… macht der März oder so ähnlich: Auf der Esxence waren wir dieses Jahr alle, die Chefs, Harmen – Premiere! – und ich, und haben uns vier Tage angesehen, was es an Neuigkeiten auf dem Markt gibt. Einmal mehr brillierte die Mailänder Messe mit einem herausragenden und handverlesenen Portfolio an Nischenduftmarken, altbekannte und natürlich auch neue, bisher noch unbekannte. Prinzipiell dürft Ihr Euch die Esxence als mehr oder weniger „geschlossene Gesellschaft“ vorstellen: Trotzdem an zwei Tagen die Tore auch für „normales“ Publikum geöffnet werden, ist sie eigentlich der Industrie vorbehalten. Es treffen dort Marken und deren Inhaber auf Distributeure aus aller Herren Länder sowie zum Teil auch Einkäufer von größeren Häusern oder privater Parfümerien. Sowohl Esxence als auch Pitti/Florenz (Herbst) gelten als die Nischenduftmessen, es gibt weltweit sehr wenig, was damit zu vergleichen wäre, weswegen das Publikum immer sehr international ist. Parfümeure sind häufig vor Ort anzutreffen, darüber hinaus finden sich auch „nebenan“ Marken und deren Inhaber, die abseits der Esxence, vor allem im gegenüber liegenden Principe di Savoia, Meet-and-Greets abhalten. Dann gibt es natürlich noch die alljährliche Mottoparty und darüber hinaus Einzelveranstaltungen, von deren Existenz man mal mehr, mal weniger mitbekommt. Dieses Jahr war es unter anderem die Fotoausstellung von Unum im 10 Corso Como, das einigen von Euch sicherlich bekannt sein dürfte dank des Signature-Duftes – es handelt sich bei dem 10 Corso Como um einen wunderschönen Conceptstore, benannt nach seiner Adresse, der ein grandioses Gesamtkonzept bietet: Kleidung, Bücher, Hotel, Restaurant, Bar und Galerie, Herz, was begehrst Du mehr …
Wie fast jedes Jahr in Mailand bot sich kaum eine Gelegenheit, abseits der Messe noch irgendetwas anderes anzusehen, dafür bot die Esxence aber wirklich erneut Input „satt“, den ich dieser Tage mit Euch teilen werde.
Ganz typisch, wenn man einmal darauf hofft, der deutschen Wettertristesse zu entfliehen und in den italienischen Frühling zu reisen, darüber hatte ich Ende letzter Woche bereits berichtet: Es hat natürlich geregnet in Mailand. Nicht einen Tag, sondern bis auf einen halbwegs sonnigen Samstag Mittag die komplette Zeit. Überflüssig zu erwähnen, dass es hier in den allermeisten Regionen ziemlich nettes Wetter hatte, das werdet Ihr selbst erlebt haben. Aber – wir waren ja nicht zum Sonnenbaden da, sondern zum Testen, Schnuppern und Entdecken 😉
Bilder der wie immer ziemlich dunklen Halle, die dieses Mal allerdings über eine funktionierende Klimaanlage verfügte. Hier war das verregnete Wetter in der Tat ein Segen: Es war auszuhalten drinnen, ganz im Gegensatz zu einigen der vorherigen Messen, in denen man sich an den Ständen unter der Beleutung bisweilen wie unter Brutlampen fühlte. Trotzdem scheinen dem einen oder anderen die Füßchen schon zu schmerzen – das Foto ist von Tag Eins, insofern hoffe ich, dass es die Dame noch gut durch die Messe geschafft hat. Spätestens am vierten Tag allerdings kommt so ziemlich jeder auf den Felgen daher, viel Input und wenig Schlaf tun ihr Übriges, das könnt Ihr Euch sicherlich vorstellen …
Bei Accendis konnte ich mich endlich einmal mit der sehr sympathischen Markeninhaberin Emy Cesaroni unterhalten. Aufmerksame Leser wissen, dass ich die Marke sehr schätze, vor allem aber Aclus es mir ganz besonders angetan hat – hier die Rezensionen zu dem Trio, mit dem Accendis vor zwei Jahren gestartet ist. Cesaroni (siehe Flakonfoto, im Hintergrund) hatte zwei neue Düfte für uns mit im Gepäck, und zwar Lucepura und Lucevera, beide von Luca Gritti kreiert. Lucepura hat folgende Ingredienzen: Lavendel, Wassermelone, Zitrone, Sandelholz, Kiefer, Tabak, Ambra, Borretsch und Moschus. Lucevera offeriert folgende Zutaten: Bergamotte, schwarze Johannisbeere, Ananas, grüne Anklänge, Ambra, Patchouli, Vanille und Zeder. Ich fand beide klasse – Lucepura ist ein kräftiger, eher ins Maskuline tendierender, aromatisch-krautig-grüner Duft mit leisen Fougèreanklängen, sachtem Tabakrauch und einer feinen weichen Moschus-Harz-Basis. Lucevera ist meines Erachtens nach unisex mit einem Tick mehr in Richtung Männer weisend, ein herrlicher Ganzjahresduft, der allerdings dank seiner saftig-spritzen Ananas-Cassis-Noten und seiner sauber-seifig-holzigen Zeder in den wärmeren Jahreszeiten vermutlich besser zur Geltung kommen wird als im knackig-kalten deutschen Winter.
