Æther Parfums – die Weiten des Dufthimmels …

… loten wir die nächsten Tage aus mit der soeben brandneu bei uns im Shop gelandeten Marke, die wir auf der Esxence für Euch entdeckt haben. In meinen Messeartikeln habt Ihr sie schon entdecken können und unser Newsletter diese Woche war auch diesem Label gewidmet, das ich mir nun für und mit Euch näher ansehen werde.

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Der Mann hinter Æther Parfums ist ein alter Bekannter, und zwar jemand, von dem man auf den ersten Blick vielleicht keine Zweitmarke à la Aether erwartet hätte – ich spreche von Nicolas Chabot. Chabot ist der Besitzer und „Erneuerer“ von Le Galion, einer altehrwürdigen Traditionsmarke aus Frankreich, die somit vermutlich für viele konzeptionell das genaue Gegenteil von Æther Parfums darstellen dürfte. Einen fundierten Einblick in die Gedanken Chabots zum Thema Æther Parfums bietet das exzellente Interview bei Fragrantica – lest hier -, auf das ich später noch zurückgreifen werde. Allerdings möchte ich, bevor wir zur Marke kommen, ebenfalls noch auf ein paar ganz allgemeine Punkte zu sprechen kommen, die besagter Artikel zum Teil ebenfalls anschneidet – hier muss ich ein wenig ausholen, meine Lieben 😉

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lilszeto (Photo by Julie Weisberg) „perfume“ via Flickr – CC BY-ND 2.0

In den vergangenen Jahren wurde und wird viel diskutiert, unter anderem über den Begriff der „Nische“ im Gegensatz zum „Mainstream“, darüber hinaus über die Unterscheidungskriterien, die zwangsläufig auch irgendwann auf die Ingredienzen zu sprechen kommen, auf natürliche und synthetische Rohstoffe und deren Verwendung. Selbstredend sind diese Deklarationen keine offiziellen und erst recht nicht in Stein gemeißelt, darüber hinaus schwer umstritten: Was ist denn jetzt Mainstream, was ist Nische? Sind Marken wie Creed und Bond No. 9 noch Nische oder ist das (mittlerweile) Mainstream? Was ist mit Labels wie LeLabo, Frédéric Malle und Byredo, die zweifelsohne jeder die letzten Jahre in die Nische „gepackt“ hätte, bei denen sich allerdings seit kurzem Großkonzerne eingekauft haben: Estée Lauder, die im übrigen auch Eigentümer von Jo Malone sind, haben sowohl LeLabo als auch Frédéric Malle gekauft. Die Besitzanteile von Byredo sind mehrheitlich von Manzanita aufgekauft worden, einem spanischen Schwergewicht, die darüber hinaus Inhaber von Marken wie Diptyque und Eve Lom sind, um nur zwei zu nennen.

Für mich persönlich ist einer der Hauptunterschiede zwischen Nischen und Mainstream, dass viele Nischenduftmarken inhabergeführt sind, sprich: in den Händen einzelner Personen oder auch Familien und nicht im Besitz von Konzernen. Nichtsdestotrotz hat natürlich auch die Industrie begriffen, dass die Nische boomt und klemmt sich dahinter, auch ein Stückchen von dem Kuchen abzubekommen. Das sieht man beispielsweise auch daran, dass eine Kette wie Douglas die letzten Jahre vermehrt auf einzelne Edelparfümerien setzt und diesbezüglich auch schon Geschäfte zugekauft hat – wir erinnern uns nur an Schnitzler in Düsseldorf. Insofern bleiben für mich aber nichtsdestotrotz die Marken Diptyque genauso wie Jo Malone, Byredo wie Malle und LeLabo Nischenduftmarken – den an der Ausrichtung derselben hat sich ja (bis jetzt) nichts geändert. Diese stellt für mich ein zweites Kriterium dar: Sicher – Nische ist sowas wie der neue Mainstream, allerdings zielen die meisten Nischenduftmarken mit ihren Konzepten, ihrem Storytelling und ihren Düften eben doch nicht auf die ganz breite Masse, auch wenn sich diese mehr und mehr diesen zuwendet. Normalerweise richtet man sich bei der Kreation von Nischendüften nicht nach den Zukunfts- oder Trendforschern, die als neuen Dufttrend Herbst/Winter X beispielsweise voraussagen, dass Frauen wie Vanillekipferl und Männer wie Amaretto-Tabak duften sollen, wohingegen konventionelle Marken sich oftmals auf solche Zukunftsvoraussagen verlassen, da sie, wen wundert es, Gefälligkeit und Massenkompatibilität anstreben.

