UNUM – Leidenschaft, schwarze Rosen … und Langeweile?

Von UNUM stehen noch Ennui Noir, Symphonie Passion und Rosa Nigra auf meinem Tisch. LAVS und Opus 1144 fand ich schon sehr beeindruckend, vor allem der päpstliche Weihrauch war ganz nach meinem Geschmack, wenn es auch nicht die dahinterstehende Organisation ist. 😉

UNUM

Wo die Leidenschaft orgelt

SYMPHONIE PASSION UNUM
Symphonie Passion ist ganz offensichtlich eine musikalisch inspirierte Kreation, zum Teil auch mit Bindestrich „Symphonie-Passion“ geschrieben. Neben seinen vielen anderen Talenten ist UNUM-Macher Filippo Sorcinelli auch Musiker. So liegt der Gedanke nicht fern, dass er sich hier auf das gleichnamige Orgelstück Symphonie-Passion op. 23 aus dem Jahr 1924 von Marcel Dupré bezieht.

Nun, ich gebe zu, ich kenne mich mit moderner Orgelmusik nicht aus und kann deswegen nur das Prädikat experimentell vergeben, so empfinde ich auch Sorcinellis Werk, das man sich hier anhören kann.

DIe Ouvertüre des Dufts zeigt grün-florale Noten, die deutlich von frischen Zitronennoten durchdrungen sind. Der Hauptakteur Vetiver wurde in Cashmeran gepackt, mit dem seine Ecken und Kanten sichtlich abgemildert wurden. Die darunterliegende Basis unterstützt die Weichheit mit cremigem Sandelholz, Moschus und helle Zedernholz.

Will man es auf den Punkt bringen: Symphonie Passion ist ein weiches Vetiver-Cologne, also kein dunkler, geheimnisvoll rauchiges Vertreter seiner Gattung, sondern eine alltags- und bürotaugliche Variante, die aber nie oberflächlich wirkt. Also passt der Duft meiner bescheidenen Meinung nach zu keinem modernen Orgelstück, ich sehe durch die grün-krautige Note eher einen Folk- oder Bluessong.

Die Duftkomposition
Kopfnote: Pfingstrose, Zitrone
Herznote: Cashmeran, Vetiver
Basisnote: Sandelholz, Moschus, Zedernholz

Keine Rose ist keine Rose ist keine Rose

ROSA 3

Rosa Nigra  – eine schwarze Rose muss etwas Abstraktes sein, denn sie kommt meines Wissens in der Natur nicht vor.  So befindet sich interessanterweise auch keine Rose in den Duftnoten. Auf der Verpackung meiner kleinen Probe ist allerdings Geraniol verzeichnet, der Duftstoff von Geranium und Rosen. Ganz ohne ging es also nicht.

Bei Rosa Nigra fordern uns Unum auf, sich folgendes Bild vorzustellen: Licht fällt auf eine Marmorskulptur und badet diese in Helligkeit; sie beginnt sich aufzulösen, sie löst sich vom Gewicht und der Materie dieser Welt, bis sie durchsichtig wird. Ein Bild, das sie in dieser Kreation auf eine Rose übertrugen.

Die schwarze Rose verbleicht also gewissermaßen ins Graue. Auch wenn das nach einem veritablen Vergänglichkeitssymbol klingt, traurig ist sie nicht, vielleicht ein bisschen wehmütig. Leicht bittere Noten zu Beginn geben dem, was wir als Rose wahrnehmen, schnell Raum, etwas pudrig, honig- und teeartig, oder wie auch immer man den typischen Rosenduft umschreiben möchte. Doch bleibt sie tatsächlich abstrakt, etwas entrückt, thront hoch auf einer insgesamt wolkigen Mischung aus Sandelholz, Moschus, Kaschmirholz und Ambra. Wunderbar, eine neuartige, faszinierende Rose!

Rosa Nigra, die schwarze Rose, bleibt dennoch ein Produkt der Fantasie, eine unwirkliche Schöpfung, die – wie das sich auflösende Marmorbild – nur noch einen losen Bezug zum Materiellen und zur Wirklichkeit besitzt: die Idee einer Rose. Unum lassen uns wissen: „Das Bild ist zerbrochen, jetzt, nach der Verwandlung der falschen Rose. Wir erleben eine geheime, rätselhafte und opulente Dimension. Man muss an diese Rosa Nigra glauben, denn ihre Form ist nur in der Fantasie die wahrhaft wirkliche.“

Die Duftkomposition
Kopfnote: Wermut, Anis
Herznote: Pfirsich, Sandelholz, Freesie
Basisnote: Moschus, Kaschmirholz, Ambra, Vanille

Verdruss und Langeweile in Schwarz?

