Termin mit einem Parfümeur zu vereinbaren. Dieser fragte sie, welches denn ihr Lieblingsparfüm sei. „Opium“ lautete ihre prompte Antwort. „Das ist von mir“, erwiderte Jean-Louis Sieuzac lakonisch. Nathalie sollte später „Eau des Merveilles“ (mit Ralf Schwieger) von Hermès kreieren, außerdem eine ganze Palette von weiteren Düften wie das umstrittene „Tar“ für Comme des Garçons sowie das überaus sinnliche „Gardenia Pétale“ für Van Cleef & Arpels. Als unabhängige Parfümeurin ist dies nun ihre erste Zusammenarbeit mit Aedes de Venustas, einer Parfümmarke, der sie eine gewisse „unverfälschte Eleganz“ bescheinigt. Über Pélargonium sagt sie: „Meine ästhetische Inspiration war eine altmodische Blume, die jedermann zu kennen glaubt, obwohl sie eigentlich niemand wirklich kennt.““
Feisthauer hat noch ein paar mehr Düfte kreiert, unter anderem Delicious Closet Queen, Putain des Palaces und Nombril Immense für État Libre d’Orange, Honour Man für Amouage, einen Großteil der Series 6 von Comme des Garçons, darüber hinaus auch Blue Cedrat, Wisteria Hysteria und Guerilla 2, dann Cartiers Must de Cartier pour Homme, Nuits Indiennnes für Scherrer und so weiter und so fort. Eine beachtliche Leistung – mein Liebling ist in der Tat, mal abgesehen von den CdG-Düften, Gardenia Pétale, eine der wenigen Blumen, die mir nie niemals nicht ausgehen darf in meinem Duftrepertoire und die ich soeben erst nachgekauft habe (auch das ist selten: 100ml komplett leer bekommen, alleine).
Von welchem Storchschnabel ist aber hier die Rede? Harmen hat ihn uns unterschlagen in seiner Übersetzung 😉 Es ist nicht Pelargonium odoratissium, der mich zuerst wegen seines Namens auf die falsche Fährte führte, nein – Pelargonium graveolens heißt das schöne Gewächs, das hier in einen Flakon gebannt wurde.
Feisthauers Ansatz ist klug und spannend: Storchschnabel wirkt vertraut, genauso wie Geranien an und für sich, aber … wissen wir wirklich, wie diese Geranie riecht? Ich habe mich dabei ertappt, dass ich ziemlich genau diese Vorstellung von der Blüte habe – ich weiß ungefähr, wie sie aussieht, finde sie Vintage, irgendwie retro, aber … ein vollkommen exaktes Bild habe ich nicht von ihr im Kopf, erst recht nicht von ihrem Duft. Und dabei spreche ich ganz allgemein von Geranien, Pelargonium graveolens bedurfte einer Recherche … Wiki hilft einmal mehr weiter und belehrt mich, uns, darüber, dass wir es hier mit einer selteneren Art zu tun haben, die in Teilen Südafrikas sowie in den nördlichen Provinzen von simbabwe und Mosambik beheimatet ist. Natürlich, wie soll es auch anders sein, gibt es immer wieder Anlass zur Verwirrung, da die unter dem Namen Pelargonium graveolens kultivierten Geranien sich oft von deren Wildformen unterscheiden, die wiederum häufiger Hybride sind, ergo Mischformen. Nun – in jedem Fall ist der Duft der Exemplare, die unter dem Namen Pelargonium graveolens verstanden oder zusammengefasst werden, kein einheitlicher, er kann rosenartig ausfallen, zitrisch, minzig oder gar eukalyptusartig sowie zimtig.
Pélargonium hat mich nun den ganzen Tag begleitet und ich muss sagen, er gefällt mir ausgesprochen gut. Und ich kann ihn mir nicht nur an Frauen, sondern auch an Männern vorstellen, exzellent sogar. Pélargonium ist keine überbordendes Bouquet, kein Männerfresser-Weißblüher, sondern … ein schwer einzuordnendes, noch schwieriger zu definierendes Duftchamäleon. Die Duftbeschreibung, die Aedes ihrem Neuling mitgegeben haben, trifft es ziemlich gut: Wir haben hier erdigen Grund dank Veilchen, zart-pudrig und von einem klitzekleinen Hauch Harzwärme beseelt, aber in allererster Linie braun-grün schimmernd. Moschus untermalt wolkig und watteweich, während der Duft auf meiner Haut in den allerschöne Grüntönen schillert: Moosige Anklänge, sanft und taubenetzt, salzig-grasiger, verhalten rauchiger Vetiver und balsamisch-würzige, aber trockene und nicht über die Maßen warme Hölzer, dafür ein Quentchen unschuldige Süße dank des Muskatellersalbei, einem hell-süß blühenden Kräutchen, sowie Karotte, die jene ihr eigene, eigen- und einzigartige Süße stiftet. Bergamotte erfrischt hier zitrisch-herb, was hervorragend zu den Noten frischen Kardamoms passt, die wiederum hervorragend mit der Protagonistin harmonieren. Unsere Pelargonie zeigt sich rosig, ja, aber ebenfalls minzig-zitrisch-grün, erfrischt und erfrischend, vor allem aber natürlich.
Pélargonium ist keine Kulturpflanze, keine Zuchtblume aus irgendeinem Gewächshaus, kein üppiges, artifiziell angerichtetes Blumenstillleben. Es ist ein Wildblumenduft, einer mit viel Grün, der „unisex“ ist oder viel eher geschlechtslos und einfach nur schön.
Heute war ein furchtbar schwüler Tag, eigentlich kaum auszuhalten – und Pélargonium hat mich ruhig und ausgleichend durch eben diesen getragen. Insofern hat er bewiesen, was ich ihm schon heute morgen unterstellt hatte: Dass er sich hervorragend als Sommerduft eignet und eine tolle Cologne-Alternative (mit sehr guter Sillage und Haltbarkeit) darstellt.
Was ich darüber hinaus an Pélargonium liebe: Die krautige Cremigkeit, ihm innewohnt, obschon das in irgendeiner Form eigentlich eine paradoxe Kombination ist – hier passt sie dennoch perfekt. Und lässt den Duft gleichzeitig beruhigend wie anregend, erfrischend wirken, was mir außergewöhnlich gut gefällt. Doch, doch, der geht für mich in die Dauertest-Runde!
… was tragt Ihr denn gerade so bei den derzeitigen Temperaturen?
Viele liebe Grüße,
Eure Ulrike, am Schreibtisch im sage und schreibe 31 Grad warmen Altbauarbeitszimmer *grrr*
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