Am selben Stand präsentierten sich ebenfalls Profumi di Pantelleria, um die es ruhig geworden ist in letzter Zeit. Die Marke hat einiges erneuert, unter anderem das Packaging als auch die Flakons, an der Kollektion hat man auch einiges verändert: Sechs Düfte sind momentan zu haben, darunter einige alte Bekannte als auch Neulinge. Aire, Jailia und Profumi di Pantelleria, Passum, Joyann und Günther (ja!) sind in der Kollektion vorhanden, Dammuso allerdings kommt ebenfalls wieder. Ich habe diesbezüglich dezidiert nachgefragt, ist Dammuso doch einer meiner All-Time-Favoriten für den Sommer.
Wie es zu dem Namen „Günther“ für einen Duft kam, habe ich selbstredend auch erfragt – eine persönliche Beziehung seitens der Inhaber zu einer gleichnamigen Person ist des Rätsels Lösung. So etwas in der Art vermutet man natürlich auch, denn hier in deutschsprachigen Ländern liegt der Name nicht allzu nah für eine Parfumkreation.
Deutschsprachig, aber in Barcelona ansässig ist unsere liebe Romy Kowalewski, die mit ihrer Marke 2787 Perfumes auch vor Ort war. Einen neuen Duft hatte sie mit dabei, der auf den Namen Hamaca hört. Hamaca heißt Hängematte und evoziert bei mir sofort Bilder eines spanischen Sommers am Strand oder zumindest in Strandnähe. Shyamala Maisondieu ist die Parfümeurin, die zuständige, die auf Noten von salzigem Wasser, Kokosnuss, Sandelholz als auch eine ordentliche Portion Vanille und Tonkabohne zurückgegriffen hat. Die Richtigung ist klar – wie Haut nur besser, würde ich sagen, und zwar mit Sonnencreme geschützte, von der Sonne gewärmte Haut, Relaxen und Urlaubsfeeling inklusive. Ein sehr netter Duft, der vielen von Euch ziemlich gut gefallen wird und für diejenigen, die nach Sonnencremedüften suchen, ein Must-Have.
YVRA 1958 präsentierten ihren zweiten Duft, den ich bereits als Studie auf der Pitti testen durfte. Man hat noch verfeinert, nun ist es aber endlich soweit: Die L’Essence de Presence ist fertig. Der Duft sollte in einigen Wochen final lanciert werden und demnach auch bald erhältlich sein. Es ist, wenn man so möchte, der Abendduft im Vergleich zu seinem Vorgänger L’Essence de L’Essence: Schwarzer Pfeffer trifft hier auf Zitrusfrüchtchen wie Bergamotte und Zitrone, Patchouli, Zedernholz, Ambra, Moos und Moschus sind die restlichen Zutaten, die sich zu einem eleganten Gentlemanduft zusammenfügen. Des Weiteren habe ich einen Kanister an der Rückwand entdeckt, der, soweit ich es verstanden habe, ursprünglich eher als kleiner Scherz gedacht war, vielleicht aber doch lanciert wird – ein Pflegemittel für die Autowäsche, beduftet natürlich.
Rancé 1795 lockten mit einem Baudelaire-Zitat, damit nimmt man mich immer für sich ein. Darüber hinaus hatte die Traditionsmarke allerdings auch drei sehr vielversprechende Neuheiten zu präsentieren, eigentlich vier – drei davon sind soeben lanciert worden, der letzte Duft erscheint demnächst. Éléonore ist die Nummer Eins, ein toller Erwachsenengourmand mit Safran, Oud und Vanille, der eines jener seltenen Exemplare seiner Gattung ist, die Eleganz ausstrahlen und wirklich nur für „reifere“ Semester bestimmt ist. Will sagen: Frauen, die keine 15, 16 mehr sind und bestenfalls auch die 20 hinter sich gelassen haben. Ich würde sagen, da spreche ich von der Mehrheit von uns, meine Lieben, oder nicht? Mir persönlich hat Éléonore ziemlich gut gefallen aufgrund der köstlichen, an erlesenes Backwerk erinnernden Aromen. Keine Madeleines hier, kein Softgebäck, sondern … eine Art Amarettini vielleicht, aber ohne Mandel?