UNUM ENNUI NOIR
Ennui Noir habe ich mir für den Schluss aufgehoben, weil er meiner Meinung nach der außergewöhnlichste Duft der Reihe ist, aber nicht unbedingt der schönste. Warum auch, heißt der Duft doch Ennui Noir. Mein Wörterbuch schlägt mir für „ennui“ folgende Begriffe vor: Ärger, Langeweile, Kummer, Sehnsucht, Überdruss, Unlust, Verdruss, Unannehmlichkeit und kurioserweise sogar die Wendung „ennui causé par l’odeur“, die Geruchsbelästigung. Davon kann allerdings hier nicht die Rede sein. Im Text wird erläutert, was damit gemeint ist:

Tief empfundene Langeweile ist wie ein Nebel, der alles zu einem merkwürdigen Einheitsbrei werden lässt. Langsames Atmen bei halb geschlossenen Augen. Ein Gefühl des Überdrusses und auch eine Freude daran. Nichts sehen, nichts lesen, nichts arbeiten. Alles befindet sich unter einer Kruste dunkler Gefühle. Ein fasriger Staub, der aufglüht wenn man ihn anbläst; schwarzer Rost mit einer klebrigen Oberfläche … er formt sich und schützt dich.

Diese dunkle Langeweile schützt, denn sie entsteht in Einsamkeit und mit der Einsamkeit entsteht ein eiserner Schild gegen die Mittelmäßigkeit, die hinter jeder Ecke des Alltags lauert. Die schwarze Langeweile öffnet dich, katapultiert dich in eine andere Dimension, fern von allem Trivialen. Es gibt keine Gewissheiten in der schwarzen Langeweile, denn man erfährt sie selbst, sie wird zu einem Teil des Selbst, eine Kruste, Rinde tief verborgener Hölzer. Ein leiser Ton im Nebel des Selbst. Langeweile erzeugt einen Moment der Selbstreflexion, einen Moment der Kontemplation über unseren Platz in der Welt, dies braucht Zeit, die sonst immer fehlt.

Nach dieser Beschreibung denke ich, dass der richtige deutsche Begriff hier eher „Müßiggang“ ist. Ist er aller Laster Anfang? Søren Kierkegaard sah das anders: „An sich ist Müßiggang durchaus nicht eine Wurzel allen Übels, sondern im Gegenteil ein geradezu göttliches Leben, solange man sich nicht langweilt.“

Ennui Noir ist für mich ein dunkelgrauer Duft, ein wenig drückend, ein wenig erdig-stickig, so trocken ist das Zedernholz, das etwas von der Krautigkeit des Lavendels und der Myrte auf den Schultern trägt. Eine merkwürdige Mischung aus Vanille, Vetiver und Patschuli flammt immer wieder auf und all dies verbindet sich überraschenderweise recht harmonisch zu einem sehr markanten außergewöhnlichen Duft. Ich weiß gar nicht so recht, wem ich den Duft empfehlen soll. Jedenfalls allen Experimentierfreudigen, allen Freunden krautiger und patschulierfüllter Düfte.

Die Duftkomposition
Kopfnote: Lavendel, Myrte
Herznote: Zedernholz, Heliotrop
Basisnote: Patchouli, Vetiver, Vanille

Mein Fazit zu UNUM

Solche Kollektionen wie UNUM würde ich gerne öfter sehen. Authentisch, von einer realen Person, einem echten Künstler, wenn auch etwas abgedreht, dann doch nicht das uninspirierte Marketing-Einerlei, das sich zum Teil auch in der Nische schon ausbreitet. Dabei sind die Düfte aber tragbar und keine intellektuellen Kopfgeburten. So macht das Spaß. Schaut Euch die Kollektion ruhig einmal komplett an, es lohnt sich.

Liebe Grüße
Harmen

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Harmen Biró Verfasst von:

Hallo, ich heiße Harmen, war bis vor Kurzem irgendwas­unddreißig und habe immer die Nase im Wind, um Duftschätze für Euch zu finden und hier vorzustellen. Selbst bevorzuge ich feine Lederdüfte oder Gewürzkompositionen, ohne mich da aber festzulegen. Warum auch? Es gibt ständig so viel Neues in der Welt der Düfte zu entdecken. → BIRÓ

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