… erzählen uns UÈRMÌ heute – und zwar mit AB±CASHMERE und DO±WASHI.
Beginnen wir mit dem Kaschmirduft, der mich natürlich gleich an meinen früheren Liebling, Cashmere for Men von Cristiano Fissore, denken lässt. Schauen wir mal, ob Jean Jacques, der Parfumeur, das edle Stöffchen ähnlich interpretiert:
„Cashmere stands for soft, embracing warmth… your comfort zone. Nothing could resemble cashmere more than Grey Amber, so sensuous and mesmerizing. Made even more intriguing by Osmanthus, Jasmin, Sandal, Musk and Oliban. A fragrance that enhances the scent of a skin, either feminine or masculine.“
Auch zu AB±CASHMERE lassen UÈRMÌ Vecchiattini ausführlich zu Wort kommen, die das italienische Blog Bergamotto e Benzoino schreibt:
„This fragrance bears an imprint of classic elegance and is a worthy representative of the oriental family (which include some fascinating Guerlain of the past). It evokes both a sophisticated Lady with a strong and decided taste or a gentleman who has traveled a lot and has been able, from every trip, to bring home something unique and special. From the highlands of China, for example, come an elegant jasmine, a precious osmanthus, a dry and cold frankincense mastering the base of this fragrance. It is built around a dry, fresh and pretty bright feeling from the top to the base notes, with hints of bergamot, jasmine, incense and musk; meanwhile, the biscuit-like sugariness/ apricot note of osmanthus binds the toasted bread/hot milk of sandalwood and ambergris, creating a rarefied and suspended tone along the fragrance, meditative I’d say, that acts as a counterpoint in a very fascinating way. As if inside the urban man (or woman!), apparently solid, compact and clean-shaven, his traveler heart still knew how to feed with the stuff dreams are made of.“
Zuallererst sei gesagt, dass mich der Stoffzipfel mit seiner Musterung auf eine falsche Fährte führt, vielmehr schon vorab irritiert. Generell liebe ich es, Düfte nicht nur mit Worten, sondern auch mit Farben und Texturen, Stoffen zu beschreiben, sinnlich „einzukreisen“ – dafür müssen diese nicht mal ein solches thematisches Motiv haben, wie es bei UÈRMÌ der Fall ist. Hier hänge ich mich an dem Hahnentritt-Muster auf, das für mich in dieser Farbgebung eher konventionell wirkt, darüber hinaus auch keine typische Musterung für Kaschmir ist, zumindest meiner Phantasie nach.
Konventionaliät lässt sich dem Duft von Jean Jacques nur einer Hinsicht nachsagen: Es ist ein Vertreter der traditionellen Duftfamilie der Orientalen, das ist es aber dann auch schon. Orientalen werden heute weniger stiefkindlich behandelt als Fougère-Düfte oder Chypres, von denen ich oftmals junge Verkäuferinnen in Parfümerien sagen höre, dass sie „nach Oma riechen“, ohne dass diese überhaupt benennen können, was das für eine Art Duft ist, den sie als solches brandmarken, dass das eine Duftfamilie ist, woher die kommt und so weiter. Trotzdem sind vielen Duftliebhabern Orientalen oft „zuviel“ – zu üppig, nicht tageslichttauglich, sondern, wenn dann, eher für den Abend, den größeren Anlass oder ähnliches.
AB±CASHMERE ist einer der wenigen modernen Orientalen, die ich kenne. Er ist für beide Geschlechter tragbar, zudem noch zu so gut wie jeder Gelegenheit, sprich: Ohne Probleme auch tagsüber, im Geschäft als auch zur Jeans. Denkt zum Beispiel an … Claude Monets Wasserlilien, die in der Tate Modern hängen: Ehrwürdig durch ihr Alter, bedeutend, nicht nur aufgrund des Umstandes, dass sie dort ausgestellt werden. In einem Kontrast zu der modernen Umgebung, dennoch oder vielleicht gerade deshalb zeitlos, darüber hinaus zeitgemäß wirkend. Unser Duft hier ist zweifellos klassisch – wegen seiner Abstammung. Allerdings ist er so modern umgesetzt als ob man mit einer 3D-Brille auf einen alten Meister schaut – das funktioniert, und zwar extrem gut!
Selten findet man Üppigkeit, überbordene, die so minimalistisch und modern anmutet – und ich kann Vecchiattinis Eindrücke hier nur bestätigen: Süße Noten von Gebäck, Madeleines oder Biskuitteig heraufbeschwörend, zart-samtige Aprikosenanklänge, von Osmanthus kreiert. Sandelholz taucht das Ganze in vanillegeküsste Milch, von Ambra fein-würzig gewärmt und in trockene und kühlende Weihrauchschwaden gehüllt, die nicht an Kirche erinnern, sondern eher Sinnbild der Kultiviertheit sind, der Kultiviertheit des Trägers, der „ein Mann von Welt“ ist oder eine ebensolche Frau. Cremiger Jasmin und watteweicher Moschus runden die Komposition gelungen ab, die sich sinnlich, urban und kontemplativ zeigt. Ein echter Schönling – ganz klare Testempfehlung!
