… hatten uns bereits beschäftigt und es sollte am letzten Freitag weitergehen mit den letzten drei Kandidaten – leider hat mich die Hitze derart dahingerafft, vielmehr: meinen Kreislauf, dass ich bei 35 Grad plus die Horizontale einnehmen „durfte“. Insofern gibt es den versprochenen Artikel nun heute.
Muskethanol, Carboneum und Rose Alcane sind uns noch geblieben, ein erster Blick auf die Namen lässt bereits erahnen, wohin die Reise gehen könnte …
Muskethanol verheißt einiges – und dürfte die Fans von Strand-Sand-Meer-Düften aufhorchen lassen:
„A SEMBLANCE OF REALISM: A HANDFUL OF GOLDEN SAND poured in alcohol (damascenone) THAT STARTS TO GLOW, AS IF BY MAGIC, A THOUSAND SEQUINS, A SILVER SHIMMER SIMILAR TO THE SEA. THE DISTURBING IMPRESSION OF SAND THAT HAS BEEN RENDERED ALMOST ABSTRACT. A SAND OF STEEL, FUTURISTIC, PERHAPS FROM ANOTHER WORLD (CETALOX, muscONE).“
Wenden wir uns zuerst den Molekülen zu: Damascenone gehört zu der Gruppe der sogenannten Rosen-Ketone, die in der Natur verschiedentlich vorkommen – Apfelsaft, Aprikose, schwarzen Johannisbeeren, Trauben, Himbeeren, Erdbeeren, Cognac, Rum, Whisky und Scotch, verrät mir Wikipedia. Der Duft von Rosen-Ketonen variiert und kann Noten von Honig, florale Akzente, Anklänge von Tee, Apfel, Pflaume, Beeren und Karamel erzeugen.
Cetalox ist uns bereits bekannt, es handelt sich hierbei um das Molekül Ambroxan – je nach Hersteller unterschiedlich benannt, ist uns der Name Ambroxan meist geläufiger. Ein holzig-würzig-balsamischer Ambraduft zeichnet es aus.
Muscone ist, ganz richtig, ein Molekül, das nach Moschus duftet. Firmenich produziert eines, das wohl sehr nach natürlichem Tonkinmoschus riecht, andere Hersteller haben diese Ingredienz selbstredend auch im Portfolio. Je nach Dosierung und Konzentration erzeugt Muscone sanfte, bisweilen kuschelige Moschusnoten von einer feinen Süße, hin und wieder pudrig (aber nicht zwangsläufig), das eine oder andere Mal mit einer warmen animalischen Färbung.
Frisch auf der Haut angekommen duftet Muskethanol zuerst … sauber mit einem Quentchen von Seife, danach vermag ich rosige Töne zu entdecken, zarte und überaus frische. Überhaupt wohnt Muskethanol eine luftige Frische inne, dynamisch und mit bisweilen abstrakt fruchtig-leuchtenden Anklängen. Aber – Muskethanol ist in allererster Linie blau-weiß schimmernd – und das ohne aquatisch zu sein. Nichtsdestotrotz erweckt er bei mir die Erinnerung an Wasser, an Meer, ruhig und kühl, glänzend. Der silberne Schimmer, wie oben beschrieben, trifft demnach zu. Allerdings … bekomme ich den Sand nicht – vielleicht ist es die subtile Wärme, die irgendwo unter der Frische sich verborgen hält, Sonne, die vom Sand reflektiert wird und das Wasser erwärmt, ohne es gleich zu einem warmen Whirlpool zu machen? Ja, ich denke, das kommt hin.
claireonline „Into the Light.“ via Flickr – CC BY 2.0
Ein abstraktes Duftgemälde, sacht angedeutet, das in seiner indifferenten Ausprägung Spielraum für Phantasie(n) lässt. Muskethanol ist angenehm zu tragen, wird allerdings für Menschen, die sich von einem Parfum aber mehr als eine Aura wünschen, eine Andeutung, obschon mit einer guten Sillage, nicht der geeignete Kandidat sein. Das ist auf der anderen Seite aber auch nicht unbedingt Teil des Konzeptes von Æther Parfums, die mit Molekülkunst aufwarten – es sind Konzeptdüfte, allesamt, und insofern weniger klassische Parfums als vielmehr Avantgarde, überaus tragbare Avantgarde. Ihr kennt das ja von einigen anderen Herstellern, die ähnliche Ziele verfolgen – ich hatte die üblichen Verdächtigen in meinem Auftaktartikel zu der Marke bereits genannt.
Mit Carboneum bleiben wir gedanklich weiterhin am Meer:
„THE DREAMS OF A CHILD : THE MAN IN A DIVING SUIT RESURFACING FROM THE OCEAN WRUNG OUT BY THE WAVES, BEFORE BEING PROPELLED INTO SPACE BY A MAGNETIC FORCE. A STRANGE HARMONY REPRESENTING NEOPRENE (BENZOATE METHYL, SUDéRAL, tIMBéROL) ! ONE ALSO SMELLS THE TEXTURE OF FOAM, A LITTLE ROUGH (GLOBANONE). THE NEXT NIGHT IT HAD THE SAME DREAM.“
Dazu fällt mir ein Video von Guillaume Néry ein:
World champion freediver Guillaume Nery special dive at Dean’s Blue Hole from Dolphin Dive Resort on Vimeo.
