4. Art and Olfaction Awards Berlin – Unser Workshoptag …

… hatte noch lange kein Ende – letzte Woche hatte ich berichtet und genauso überzogen wie alle Referenten am Freitag, deshalb gibt es noch einen zweiten Artikel zum Thema 😉 Da ich chronologisch vorgegangen bin, sind wir jetzt irgendwann am Nachmittag angelangt – und somit bei Sarah Baker.

Sarah Baker hat eine eigene Duftkollektion – aber nicht nur. In allererster Linie ist sie Künstlerin, die … ja, Luxuswelten ad absurdum führt, indem sie sich der multimedialen Sprache der Luxusmarken bedient und diese auf die Spitze treibt. Die Karikatur des Luxus‘ durch eine inhaltsleere und 200%ige Imitation desselben – oder so ähnlich. „Disrupting High Fashion“, der Name des Kurzbeitrags war schon gut gewählt. Hier ein kurzer Absatz über sie auf der Seite des Institutes for Art and Olfaction:

„Sarah Baker’s work considers the mystique of luxury products and how their branding and subsequent value is created through the highly fictive practices of advertising and marketing. Her media include magazine spreads, performance, sculpture and video and look to articulate a discourse on systems of display and the value placed on consumer brands through the cult of celebrity, fashion and design.

Born in Buffalo, New York, Sarah Baker received her BFA at The San Francisco Art Institute and her MFA at Goldsmiths College. Sarah currently lives and works in London.“

Vice, eines meiner Lieblingsmagazine (jaa, ist es – und zwar auch und genau wegen der oftmals provokanten, manchmal platten und hin und wieder auch nihilistischen Herangehensweise und den sehr oft herrlich kruden Themen), hat ein Interview mit ihr geführt – lest hier.

Sarah Baker hat auch, wie man auf ihrer Webseite lesen kann, einen Kurzfilm gedreht – Impirioso:

„A workshop at the National Theatre Studio culminated in an experimental television episode, part of a hypothetical episodic television series, Rocco Rosso Riche. Inspired by NT Live productions, Rocco Rosso Riche is a theatrical production performed in front of a live-studio-audience, recorded with a multiple camera set up, and live-edited.

Rocco Rosso Riche is a dark comedy drama that follows CEO Luccia Rosso of Impirioso, now haunted by the vengeful ghost of her murdered husband Rocco Rosso. Consequently, Luccia is having a hell of a time producing a new perfume line for the family’s luxury fashion brand Impirio Rosso.“

Ben Chase, der danach an der Reihe war, wildert in ähnlichen Gefilden: Er hat mit Imitations of Life eine Bilderserie kreiert, in der er sich die Flakons bekannter Parfums vorgenommen hat und sie ein wenig „verwandelt“ hat – seht zum Beispiel hier:

Das Original – Guerlains Shalimar; Copyright by Ben Chase

Das Original: Ralph Lauren Polo; Copyright by Ben Chase

Weiter ging es mit Hortus Apertus aus Litauen, die eine Künstlerkollektiv sind mit wechselnden Teilnehmern, welche allesamt mit dem Thema Duft befasst sind. Ihr Anliegen:

„Hortus apertus is a group of olfactory art artists who work and create together since 2010.

The creative projects of our group unfold through:

  • Olfactory and interdisciplinary art exhibitions and installations
  • Olfactory and interdisciplinary performances
  • Urban touring with scents and olfactory games
  • Educational and counseling events related to scents and olfactory system
  • Creative investigation projects
  • Collaborative projects with various arts, artists and scientists“

Auf der Webseite sind einige Projekte zu sehen, darüber hinaus hat die Gruppe auch eine FB-Seite. Vilnius wollte ich schon immer einmal sehen, vielleicht bietet sich das ja einmal an, das mit der Besichtigung eines ihrer Projekte zu verknüpfen? Eine duftende Stadttour würde mich ebenfalls reizen – schaut Euch die Seite ruhig mal an!

Frederik Duerinck, mein Sitznachbar, stellte danach sein Designkollektiv Polymorf vor, das wirklich ziemlich coole Kisten in Angriff genommen hat bisher. Bekannt wurden sie unter anderem für ihre auf dem Forschungsprojekt Sense of Smell basierenden Installation Famous Deaths, die olfaktorische Annäherung an oder auch Nachbildung der letzten Lebensminuten von einigen ausgewählten Berühmtheiten:

„Famous Deaths recreates the final moments in the lives of famous people through sound and scents. Visitors experience the events leading up to the deaths of J.F.Kennedy, Whitney Houston, Lady Di, Moammar al-Qadhafi, and Vincent van Gogh in first person perspective.The installation consists of four mortuary freezers. Each accommodates one of the above stories. During the experience visitors are positioned into one of the freezers. In complete isolation they are immersed in one of the 4-minute documentary soundscapes and its complementary sequence of fragrances. The Famous Deaths Installation won the 2015 Art & Olfaction Award for experimental scent.“

Sensory Stories: Famous Deaths from Centre Phi | Phi Centre on Vimeo.

The Feelies, dieses Jahr für den Sadakichi-Award nominiert, sind ebenfalls ein mehr als spannendes Unterfangen, hier die Beschreibung von der IAO-Seite:

„An artist, a scientist, and a perfumer pushed the boundaries of storytelling. They expanded two VR films into full sensory experiences, orchestrating temperature, wind, orientation and scent. Six hundred people visited the experience, named The Feelies after Aldous Huxley novel Brave New World. The first multisensory VR cinema was born and with the true empathy machine that society and storytelling so badly needed.