DO±WASHI durfte ich schon ganz ausgiebig testen seit der Pitti, da ich dankenswerterweise einen der kleinen Tester bekommen habe, die UÈRMÌ im Angebot haben. Wir bekommen die Discovery Collection im Januar – und sie macht wirklich Spaß: Acht Düfte mit jeweils 7,5ml im praktischen und formschönen Handtaschenzerstäuber, das wird vielen gefallen, da bin ich mir sicher. Man hat sich bei UÈRMÌ dafür entschieden, keine Testmuster herzustellen, sondern lediglich Minigrößen zum Verkauf anzubieten. Ich finde das Konzept gut, obgleich man selbstredend bei uns wie immer Testmuster bekommt. Nachdem ich mittlerweile weiß, wie teuer es für einen Hersteller ist, Testmuster fertigen zu lassen und diese dann oftmals in Massen gratis herauszugeben, dass das sich im Endeffekt wiederum im Preis für den Endverbraucher niederschlägt … empfinde ich das als gangbaren und guten Weg, zumal ich ohnehin von einem Duft, der mir gefällt, lieber ein üppigeres „Pröbchen“ kaufen möchte, um dann in Ruhe zu testen. Ganz abgesehen davon, dass man sich natürlich so auch von Düften ein Minifläschchen zulegt, die man vielleicht nicht als ganze Flasche „braucht“.
Aber zurück zu DO±WASHI:
„East meets West with the unique, mesmerizing Washi Fabric, a combination of silk, cashmere, cotton or linen and ‘rice paper or washi’ (80%). An unprecedented, peerless material that is luxurious, eco-friendly, with futuristic properties: antibacterial, it maintains the skin coolness and hydration, absorbes UV rays and acts as sunscreen. An encounter between past and avantgarde, nature and technology, Japanese and Italian cultures.“
Im Gespräch auf der Pitti erklärte mir die Inhaberin, dass sie selbst dieses erlesene Stöffchen vorher nicht kannte – mir hat es ebenfalls nichts gesagt, nicht wirklich zumindest. Washi – klar, das japanische Papier, auch Reispapier genannt, obgleich es gar keinen Reis in egal welcher Form enthält. Hier gibt es zig Methoden der Herstellung – siehe beispielsweise hier. Dass auf Basis von Washi auch Textilien hergestellt werden, war mir neu – Wiki weiß mal wieder Licht in die Angelegenheit zu bringen:
„In Europa und Nordamerika wurden Papiertextilien seit Ende des 19. Jahrhunderts vorwiegend als billiges Surrogat verwendet:
1. Aus Papier
- Hemdkragen, Krawatten, Manschetten oder Vorhemden (das Brustteil bedeckend, sog. Serviteurs)
- Sterbewäsche
2. Papiergarne und -gewebe
- Papierschnüre (zum Beispiel für die Landwirtschaft als Schnüre für Getreidegarben)
- Puppenwagen, Möbel (als Surrogat für Korb, siehe auch: Lloyd Loom)
- Taschen, Handtaschen, Hüte, Möbelbezugsstoffe
- Unterwäsche, Futterstoffe, Uniformen
Diese Gebrauchsgegenstände wurden von Beginn an industriell hergestellt. Papier aus Endlosrollen wurde in maschinellen Schneidevorrichtungen und Spinnmaschinen verarbeitet. Größere Verbreitung fanden diese Materialien vor allem während des Ersten und Zweiten Weltkriegs und in den Nachkriegszeiten. Als Teile der Bekleidung waren Papiergewebe unelastisch und hart, waren schlecht zu reinigen, hatten einen relativ geringen Tragekomfort und waren deshalb auch unbeliebt. Die in der DDR aus Vliesett hergestellten Bekleidungsstücke wurden fälschlicherweise wegen der papiernen Anmutung als „Papierkleider“ bezeichnet. Das Material bestand aus Viskose-, Polyamid- und Polyesterfaser.“
Wie Ihr sicherlich schon vermutet habt – das hilft uns hier nicht wirklich weiter, denn DO±WASHI bezieht sich natürlich nicht auf irgendeine komische billige Stoffart, die zu Klamotten verarbeitet wird, die keiner tragen will. Auf der Pitti erzählte man mir, dass diese besondere Stoffart von einem Japaner ersonnen wurde, an dessen Konzept auch die großen Modehäuser Interesse hatten, da der Stoff eine solch wunderbare Anmutung hat und hohen Tragekomfort. Er wollte aber wohl nicht verkaufen, wollte nicht größer werden. Ich konnte diese Geschichte nicht nachprüfen, weil ich wirklich rein gar nichts finde im Netz – mit Ausnahme dieses, ich nehme an Zwischenhändlers, der ein paar Sachen zu der Geschichte erzählt. Vielleicht werde ich mich an anderer Stelle diesem Mysterium nochmals annehmen.
