… nachdem meine Lieblingskrankheit Angina mich letzte Woche in ihren fiesen Fängen hatte! Ihr seid hoffentlich noch gespannt? Es lohnt sich nämlich – und wer bereits einen Blick in die Neuigkeiten bei uns im Shop geworfen hat, dem ist sicherlich aufgefallen, dass beinahe täglich neue Produkte bei uns eintrudeln. Ein guter Teil davon hatte auf der Pitti Premiere. Wie schon bei der Mailänder Esxence auch, werde ich mir Mühe geben, die Pitti mit Euch quasi gedanklich „abzulaufen“ in der Reihenfolge, in der ich vor Ort war – so vergesse ich hoffentlich nichts. Dann lasst uns mal starten ins duftende Vergnügen! Ich war dank einer lieben Freundin perfekt ausgerüstet – und hätte meine Tragetasche, die sie mir für das Infomaterial und die ganzen Pröbchen geschenkt hat (eine selbst bedruckte, wohlgemerkt), dort ein paar Mal versilbern können 😉
Als allererstes bin ich in den Stand hineingerauscht, an dem sich Robert Piguet und Maria Candida Gentile befanden, darüber hinaus État Libre d’Orange, Nicolaï, Map of the Heart, Making of (Cannes), Hugh Parsons und einige andere.
Robert Piguet zehrt noch von seinen letzten beiden Veröffentlichungen, den schönen Oud-Düften Oud Divin und Oud Délice, die ich Euch bereits vorgestellt hatte. Oud Divin ist nach wie vor einer meiner absoluten Lieblinge, der Duft hat sich quasi aus dem Nichts auf meine All-Time-Favoriten-Liste katapultiert und wird dort sehr sicher auch bleiben. Gerade jetzt, wo der Herbst vor der Türe steht, solltet Ihr einen Blick wagen, meine Lieben!
Maria Candida Gentile sind wohl immer noch auf der Suche nach einem deutschen Vertrieb, es gibt die Marke deshalb leider nur noch sehr begrenzt hier. Schade, denn einige ihrer Düfte mochte ich schon immer sehr gerne, unter anderem vor allem Lady Day, jene wundervolle Billie-Holiday-Gardenie. An dieser Stelle kann ich es mir nicht verkneifen – diese Zehnjährige (wohl eine Entdeckung aus Norway’s got Talent) habe ich dieser Tage auf Facebook gefunden, passenderweise mit einem Holiday-Cover:
Diese Stimme! Aber zurück zu Maria Candida Gentile: Einen neuen Duft hatten sie mit im Gepäck, der auf den Namen Lankaran Forest hört:
„Lankaran Forest – This fragrance was created by Maria Candida during her journey in the Lankaran Park, near the border between Azerbaijan and Iran, a magic and mystic place, which they say fascinated Alexander the Great so deeply that he declared it protected for ever. In Lankaran Forest Maria Candida merged the flavor of the Iron Trees – the huge trees which have the unique capacity to cure themselves when sick, by embracing one another – together with the incredible variety of underwood musks and flowers, and with black tea and citrus flowers, cultivated along the Park.“
Ich musste erst einmal kurz recherchieren, mit was für einer Landschaft wir es hier zu tun haben. Wiki hilft schnell, wie immer – die Lenkoraner Niederung im Südosten Aserbaidschans ist gemeint, über die man bei Wiki Folgendes lesen kann: „Die Wälder sind subtropische Laubwälder, jedoch im Vergleich zur Kolchis ohne immergrünen Unterwuchs. Im 20. Jahrhundert wurde die Niederung aus einem versumpften, malariaverseuchten Gebiet weitgehend in eine Anbauzone subtropischer Intensivkulturen verwandelt. Es werden Tee, Zitrusfrüchte, Reis und Gemüse angebaut. Industriell werden Teeblätter und Holz verarbeitet und Obst- und Fischkonserven hergestellt.“ Fein – dann passen ja auch die Ingredienzen des Duftes perfekt, oder nicht? Da wir ihn in absehbarer Zeit vermutlich auch nicht in den Shop bekommen werden, kann ich eine kurze Rezension auch gleich bewerkstelligen: Der Auftakt ist zitrisch und angenehm authentisch, allerdings nehme ich weniger säuerliche Hesperidenfrüchtchen wahr als vielmehr saftige Mandarinenschnitzchen. Derart natürliche Mandarinennoten sind selten, Liebhaber von L’Artisan Parfumeurs Mandarine Tout Simplement werden hier in hehre Verzückung geraten, das ist sicher. Dazu gesellen sich Noten von Tee, wässrigem Schwarztee sowie zarte zitrische Sprenkler, vielleicht ist es relativ kurz gezogener und erkalteter Earl Grey? Viel Moschus macht das ganze watteweich und hautnah, ein paar Hölzlein tummeln sich auch noch, allerdings … bekomme ich die Waldassoziation wirklich nicht hin, sorry, hier kann ich nicht folgen.