Mandel allerdings findet sich in dem nächsten Neuling, Sécrète Euphorie genannt, das Geheimnis der Freude. Eine solche war und ist der Duft für mich auch, ich fand ihn ausnehmend schön – Osmanthusblüten, die opulente Anklänge von Aprikosen und Pfirsichen zaubern, eine klitzekleine Ledernote und Mandeln samt ihrer Blüten. Ein toller floraler Schönling, der für mich so etwas wie die Osmanthus-Variante von Fleurs d’Oranger (Serge Lutens) darstellt, jenem herrlichen Sommernachtstraum und Evergreen.
Rêve d’Été, der Frühlingstraum, ist eine Ode an die Feige, ein grüner Hübscher mit milchigen und fruchtigen Feigennoten nebst Blattwerk, cassisgeküsst mit einer Prise Kokos und von Oud harzig-warm untermalt, umrankt von Neroliblüten. Feige ist nach all den Jahren immer noch eine meiner Lieblingsingredienzen für Frühling und Sommer, in Kombination mit den schwarzen Johannisbeeren ist dieses duftende Frühlingsträumchen sicherlich einen zweiten und dritten Blick wert hinsichtlich der Option der Sortimentsergänzung, der ganz persönlichen …
Sharisme Absolu, Duft Nummer Vier, kommt im Juni auf den Markt und richtet sich an das männliche Klientel – ein maritimer Chypre, kraftvoll, maskulin und elegant.
Piguet waren gleich um die Ecke und mit ihrer neuen Irisschönheit L’Insomnuit, der Schlaflosen, anzutreffen. Eine Zeit war der Duft Harrods-exklusiv, wie so oft, demnächst ist er für uns alle zu kaufen. Mit Iris kann man mich locken, so auch hier – ich mag die Schlaflose, sehr sogar.
Darüber hinaus gibt es noch weitere Neuigkeiten von seitens Robert Piguet: Fracas feiert seinen 70. Geburtstag, weswegen es eine Limited Edition in schönem Platin geben wird mit Pumpzerstäuber sowie ein reines Parfum in dem bekannten schönen Art Déco-Flakon.
Und, der „Hammer“, eine echte David gegen Goliath-Geschichte: Visa, unsere alte Schönheit, muss umbenannt werden nach einem jahrelangen Rechtsstreit gegen … Ihr wisst schon wen. Nein, Visa, der Duft, ist kein universelles Zahlungsmittel, auch wenn er sicher mit seiner betörenden Ausstrahlung so manche Türen öffnet … nichtsdestotrotz sah sich eine große Firma „bedroht“ aufgrund der „Verwechslungsgefahr“. Piguet kämpften jahrelang vor Gericht und sind nun unterlegen, deshalb wird Visa alsbald umbenannt in „V“. Eine kleine Frist haben sie noch erhalten, alle neuen Produkte müssen aber umgestaltet werden, die alten zum Teil auch umetikettiert werden. Zeit also, nochmals einen Flakon zu kaufen, wenn Ihr noch den Original-Schriftzug darauf haben wollt. Was für eine Geschichte, oder?
Neela Vermeire hatte zwar keinen neuen Duft dabei, allerdings hatte sie ja auf der Pitti bereits ihren Osmanthus-Schönling Rahele präsentiert. Dafür haben wir uns wirklich gut unterhalten.
An ihrem Stand gab es herrliche Blumen, echte Blumen – wunderschön, wie ich finde:
Echte Blumen, gerne auch in sattem Plural, finden sich auf der Esxence natürlich in vielen Flakons wieder, aber auch vereinzelt an manchen Ständen – so auch bei Dusita:
Ja, meine Lieben, die sind echt – ich habe sie mir extra näher angeschaut 😉
Neue Düfte gab es nicht von Dusita, dafür ist die Marke mit Mélodie de l’Amour in der Kategorie Artisan bei den Finalisten der Art and Olfaction Awards mit im Rennen.
Natürlich hatten wir auch Späßchen abseits der Messe, trotz limitierter Zeit. Am ersten Abend fanden sich Harmen, Andreas Wilhelm (PERFUME SUCKS) und ich in einer Pizzeria gleich bei uns um die Ecke ein. Ehrliche Pizza mit wenigen, aber exzellenten Zutaten, was für ein Genuss!
Es bleibt weiter spannend hinsichtlich der Esxence – bis bald und viele liebe Grüße,
Eure Ulrike
Schreibe den ersten Kommentar