UNUM – ein, oder das Eine? Das Heilige und Unaussprechliche? Denn hinter der Marke UNUM steckt ein gewisser Filippo Sorcinelli, Inhaber des Ateliers LAVS. So liest man, dass der Künstler Sorcinelli in diesem Atelier – LAVS steht für „Laboratorio Atelier Vesti Sacre“ – liturgische Kleidung herstellt, die der aktuelle Papst trägt und in die auch schon sein Vorgänger Ratzinger gehüllt wurde. Auf der Website, die ich oben verlinkt habe, kann man die opulenten Gewänder bestaunen. Außerdem könnt Ihr Euch auf seinem Tumblr einen Eindruck von Sorcinelli verschaffen.
UNUM befasst sich mit dem, was alle Menschen verbindet, mit Spiritualität jenseits von Religion, mit Freiheit und Unendlichkeit. Man wendet sich gegen die Verflachung durch den Alltag, gegen das Gewöhnliche.
Unum ist ein Stoff mit Gold durchwirkt, parfümiert mit Farben, ein intensiver Geschmack bei geschlossenen Augen, ein olfaktorisches Gemälde des Ichs, Musik, die parfümierte Bilder erzeugt, eine Architektur des Geistes. Unum ist Kunst und Kunst kennt keine Grenzen, Verbote oder Zensur. Gerade wegen ihrer Einzigartigkeit ist Kunst eine universelle Sprache. Unum will dieses Universum sein.
Unum ist ein Dufthaus, geleitet von einer starken Seele, deren Fundamente in mystischem Denken verankert sind, das wiederum die Grenzen der Religionen überwindet. Der Humus der kreativen Inspiration seiner Schöpfer liegt in deren künstlerischen und dramatischen Lebenserfahrungen begründet. Kunst zu schaffen, erfolgt nie auf Anweisung oder als Muss, sondern vielmehr als ein Ergebnis emotionaler Erfahrungen, die gemischte Gefühle wecken. Wenn Kunst real ist, kennt sie keine Grenzen und wird Teil des Lebens, wie eine Klinge, die manchmal schmerzlos, aber oft schmerzhafte Gedanken bewirkt, die über einen bestimmten Bereich hinausgehen.
UNUM – Opus 1144
Bei Opus 1144 habe ich erst einmal gerätselt, worauf sich die Zahl bezieht. Es ist aber das Geburtsjahr der Epoche der Gotik gemeint, jener Epoche der Kunst und Architektur, die im Mittelalter von ca. 1150 – oder 1144 – bis etwa 1500 andauerte. Sie entstand in der Île-de-France und breitete sich in ganz Europa aus. Berühmtes Beispiel in Deutschland ist der Kölner Dom, den man bekanntlich gerne in Köln lässt, denn dort gehört er hin.
Ich finde aber, dass in der schwarz-weißen und sakral angehauchten Präsentation der Marke auch das Schlagwort Gothic mitschwingt, womit zum einen die englische Schauerliteratur des 19. Jahrhunderts gemeint ist, aber auch die schwarze Szene der Gruftis.
Die Duftkomposition
Kopfnote: Zitrone, Mandarine, Jasmin, Elemiharz
Herznote: Benzoeharz, Kaschmirholz, Orchidee, Iris
Basisnote: Weißer Moschus, Vanille, Sandelholz, Ambra, Leder
Man müsste die Iris auf jeden Fall nach vorne sortieren, denn sie ist eines der bestimmenden Elemente des Dufts. Pudrig-erdig zeigt sie sich und wird von frischen spritzigen Zitrus- und Mandarinennoten und cremigem Jasmin gekrönt. Benzoeharz und Kaschmirholz sorgen für eine balsamisch-süße Geschmeidigkeit. Die Basis ist nicht minder weich und gehaltvoll und fügt dem Ganzen mit Vanille noch einen gourmandigen Hauch hinzu.