Mein Pröbchen war mikroskopisch klein und zum Tupfen, vielleicht würde sich der Duft gesprüht etwas anders entwickeln, allerdings hege ich so meine Zweifel, dass es an meiner Meinung viel ändern würde. Ein luftig-leichter Mandarinenduft mit prägnanten Teenoten, unisex und ein Immergeher. Ewige Wälder, Caspar David Friedrichsche Einsamkeit und Schwelgen in Naturerlebnissen kann ich mit Lankaran Forest nicht.
Nicolaï, ich werde es nicht müde zu betonen: für mich eine der unterschätztesten Linien am Markt, haben ihre Oud-Kollektion um ein weiteres Schmankerl erweitert: Incense Oud. Lasst Euch nicht von den, mit Verlaub: etwas phantasielosen Namen abschrecken! Incense Oud ist ein wunderschöner Vertreter seiner Gattung – auch, wenn man der Ingredienz langsam müde geworden ist.
„A fresh soaring of artemisia and coriander revealing a fruity liquor note, announce a woody patchouli, oud and Atlas cedar heart. Resin, leather and animalic notes sign the bottom of this unique fragrance in terms of originality and tenacity.“
Zurück zu den Ursprüngen des Oud wollte man – und hat mit Incense Oud einen herrlichen Duft geschaffen, der den Balanceakt zwischen europäisch interpretiertem Oud und den arabischen Wurzeln dieser Ingredienz bravourös zu meistern vermag. Will sagen: Ein „Kracher“ und sicherlich nichts für Oudzögerer, aber in seiner gleichzeitigen Eleganz einmal mehr ein Beweis für die meisterliche Kunstfertigkeit von Madame. Das Oud kommt wohl aus Kambodscha, der Weihrauch aus dem Oman (Silberweihrauch, man sagt ihm nach, der beste zu sein). Neben den genannten Noten finden sich auch Davana, Ambrettesamen, Zedernholz, Patchouli, Rose, Nagarmotha, Styraxharz, Castoreum, Ambra und Moschus.
État Libre d’Orange sind immer enorm auf Zack und haben schon seit längerem einen sehr jungen, aber äußerst sympathischen, intelligenten und kommunikativen Mitarbeiter auf den Messen, der einem perfekt Auskunft geben kann über Neuheiten. So auch diesmal – und neu ist Attaquer le Soleil, übersetzt „die Sonne angreifen“. Der Duft ist eine Hommage an Marquis de Sade, den man letztes Jahr mit einer Ausstellung gleichen Namens Tribut zollte im Pariser Musée d’Orsay. Und versuchte, den Franzosen sowie der Welt nahezubringen, dass der alte Blaublüter mehr im Sinn hatte als grenzüberschreitende Sexspielchen. In der Tat hätte mich das auch interessiert – ich habe immerhin Justine irgendwann einmal gelesen, die 120 Tage von Sodom gesehen und … bin auf wenig Philosophisches gestoßen geschweige denn auf irgendwelches innovatives und erquickliches Gedankengut. Nun ja, lange ist es her, insofern … aber bevor ich mir diesbezüglich einen Kopf mache (eine der in die Ausstellung involvierten Damen hat wohl auch ein Buch verfasst), bemühe ich lieber zuerst mein Näschen und lasse Attaquer le Soleil wirken. Zu lesen gibt es viel zu dem Duft:
„To attack the sun, to drive it from the universe, to create perpetual darkness – what an outrageous proposition! But Donatien Alphonse François, Marquis de Sade, was an outrageous man. He took on many roles: writer, revolutionary, philosopher, libertine. He disdained the social norms and he demanded unrestrained freedom. He questioned every assumption about love, beauty, even violence, and he ignored the taboos. He wanted to attack the sun and ignite the world, liberate us from our preconceptions, break down the barriers which keep us from accepting our own desires. We identify with him, because we try to do the same.
Which is why Etat Libre d’Orange has chosen to celebrate a man who celebrated extremes. We have invited the Marquis de Sade to join our family of outrageous perfumes. He has accepted with pleasure . . . and maybe a little pain. Etat Libre d’Orange and the Marquis de Sade. It’s a marriage made in heaven, or possibly in hell. Either way, it works. Together, we launch an assault on the sun.“
Der Parfumeur ist auch zu Wort gekommen:
„To read Sade is to take a risk — one is suddenly forced to face one’s self, exposed. It’s a wonderful risk to take if you want to plunge yourself into the heart and the body of humanity. Because Sade liberates. He pushes us to imagine and to desire, far beyond the boundaries which saturate our perspective.