Betreffs der Moleküle: Globanone ist ein synthetischer Moschus, der strahlend und sauber duftet, darüber hinaus balsamische und an Tabak erinnernde Untertöne aufweisen kann. Sudéral stammt aus dem Hause IFF und dürfte ein Captive sein (deren „Patent“), findet sich auch in Atramental von Room 1015 und riecht wohl nach Wildleder, hübschem, reinem Wildleder. Timberol, auch Norlimbanol genannt, brilliert mit einem starken Holzgeruch ohne vordergründige Süße, bisweilen mit Anleihen von Sandelholz ausgestattet, hat jedoch darüber hinaus noch mehr zu bieten, wie Chandler Burr schwärmt: „Norlimbanol is one of the most amazing scents around, a genius molecule that should be worth its weight in gold; Norlimbanol gives you, quite simply, the smell of extreme dryness, absolute desiccation, and if when you smell it, you’ll understand that instantly the molecule is, by itself, a multi-sensory Disney ride.“ Benzoesäuremethylester kann ganz unterschiedlich duften – ein Aspekt, den man immer im Kopf behalten sollte bei Molekülen: Ihre Wirkung und Entwicklung ist zwar vorhersehbar, weil sie nicht mit der Haut agieren und eine gleichbleibende Aussage behalten, unabhängig davon, wer sie trägt – sie entwickeln aber unterschiedliche Facetten je nach Dosierung. Unser Molekül hier kann nach exotischen Blüten wie Ylang sowie nach Früchten und vor allem Beeren duften, kann aber auch nussige Anklänge aufweisen und duftet oft nach Wintergrün.
Ich kann das Bild, dass Carboneum malt, recht gut nachvollziehen. Und es fasziniert mich, der Duft – ambivalent ist er, und genau wie viele synthetische Gerüche (ja, Gerüche, die daraus gemachten Düfte sind es nicht immer) schwer zu greifen: Wieder Blau oder eher wässriges Türkis oder Petrol, durchscheinend. Eine subtile Cremenote, die dazu einen Gegenpol bildet, genauso wie die von Burr angesprochene Trockenheit. Irgendwo ist da abstraktes, knarziges Holz, Treibholz, komplett ausgebleicht, und dann … ja, Neopren. Gummi. Genauso wie in Annick Menardos Meisterwerk Black für Bulgari. Und gleichzeitig Weichheit, sandfarbenes Wildleder. Ein paar metallische Kanten. Und subtile, fruchtig-frisch-grüne Akzente.
kate mccarthy „diver coming out of the helicopter“ via Flickr – CC BY-ND 2.0
Carboreum ist spannend: Er passt zu beiden Geschlechtern gleichermaßen (wie bisher alle Düfte von Æther Parfums) und dürfte Liebhabern von Avantgarde-Düften sicherlich viel Freude bescheren.
Der letzte Kandidat ist Rose Alcane:
„DID IT EVER EXIST ? HAS IT ONLY EVER BEEN HARVESTED BY FRIENDLY HANDS THIS SIDEREAL ROSE ? ONE COULD IMAGINE IT SO TEXTURED, SO VIVID, SO REAL(ROSE OXYDE). BEAUTIFUL FLOWER IN A COWHIDE. A ROSE FOR GIRLS AND BOYS WHO DO NOT LOVE ROSES MADLY BUT WHO DO NOT HATE TO BE SURPRISED. THROUGH BEAUTIFUL FLORAL MECHANICS, THE MIRACLE OF ALCHEMY TRANSFORMS, RIGHT UNDER YOUR NOSE, A SUPER FRESH ROSEBUD INTO A METALLIC FLOWER.“
Ein Traumbild, diese Rose – eine avantgardistische Schönheit, gleichermaßen authentisch wie surreal. Eine janusköpfige Königin, samtweiche Blütenblätter und metallische Kanten offenbarend. Für mich duftet sie ein wenig so, als hätten sich Etat Libre d’Orange ihren Rossy de Palma-Duft Eau de Protection nochmals vorgenommen, den kakaopudrigen Patchouli nebst düsterer Basis gegen eine ordentliche Portion Litschi ausgetauscht, in den Hintergrund ein paar Stangen Rhabarber „gemogelt“ und das Ergebnis mit Lisa Kirks Revolution verheiratet. Kennt Ihr die Düfte, könnt Ihr mir folgen? 😉
Eine fruchtige, frische Rose, säuerlich-herb durch Rhabarberanklänge (ja, auf meiner Haut nehme ich sie ganz deutlich wahr, auf dem Streifen allerdings nicht in dieser Präsenz) und exotisch saftig dank Litschi. Aber eine Rose, die Kante zeigt: Unsere Schönheit hier hat Dornen, keine Frage! Metallische Kanten, irisierend-silbrig und scharf betonen ihre Stärke, zeichnen ihren Charakter. [Hat sich an ihr nicht schon jemand den Finger blutig gepickst? Könnte gut sein, das Metallische …]] Und dann ist da noch – Schießpulver, Sprengstoff, genauso wie in dem Duftprojekt von Kirk, graphitgleiche Anklänge.
Rose Alcane ist toll und für mich der Gewinner der Æther-Kollektion. Wie sieht es bei Euch aus? Wie haltet Ihr es mit derlei Projekten, mit Avantgardedüften, die auf reine Synthetik bauen? Habt Ihr derlei Düfte schon zu Hause und wenn ja – welche?
Ich bin gespannt!
Einen guten Start in die Woche und viele liebe Grüße,
Eure Ulrike
Carboneum ist der spannendste Duft der Linie … meiner bescheidenen Meinung nach. Diese abgefahrene Neopren-Note ist einfach herrlich! 🙂