Man liest überall von Zitronentörtchen, von Guerlains Shalimar, von Diven und großen Auftritten oder aber von unerwarteten farbenfrohen Köstlichkeiten, die dem dunklen Flakon entspringen. „Pour faire une tarte au citron, il faut prendre“ … das ist ein Teil der Ruinen meines nie glamourös gewesenen Schulfranzösisch. Doch ein richtiger Gourmand ist Opus 1144 meines Erachtens nicht, er ist ein Florientale mit Gourmandeinschlag. Wie auch LAVS kommt er als Extrait de Parfum, weswegen die Haltbarkeit außerordentlich gut ist.
Wie passt nun aber diese lebensfrohe, wenn auch elegante Kreation zu den düsteren gotischen Kathedralen? Ein Blick in die gotische Malerei und auch Buchmalerei zeigt, dass hier an Farben und lebendigen Szenen nicht gespart wurde. Und auch die Architektur ist ja nicht gerade karg ausgefallen mit ihren Gewölben, Spitzbögen, Strebepfeilern und kunstvoll verzierten Rosettenfenstern.
UNUM – LAVS
Bei Neroprofumo liest man, dass der Duft ursprünglich als Raumduft konzipiert war, um die Räumlichkeiten und Roben des Papstes zu beduften. Wollt Ihr einen Weihrauch mit päpstlichem Segen? Dann habt Ihr ihn mit LAVS. Für mich ist der Duft einer der schönsten Weihrauchdüfte überhaupt. Warum? Der Weihrauch tritt in einer Klarheit auf, wie man sie selten erlebt. Zahlreiche weitere Harze und Hölzer umkreisen ihn, runden seine Kanten ab, hier etwas säuerliche Frische, da eine balsamische Note, hier ein floraler oder pudriger Hauch, da etwas Gewürz oder ein sauberer Zug, aber immer so eng verwoben und aus einem Guss, dass man fast nur den Weihrauch zu fassen bekommt. Dabei ist er dunkel, aber nicht schwer, tiefsinnig, aber lebendig. Wow! Weihrauchfreunde, hier ist das Testen ein Muss!
Mit dieser Weihrauch-Duftkreation eröffnet sich eine besondere Welt, eine Welt der Zeremonien, des Heiligen und Göttlichen, das sich in der Sprache der Schönheit und des Mysteriums offenbart. Als schritte man durch ein gotisches Kirchenschiff mit all seiner Erhabenheit. Feinstes Räucherwerk erfüllt die Hallen und lässt einen flüchtigen Blick auf das Ewige erhaschen, das fernab des Alltäglichen liegt.
Lavs vermittelt eine besondere Atmosphäre des Unausgesprochenen und Unaussprechlichen, des Numinosen, eine Sphäre, der man sich nur durch Rituale und Symbole nähern kann, sie aber nie ganz erfassen wird. Der Duft der Unendlichkeit.
Die Duftkomposition
Kopfnote: Schwarzer Pfeffer, Kardamom, Jasmin
Herznote: Gewürznelke, Labdanum (Zistrose), Koriander, Elemiharz
Basisnote: Tonkabohne, Ambra, Moschus, Rosenholz, Opoponax
Morgen schaue ich mir noch die restlichen drei Düfte an: Ennui Noir, Symphonie Passion und Rosa Nigra.
Liebe, salbungsvolle Grüße
Harmen
Ich habe die UNUM Düfte kürzlich in Bozen in einer reizenden Nischen Parfümerie (The Beauty Boutique) gesehen und, da ich oben stehende Rezension noch im Hinterkopf hatte, deren relativ neuen Duft „Io non ho mani …“ getestet. Weihrauch ist für mich immer einen Test wert, dieser sowie die weiteren Ingredienzen Myrrhe, Zeder und Sandelholz werden vermutlich von Ylang und Tonka davor bewahrt, eine doch eher strenge Angelegenheit zu werden, sondern sind einfach ganz eigen und großartig.
Bin bei „Konzept-Düften“ generell eher skeptisch, oft genug ist die Idee größer als das Resultat, aber in diesem Fall: Daumen hoch für UNUM!
Vielen Dank + liebe Grüße, Christel