“How many times, dear God, have I not longed to be able to attack the sun, snatch it out of the sky, create a general darkness, or use that star to ignite the world.” As a creator of perfume, how could I open my perspective, imagine beyond my limitations? A very personal question. The cistus! One of my paradoxes. One of my gray areas.
I have always recoiled from the cistus, I’ve avoided it or hidden it under thick layers of vanilla and amber as a way of escaping it. This is why I have made myself confront a radical formula: the cistus, exposed, and in all its states. My dear Marquis: here’s to your suns, to our volcanoes!“ — Quentin Bisch
Und dann ein Nachfahre:
„From the depths of his prisons, Sade constantly reminded his contemporaries
— and all men — of his injunction to go beyond compromise, to overcome conformity, and to always put freedom first.
To be yourself, without suffering the judgment of others; to be yourself and to live as you want to live… “All human happiness is in the imagination,” Sade reminds us.
Sade was the freest man who ever lived. Sade is desire and passion, strength and tenderness, provocation and sensuality. His scent is the same: in nitely volcanic.
Like his perfume, Sade cannot be banished, reduced to silence, made to disappear. He is there, always there: unforgettable. This is an eternal fragrance that endures just as his thought endures, beyond time.“ — Hugues de Sade
Hach ja. Prinzipiell mag ich die Idee sehr, dass man sich bei einem so kontroversen Sujet wie de Sade einer Ingredienz verschreibt, die für den Parfumeur eine Hassliebe darstellt. Allerdings stellt sich natürlich die Frage, was zuerst da war – vermutlich die Kooperation mit dem Parfumeur. Im Netz liest man hier und da bereits, dass das einzig Schockierende an Attaquer le Soleil ist, dass er eben überhaupt gar nicht konfrontativ ist. Aber – wollte er das denn sein? Für den Parfumeur scheint das Labdanum beziehungsweise der Fokus auf diese Zutat bereits eine Konfrontation gewesen zu sein, diese Art von innerlichem Ringen, einer gewissen Zerrissenheit passt doch ganz gut, vielleicht sogar noch viel besser zum alten de Sade als plakative Schockeffekte, zumal – auch und gerade État Libre d’Orange können es besser, will sagen: subtiler.
Richtig cool fand ich eine weitere Idee von EldO: Es gibt ein limitiertes Set mit drei Düften, drei Bestsellern und Klassikern des Hauses, genauer Divin Enfant, Jasmin et Cigarette und Putain des Palaces, im übrigen auch drei meiner Lieblinge (ok, unangefochtene Nummer Eins ist und bleibt aber Like This!, die Kürbis-Schottland-Hommage an Tilda Swinton). Drei Fläschchen à jeweils 30 ml, und das unter dem Namen „Fragrances in Wonderland“ in einer tollen Geschenkverpackung. Ich muss nochmals recherchieren, wie der Illustrator heißt – die Zeichnungen jedenfalls stammen von einem recht bekannten Typen, der Alice im Wunderland illustriert hat, allerdings in einer düstereren Variante, zum Teil brachial, zum Teil auch sexuell aufgeladen, manchmal auch ganz explizit sexuell. Ich habe mir am Stand einen Bildband dazu angesehen, vielmehr kurz durchgeblättert und fand es spannend, da Alice im Wunderland ja doch einige Ebenen aufweist, die als „rauschhaft“ zu bezeichnen eine leise Untertreibung ist. Die Verpackung ist auf jeden Fall überaus gelungen, wie ich finde – und muss dem netten EldO-Herren beipfllichten: Mein Favorit ist ebenfalls die kleine kiffende Freud-Raupe am Rand.
Bei Hugh Parsons habe ich nichts Neues entdeckt, Bruno Acampora dahingegen hatte einiges Neues im Gepäck – allerdings weiß ich ehrlich nicht mehr, was davon bereits in Mailand vorgestellt wurde und was nicht, demnach kann ich zwischen neu und brandneu hier nicht wirklich unterscheiden … Azzurro di Capri ist in jedem Fall dieses Jahr erschienen genauso wie die 7 Rules Collection, die, logisch, sieben Düfte beinhaltet: Collie Colonia, Courser Cuir, Egoi Patchouli, Où Oud, Sandan Sandalo, Vanyl Vaniglia, Vert Vetiver. Ein flüchtiger Test wegen einem viel zu vollen Stand lies die übliche Acampora-Handschrift erahnen, obgleich, wie der Name schon verspricht – etwas gefälligere weil monothematischere Düfte. Besonders gefallen hat mir im Vorüberhuschen das Lederchen, was selbstredend meiner Lederleidenschaft geschuldet ist.