Zu DO±WASHI, der von Antoine Lie kreiert wurde, schreibt Vecchiattini Folgendes:
„This fragrance features an extremely fresh opening, with an accord of peony and lilac playing a starring role, while some IsoESuper offers these flowers an otherworldly brilliance. The Cashmeran (a molecule that smells majesticly woody with a silver texture) is almost immediately perceptible, while tonka bean and musk add softness and powderiness to the drydown. A seemingly simple pyramid, reflecting the ‘seeming’ simplicity so dear to Japanese aesthetic. Washi is in fact the name of a precious fabric designed and developed through a collaboration between Italy and Japan, composed by a percentage of silk, wool, cashmere, cotton and linen, placed in a 80% rice paper. A fabric that masterfully marries tradition and technology, East and West cultures. Well, so does the scent, too. Tradition and technology resonate in the raw materials: some are so flowery and romantic that could almost be considered rétro, while others are modern and extremely trendy. The Western culture, however, is evident in the composition of the fragrance, which sits well perceivably on the skin throughout its development, while the East becomes obvious when wearing it: this scent is so clearly a Japan-inspired scent, that you can’t have any doubt! In fact, the first image arising after the spray is that of a bright and fresh scented rain, but Washi shows also “character” and longevity. Although not characterized as a scent “pour elle” (the robust Cashmeran note removes any doubt) it might be the fragrance worn by Moon in the movie “Hero” by Zang Yimou.”
Ich muss Vecchiattini in allen Punkten recht geben – auch wenn Hero ein chinesischer, und kein japanischer Film ist. Ich weiß, Korinthenkackeralarm 😉 … Sehenswert ist er in jedem Fall – und die Ästhetik, die farbenprächtige, herrlich fließende, die Farben … vermutlich ist es das, was wir für gewöhnlich mit Asien verbinden in unserer Vorstellung.
Ich möchte den Duft gar nicht in seine Einzelteile „zerpflücken“, sondern als Ganzes stehen lassen. Er brilliert mit jener „Unentschlossenheit“, die den Jokerfaktor von Iso E Super ausmacht, jenem Wundermolekül, das Geza Schöns Escentric Molecules zum Durchbruch verhalf und zum großen Verkaufserfolg werden ließ. Iso E Super riecht nach allem und nichts, und das auf herrliche Art und Weise, genauso wie DO±WASHI, der sich jedem genaueren definitorischen Zugriff entzieht: Sauber und frisch gebadet duftet es hier – und das ganze ohne Billigduschgelanklänge. Nach frischer Wäsche. Fruchtig, ohne die Obstsorte zu verraten, obgleich ich meine, hier Anmutungen von gelbem Steinobst zu erkennen. Regennass oder auch taufeucht, ohne grauverhangen zu sein. Sonnig und luftig, ohne jedoch das Gefühl zu vermitteln, einen an einen konkreten Ort oder auch Sonnenplatz zu entführen. Milchig, irgendwie, wie durch einen Filter. Dazwischen auch ein wenig süß-floral, ohne allerdings direkt auf Nektarsüße zu zielen oder gar bestimmte Blüten. Ist Blattwerk dabei, drumherum? Scheint so, vielleicht – vielleicht ist es aber auch nur meine Phantasie, die nebenbei auch ein paar anrührend schöne Moosnoten ausmacht.
Modern und asiatisch anmutend – für mich ist DO±WASHI der Clean-Duft, nach dem ich immer schon gesucht habe, und zwar als jemand, der eigentlich diese Art Düfte nicht mag. Er hat mich im heißen Florenz bereits begleitet und auch danach, ein Duft, nachdem ich gerne greife, wenn es warm ist, aber den ich auch als Immergeher das ganze Jahr über trage. Einer, der immer passt. Einer, der Charakter hat und modern ist, aber dennoch niemals zuviel wird.
Erzählt doch mal – sprechen Euch die Düfte von UÈRMÌ nach den bisherigen Rezensionen an? Wie gefällt Euch das Konzept? Habt Ihr schon getestet, wollt Ihr noch? Welche Düfte interessieren Euch besonders? Ich bin gespannt!
Herzliche Grüße,
Eure Ulrike
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