… erzählen uns Maison Martin Margiela heute – dabei war der Sonntag, das ganze Wochenende bei mir gar nicht so chilig dank einer erneuten Anginaattacke. Deshalb erst heute, außer der Reihe, ein Artikel für Euch – der letzte, vorerst letzte, der sich um die Duftkollektion des Avantgarde-Designers Martin Margiela dreht. By the Fireplace heißt unser erster Kandidat, der zumindest heute für viele eine Option verhieß – meine Heizung läuft noch bzw. wieder, Eure auch?
„The sun rises across a wintry landscape. A fire crackling in the hearth emanates fragrant warmth. Outside, boundless snow-capped mountains shiver resplendent in the quiet dawn. ‘By the Fireplace’ captures a quintessential winter morning.“
Winterlandschaften … ja, so fühlte es sich dieser Tage an, das Wetter. Und hätte ich einen Kaminofen, dann würde er sicherlich dieser Tage seinen Einsatz finden, genauso wie er es bei einigen Freunden von mir tut. Ich muss gestehen: Ich bin extrem gespannt auf das Margielasche Holzfeuerchen … Eifrige Leser/innen wissen: Ich war lange, lange auf der Suche nach einem Duft, der nach einem Lagerfeuer oder einer Feuerstelle riecht, nach trockenem Holz, das im Feuer glimmt und brennt, nach einer Prise Asche, nach Harzen, deren Geruch vom lodernden Feuer herübergetragen wird. Früher gab es mal eine Kerze von Néz à Néz, die dem recht ähnlich war, Cire Trudon hatte auch mal eine, die angezündet danach duftete (aber in „trockenem“ Zustand nach Diesel und Metall, vielleicht ein Grund, weswegen sie nicht mehr erhältlich ist, was zumindest ich sehr sehr schade finde), und dann ist da natürlich noch der wunderschöne Bois d’Ascèse von Naomi Goodsir, der für mich meinen bisherigen Holy Grail darstellt. Allerdings ist er nicht für jeden Tag, weil er sehr sehr krachig ziemlich exakt die oben beschriebenen Duftimpressionen zelebriert. Könnte Margiela hier etwas Alltagstauglicheres geschaffen haben?
Die Ingredienzen: Rosa Pfeffer, Orangenblüten, Gewürznelke, Kastanien- und Guajakholz, „Cade Oil“ (Cade steht für Zedernwacholder, Cade Oil ist Wacholderteer oder auch Kranewittöl, das sogar heilende Wirkung entfalten kann, seht hier), Vanille, Perubalsam und Cashmeran.
Ja, ja und ja – Margielas Lagerfeuerchen By the Fireplace ist in der Tat eine „zahmere“, gefälligere, aber dennoch ausdrucks- und charakterstarke olfaktorische Impression! Mein erster Eindruck – Gaïac, Micallef. Das wunderschöne, warm-würzige Guajakholz, balsamisch, holzig, einhüllend, tröstend – auch hier mit Vanille und vor allem Perubalsam untermalt. Micallefs Guajakholz war einer meiner ersten Nischendüfte und ist eine langgehegte Liebe meinerseits, er wird immer einen Platz in meinem Herz und meinem Schrank haben. By the Fireplace ist definitiv ein Bruder im Geiste, erweitert aber die duftenden Aspekte Gaïacs um holzig-knarzige, rauchige, teerige Facetten, eine ätherische anmutende Prise Wacholderharz sowie sachte Anklänge von Kastanie. Darüber hinaus nehme ich eine staubige, auf angenehme Art und Weise „muffige“ Note wahr, die mich an halb verbranntes Papier, vielleicht Pergament denken lässt.
By the Fireplace ist ein kraftvoller Seelenschmeichler, ein Rückzugsort, ein olfaktorischer, eine duftende Trutzburg. Eine, die sicherlich, möchte man sie einteilen, eher in die maskuline Richtung zielt – ich bin mir hier aber sehr sicher, dass dieses Feuerchen auch viele Frauenherzen zum Lodern bringen wird!
Lazy Sunday Morning – „immer gut“, da gibt mir Harmen sicherlich recht, wobei ich die größere Schlafmütze von uns beiden bin 😉 Im Bett rumlullen macht Freude, erst recht, wenn das Wetter so trübe ist wie beispielsweise heute. Allerdings entführt uns Maison Martin Margiela nach Florenz, direkt in ein sonnengewärmtes Bett zu einer unbekannten Schönen, noch schlafend, dösend, vielleicht aber auch ganz bewusst entspannend, wir wissen es nicht. Für mich ruft das nach einem skinnigen Duft, einem, der darüber hinaus mit Noten von Wäsche aufwartet, wie bereits auf dem Etikett ersichtlich – Leinen, gerne zitiert in Düften, wenn es um Textilien geht, vor allem aber Betten.