Direkt um die Ecke waren die Marken von Enzo Galardi vertreten, genauer: Olfattology, Bois 1920. Ein kurzer Blick hat mir nichts Neues offenbart, was mich diesen Stand dann „meiden“ ließ: Nachdem ich die letzten Jahre immer brav vor Ort war und mehrfach dermaßen unwilig mit Informationen versorgt wurde, weil man sich offenbar nicht mit (Corporate)Bloggern aufhalten möchte, ziehe ich es mittlerweile vor, mich anderen zuzuwenden, die kommunikativer sind.
Ein paar Stände weiter hatte man einen Barbier untergebracht (ich meine, es waren insgesamt zwei), der viel zu tun hatte und natürlich gerne fotografiert wurde 😉
Direkt dahinter seht Ihr im übrigen den nächsten Stand, der mich umgehend angezogen hat: Zu finden waren dort unter anderem The Laundress sowie Ormonde Jayne, die ich sehr gerne mag.
The Laundress ist klar – dachte ich … Und durfte dort feststellen, dass mir etwas entgangen ist, und zwar jene tolle Kooperation:
The Laundress und LeLabo – toll! Allerdings beschränkt sich das auf die beiden obigen Düfte, Rose 31 und Santal 33. Letzterer ist sicherlich mit dafür verantwortlich, dass mittlerweile fast jeder LeLabo kennt, hat ihn doch irgendein VIP eine Zeit lang getragen (war es nicht ein Model?) und alle anderen damit angesteckt usw.. Die Rose ist weniger Rose als vielmehr kontemplativ-(ge)würziger Holzduft kühler Natur und minimalistischen Charakters. Ich hätte mir natürlich meinen Vetiver gewünscht, aber es passt so schon auch ziemlich gut. Mir wurde auch einmal mehr bewusst, dass ich den Santal schon noch „brauche“, leider …
Die anderen Produkte von The Laundress kenne ich, allerdings muss ich wohl das Fleckenmittel mal testen. Ich bin den ganzen Stand mit den unterschiedlichen Marken und Produkten mit einem sehr netten Mitarbeiter „abgelaufen“ und habe mich angeregt mit ihm unterhalten – er hat das Stain Solution sehr gelobt und klang ehrlich 😉 Hat es schon mal jemand von Euch getestet?
Ormonde Jayne ist eine solch wundervolle Marke – leider haben wir sie nicht im Shop. Nichtsdestoweniger solltet Ihr unbedingt testen, falls Ihr mal die Gelegenheit dazu habt! Jayne war die erste, die Schierling in einem Duft verwendete. Darüber hinaus hat sie einen ganz eigenen Stil, der für mich etwas in Richtung der späten (!) Mona di Orio geht. Elegant, opulent, aber dennoch Understatement. Ein neues Juwel hat die Kollektion – Black Gold, natürlich mit Oud. Und nicht ganz so teuer wie ich dachte – 400, 500 Euro? Ich weiß es nicht mehr, aber der Name suggerierte weitaus Schlimmeres, wir sind diesbezüglich hartgesotten, oder nicht, meine Lieben?
Mein Augenmerk lag auf der Four Courners of the Earth-Kollektion, die ich bisher noch nicht komplett kannte: Vier Düfte, die sich auf China, Russland, Indien und Südamerika (ich glaube, sie hat irgendwann in einem Interview mal von Brasilien gesprochen) beziehen. Der Indien-Duft, Nawab of Oudh, ist einer der schönsten Ouddüfte, die ich kenne. Auch die restlichen Düfte stehen ihm in nichts nach, ich hoffe, die Pröbchen, die ich hier liegen habe, führen mich nicht in Versuchung …
Von dort aus ging es dann weiter zu dem italienischen Vertrieb Kaon, der viele unserer Lieblinge in seinem Portfolio hat, wie Ihr hier sehen könnt:
Antworten hinsichtlich sämtlicher W-Fragen bezüglich des Kaon-Standes und noch viel mehr Messeneuigkeiten erfahrt Ihr morgen hier – da geht es nämlich weiter!
Bis dahin alles Liebe,
Eure Ulrike
Bildquelle des Vorschaubildes ist ebenfalls AKAstudio.
Liebe Uli
Das Fleckenmittel von Laundress kann dir die erfahrene Hausfrau empfehlen ;-). In meiner Waschküche steht es neben den anderen Produkten von Laundress. Ich liebe diese Waschmittel und seit ich sie das erste Mal benutzt habe, kommt mir nichts mehr Anderes an meine Wäsche. Hört sich wie im Werbespot an 🙂 Alle anderen Waschmittel mit ihrem scharfen Duft kann ich nicht mehr riechen.
Übrigens habe ich Lady Day im Sommer oft getragen. Die Gardenie ist so schön und gerade im Sommer perfekt.
Liebe Grüsse, Barbara