Moved by the success to transport audiences to places that needed their protection and support, Grace founded The Feelies as a multisensory production company and started to research the origins of empathy. Collaborating with Nadjib and researchers, they explored the ability of scent to improve audio-visual communication to deliver important messages. Grace approached Greenpeace, that understood the potential of multisensory storytelling for environmental and social causes.

A groundbreaking project started, aiming to create content that was multisensory from the conception. How do you write a story in terms of scent or gather and map the scents of a place like a journalist? How do you deliver those scents to communicate a meaningful message? As perfumer, Nadjib included olfactionin the creative writing processor the script.

In October 2016, the team travelled to the Tapajós river, deep in the Amazon, with Greenpeace and the VR production team. They spent two weeks with the Munduruku people to try and answer these questions. This was the first time a perfumer was on a VR film set. Nadjib mapped the smells of the Amazon rainforest, in order to reproduce them in London for a immersive exposition – a Feelies.“

Bei Vice findet sich ein Artikel über das Kinoerlebnis. Grace Boyle und Parfumeur Nadjib Achaibou waren danach auch auf der Re:publica, wie man in den Medien lesen konnten. Ihr neues Projekt ist selbstredend toll – den Amazonas multisensuell abzubilden, vor allem aber auch olfaktorisch. Sissel Tolaas „werkelt“ ja ebenfalls schon seit Jahren an olfaktorischen Kartografierungen, ein extrem spannendes Thema.

Spyros Drosopoulos, der Mann hinter Baruti, der einen Doktortitel in Psychologie trägt, erzählte kurz und knackig, ähnlich wie schon morgens Andreas Wilhelm, aus seinem Alltag als Parfumeur, gefolgt von Claus Noppeney, Prof. Dr., der zwar kein Parfumeur ist, aber rund um das Thema Duft forscht und auch unterrichtet.

 

Den letzten Beitrag leistete dann der Künstler Wolfgang Georgsdorf, der sein für den Sadakichi-Award nominiertes Projekt Osmodrama – Smeller 2.0 in vielen Bildern vorstellte.

„Smeller 2.0 ist eine elektronisch gesteuerte Geruchsorgel, entwickelt von Wolfgang Georgsdorf zur Erforschung und Verwirklichung olfaktiver Darbietungen.

Smeller 2.0 löst ein lange im Raum stehendes Versprechen ein: Osmodrama, die erzählende Verwendung von Geruchssignalen in den Künsten.

„Mit Smeller 2.0 ist es möglich, vorgemischte, einströmende Gerüche in einem Raum zu verteilen und so schnell verschwinden zu lassen, wie sie gekommen sind. Mit jedem Atemzug werden Düfte aufgenommen, ohne dass sich diese unkontrolliert überlagern. Geruchsfolgen, die kommen und gehen wie Bilder, die an- und abklingen wie Töne. Ein Theater der Gerüche.

Den Raum durchzieht ein homogener Frischluftstrom in Schrittgeschwindigkeit, der kontrollierte Nuancen von Gerüchen transportiert und mit ihnen am Ende des Raumes entweicht. Es gibt kein Aufstauen und ungewolltes Vermischen in der zeitlichen Abfolge der wechselnden Geruchsakkorde.

In interdisziplinärer Zusammenarbeit an Schnittstellen künstlerischer, wissenschaftlicher und technischer Forschung mit Experten aus Parfümistik/Olfaktorik, Klimatechnik, Industriedesign, Informatik, Chemie und Physik ist eine Technologie entstanden, die auf einzigartige Weise funktioniert.

Smeller 2.0 wurde 2012 erstmalig im Rahmen der Ausstellung „Sinnesrausch“ einem breiten Publikum in Österreich vorgestellt.

Bereits 1996 zeigte Georgsdorf einen mechanisch regelbaren Prototyp einer Geruchsorgel (Smeller 1.0) im OÖ Landesmuseum. Mit ihm wies er das grundsätz-liche Funktionieren der Idee zum künstlerischen Einsatz von Geruchssequenzen nach. Im Buch zur gleichnamigen Ausstellung (“Werk’zeuge“, Triton Verlag, 1996) hatte er erstmals die Vision eines Smeller 2.0 als elektronischem, digitalen Geruchs-projektor formuliert. Daraus wurde das über die Jahre ständig weiterentwickelte Projekt Smeller, für das er 2013 die staatliche Auszeichnung Outstanding Artist Award für Interdisziplinarität in Wien erhielt.“

Mehr Infos als oben gibt es auf der Seite Smeller.net. Sponsor der Aromen war/ist im übrigen IFF und der Parfumeur, der Georgsdorf bei der Umsetzung half, ist Geza Schön. Videos dazu gibt es zuhauf, fangen wir doch mit Herrn Schön an:

Prof. Dr. Dr. Dr. Hatt zum Thema:

Und natürlich Georgsdorf selbst:

Der Aufbau der Duftorgel in Berlin:

Und ein paar ausgewählte Videos zum Smeller – es gibt noch viel mehr, unter anderem auch Eindrücke von Besuchern, es lohnt sich, danach bei Youtube zu schauen!

Ihr seht schon, der Freitag war intensiv – und fand seinen Abschluss mit einer musikalischen Einlage von Daniela Gesundheit, von Spyros duftend untermalt.

Mit weiteren Impressionen des spannenden Tages verabschiede ich mich für heute von Euch – die Bilder sind allesamt genau wie oben, wenn nicht anders angegeben, copyright by Michael Haußmann (ich bin sicher, Ihr erkennt ein paar bekannte Gesichter 😉

 

… ok, weil Ihr so fleißig gewesen seid und es bis hier unten geschafft habt: Eins habe ich noch für Euch – ein Selfie von Harmen und mir, ein bisschen Rumblödeln musste schon auch sein 😉

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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