… heute, die es sich, Ihr wisst es hoffentlich noch, zum Thema gemacht haben, sich mit ihrer Duftkollektion etwas anderem zu widmen, das wir ebenfalls auf der Haut tragen – Stoffen. Ende letzten Jahres hatte ich Euch bereits einen ersten Teil der italienischen Kollektion vorgestellt, dieser Tage folgt nun noch der Rest, den ich Euch keineswegs vorenthalten möchte – zwei meiner Lieblinge sind nämlich noch darunter!
Einer davon kommt heute zum Zuge, und zwar ist es WE±TWEED, von Jean Jacques kreiert. Die Ingredienzen: Kopfnote: Schwarzer Pfeffer; Herznote: Veilchenblätter, Vetiver, Cashmeran; Basisnote: Benzoeharz, Ambroxan, Moschus.
„Tweed… so totally charming! Old fashion and absolutely contemporary, a hipster avant-garde touch in love with tradition. A personality with a balance of contrasts… rude and refined, down to earth and dreamy, masculine and feminine.“
Wenn ich Tweed höre, denke ich natürlich an … Schottland. An Harris Tweed. An Single Malt – das lässt sich irgendwie nicht vermeiden, sorry 😉 Vor meinem inneren Auge sehe ich … ein Herrenzimmer, Bücher, vielleicht eine Privatbibliothek, das käme aber dann wieder dem Herrenzimmer gleich, das in meiner Vorstellung ohnehin alle freien Stellflächen mit mächtigen, dunkelholzigen Bücherregalen belegt hat. Tweed ist ein tolles Gewebe: Traditionell aus reiner Wolle bestehend, bekommt man das Tuch in allen möglichen Mustern und Farben, es handelt sich um einen widerstandsfähigen, robusten, wärmenden, langlebigen und unkomplizierten Stoff, der seinem Ursprung nach, man denkt es sich schon, den doch sehr wechselhaften Wetterbedingungen Schottlands trotzen musste. Ich persönlich finde Tweed toll – und denke dabei nicht nur an „alte Männer“ wie Prinz Charles. Und bei dem heute vorherrschenden Trend, der „back to the roots“ geht, ich zitiere einmal wieder meinen Lieblingshipster: den Lumbersexual, müsste sich das Stöffchen eigentlich auch alsbald einer Renaissance erfreuen abseits der Stammkundschaft – was meint Ihr?
Wie bei fast jedem Duft aus dem Hause UÈRMÌ zitiert man die italienische Bloggerin Marika Vecchiattini (Bergamotto e Benzoino):
„This scent shows a complex and multifaceted nature, a series of mixed feelings evoke the fabric after which it’s named: tweed is a dry, rough wool, dyed in beautiful colors that may show contrasting shades. Sometimes a vermilion thread stands on an electric blue base or a grass-green thread on an orange base. The scent reflects this search in every sense for harmony in contrasts: the opening features a dry, hot and pungent accord, with black pepper adding powderiness. The central accord marries a playful note (an almost childlike red fruit) to a vetiver+cashmeran accord, rather sober and elegant. Benzoin and ambroxan make the drydown unexpectedly sweet, crunchy and powdery, rejoining ideally with the top notes. I believe it hasn’t been easy to work with opposing feelings while mantaining elegance and balance in the composition, but Jean Jacques succeeded in it, and the result is a scent both sophisticated and wearable with great pleasure, despite the complexity of its many facets, celebrating in a surprisingly true way the complexity of real tweed.“
Vecchiattini betont die Vielfältigkeit und Komplexität des Namensgebers, ich würde hier noch eine gewisse Ambivalenz oder auch Doppeldeutigkeit anmerken wollen. Tweed an und für sich ist – klassisch, ein sehr klassisches Material. Der Stoff selbst ist aus Wolle, aber nicht weich, sondern fest und dicht gewebt, was ihm seine wind- und wetterabweisenden Eigenschaften verleiht. Man bekommt Tweed in fast allen erdenklichen Mustern und Farben, wie schon bemerkt, und man entdeckt bei einem genaueren Blick auf das Material, das von weitem nach einer homogenen Färbung aussieht, viele unterschiedliche, oftmals auch fast schon gegensätzlich gefärbte Wollfäden, Farbkombinationen, die an und für sich ob ihrer Kontrastreichheit mutig sind, eine gewisse Ironie, einen Sinn für Humor erahnen lassen und im Ganzen wahnsinnig harmonisch wirken. So wirkt beispielsweise oben gezeigter Tweed aus der Ferne sicher taubenblaugrau, offenbart aber bei genauerer Betrachtung ein ganzes Farbenspiel – wie jeder seiner Familienmitglieder. Wahrscheinlich hat so manches Sakko eines gestandenen Gentlemans auch pink-rosafarbene Elemente, leuchtendes Orange oder Grasgrün wohnt ebenfalls so manchem sicherlich inne. Das wiederum ist für mich der Aspekt, den ich an Tweed liebe – der ihm genuine Stilbruch, die kleinen, feinen Details, die sich erst der näheren und detaillierteren Betrachtung enthüllen. So wird es dann schnell klar, warum sich beispielsweise moderne Dandys wie der Lebemann und Fiaterbe Lapo Elkann gerne mal in Tweedsakkos zeigen, die ihm dazu noch unverschämt gut stehen.
Liebe Männer und auch liebe Frauen – mehr Tweed bitte! Tweed ist cool – und der Duft zum Stoff auch: Für mich ist er zum Immergeher geworden, obschon er … vielleicht für viele eben diese Kategorie nicht wirklich erfüllen wird, weil er dafür dann doch auch ein wenig zu auffällig sein könnte. Gepfeffert zeigt er sich im Auftakt, Pfeffer aber, der lange nicht so intensiv und, wie soll ich sagen, einzelkörnig erscheint wie beispielsweise bei Villoresis Piper Nigrum. Aber wir haben es hier auch nicht mit einem weichgespülten Pfeffer zu tun, der nur entfernt an seinen Ursprung erinnert und eher abstrakt gemeint ist. Er zwickt im Auftakt in die Nase, frech, hüllt sich danach aber umgehend in einen Mantel sozialer Verträglichkeit, ja, mehr noch, er wird fast schon zum Everybody’s Darling – wie das? Die Pfefferschärfe tritt in den Hintergrund und verschmilzt mit einer Pudrigkeit, einer süßen, trocken und holzig wabernd. Das erinnert mich von der Aussage her (nicht vom Duft an und für sich) an die Süße, die Menardos Meisterwerk Black für Bulgari innewohnt, der seine Gummianklänge in einem ähnlichen Mäntelchen offeriert, das überaus anziehend wirkt. So zieht mich WE±TWEED auch immer wieder auf’s Neue in seinen Bann, sexy und selbstbewusst, dabei stilsicher und auf eine Weise traditionell wirkend. Dazu tragen handfest auch Vetiver und Cashmeran bei mit geschmeidigem Unterholz, trocken, elegant und dennoch kantig, ein Quentchen Rauch, eine Prise Salz, ein Fleckchen Moos und ordentlich wärmendes Ambroxan – mehr braucht es hier nicht. Das Ergebnis ist ziemlich genial – und begleitet mich seit der Pitti im letzten Jahr stetig.
Die Früchtchen, die Vecchiattini entdeckte, vermag ich nicht zu finden – kein Verlust in meinen Augen, denn ich genieße WE±TWEED wie meinen Single Malt: Ganz pur.
Neugierig geworden? Ihr werdet es nicht bereuen, meine Lieben!
Bis morgen –
alles Gute,
Eure Ulrike
Schreibe den ersten Kommentar