„Recollection of silky skin, crumpled linen sheets and the reassuring scent of fresh laundry. Time stands still, leaving only memories and sensations.“
Ich fühle mich hier selbstredend an einen Liebling von mir erinnert, an Humiecki & Graefs Geste, das futuristische Samtveilchen, das die Liebe zu einer älteren Frau feiert und mit einem zerwühlten Bett Assoziationen, vielleicht auch Erinnerungen weckt, in jedem Falle aber die Phantasie triggert. Ganz nebenbei: Auch Jul et Mad widmen sich einem ähnlichen Thema mit ihrer olfaktorisch (nach)erzählten Liebesgeschichte. Und wenn wir es schon von Zimmern, vielleicht Hotelzimmern haben, mit riesigen Betten, die Geschichten erzählen von unlängst Vergangenem, das seine Schatten, welcher Art auch immer, bis hinein in die Gegenwart wirft … Chambre Noire von Olfactive Studio will mir dazu noch einfallen und ein Roman, „Sich lieben“ von Jean-Philippe Toussaint. Eine vergehende, eine vergangene Liebe, ein Hotelzimmer in Tokio und die Melancholie des Abschieds – hier eine treffende Rezension.
Allerdings bin ich jetzt abgeschweift, Lazy Sunday Morning sieht verheißungsvoll aus, vielmehr – die fotografische Untermalung: Hier ist noch keine Chance vertan, es stehen alle Türen noch offen, es bieten sich noch alle Möglichkeiten, um sie in die Wirklichkeit zu überführen, wahr werden zu lassen. Ein Moment, der von etwas Vergangenem kündet, in der Gegenwart wahrgenommen wird und in die Zukunft verweist … Ist der Duft genauso spannend wie sein Thema?
Die Ingredienzen: Aldehyde, Birne, Maiglöckchen, Iris, Rose, Orangenblüte, Weißer Moschus, Patchouli, Ambrettesamen.
Mir fällt viel zu Lazy Sunday Morning ein … Er ist – hell, luzide, auf eine Art leuchtend, und zwar dank einer „dumpfen“ Strahlkraft (keineswegs negativ gemeint, ganz im Gegenteil!), die mich an Juliette has a Guns Lady Vengeance erinnert, einen meiner Alltime-Favoriten. Nehme ich da eine abstrakte Interpretation eines hypermodernen Chypres wahr? Vielleicht – in jedem Fall verleiht der Patchouli ordentlich Körper, färbt aber nicht düstern, sondern erleuchtet, lässt leuchten. Fruchtige Aldehyde, die gleichzeitig eine gewisse weibliche Facette kreieren, harmonieren hier perfekt mit dem dicht gewobenen Blütenbouquet, das hin und wieder eine samtige, aber helle Rose aufscheinen lässt, deren fruchtige Seite von Birne gekonnt verstärkt wird. Hier haben wir auch die Verwandtschaft mit unserer Lady Vengeance – ebenfalls eine Patchouli-Rose, allerdings eine ganz anderen Charakters.
Lazy Sunday Morning lässt für mich keine Leinentücher flattern – Gott sei Dank. Dafür schafft er etwas, das Seltenheitswert besitzt: Wir haben es hier mit einem hellen Duft zu tun, einem wollweiß-nudefarbenen, der Momente der Unschuld kreiert und dennoch … so viel Tiefe besitzt. Und damit all jene Möglichkeiten suggeriert, die oben angesprochen wurden und vielleicht, vielleicht auch gezeigt … Insofern: Bitte nicht (ab)schrecken lassen – kein Weiße-Wäsche-Duft, kein austauschbarer, dafür vielversprechendes und sehr sinnliches „Wie-weibliche-Haut-nur-besser“. Und darüber hinaus: Eine Patchouli-Rose mit mächtig Sillage, die hell, hell, hell scheint – ein absolutes Unikat.
Für mich ein gelungener Abschluss der Kollektion – für Euch auch? Welche Düfte kennt Ihr, welche haben Euch neugierig gemacht? Ich bin gespannt!
Viele liebe Grüße,
Eure Ulrike
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