Ein weiterer Aspekt sind die Ingredienzen – ein schwieriges Thema … Ich für meinen Teil bin immer irgendetwas zwischen amüsiert und verärgert, wenn ich quasi inkognito in irgendeiner Parfümerie stehe oder auch an einem Counter in einem der gängigen größeren Modehäuser und entweder im persönlichen Gespräch oder mit einem Ohr am Rande einem Verkaufsvortrag lauschen darf, indem die Verkäuferin lang und breit erklärt, dass Nischendüfte deshalb so toll sind, weil die Inhaltsstoffe ausschließlich natürlich sind. Und deshalb selbstredend teuer.

civet

oliver.dodd „civet“ via Flickr – CC BY 2.0

Das ist gleich doppelt falsch. Zuallererst gibt es heutzutage kaum mehr komplett natürliche Parfums. Warum? Der erste Grund ist – Tierschutz. Einige Ingredienzen lassen sich deshalb nicht (mehr) verwenden. Ein zweiter, nicht unwesentlicher Punkt ist: Die Verfügbarkeit. Es gibt einfach Rohstoffe, die heute so gut wie nicht mehr zu bekommen sind – entweder, weil es sie kaum mehr gibt oder weil sie viel zu teuer geworden sind. Ein Beispiel hierfür ist die sagenumwobene Iris Gris von Jacques Fath – Iris Pallida, und zwar eine ordentliche Portion, hat diesem Duft wohl seine Schönheit verliehen. Und somit ist jeder wie auch immer geartete Versuch, eine Neuauflage dieser Iris auf den Markt zu bringen, sogleich im Keim erstickt – echte Iris Pallida kostet heutzutage um die 100.000 Euro das Kilogramm Essenz.

Hier kann „die Nische“ (die ziemlich heterogen ist, aber das wisst Ihr ja) hin und wieder mal punkten, keine Frage. Da Nischendüfte hinsichtlich ihrer Auflage lange nicht die Zahlen der Mainstreamer erreichen, kann man durchaus auch mal Stöffchen unterbringen, die eventuell in Mainstreamern nie Verwendung finden würden – weil sie überhaupt gar nicht in der dafür notwendigen Quantität verfügbar sind, darüber hinaus eventuell auch nicht immer auf dem Markt sind (oder nicht in derselben Qualität). Da wandert dann eben schon mal ein spezieller Weihrauch oder eine seltene Rose in den Flakon – und vielleicht gibt es den Duft dann auch mal eine zeitlang nicht, weil die Ernte schlecht war.

Darüber hinaus hat man in der Nische oft mehr oder besser andere finanzielle Möglichkeiten zur Verfügung, sprich: Die Essenz kann teurer sein. Viele konventionelle Parfums kommen zum Teil auf deutlich unter 10 Euro pro Kilogramm Essenz. Der Alkohol macht preislich nicht wirklich etwas aus, Ihr könnt Euch also ausrechnen, wieviel der Juice dann tatsächlich kostet, der im Flakon landet. Verallgemeinern lässt sich das aber nicht, dass Nische unbedingt immer teurer ist, ganz abgesehen davon, dass der Weg vom Hersteller bis zum Endkunden in der Tat ein teurer ist.

Lavender Fields

Nun, der zweite Punkt ist der allseits verbreitete Irrglauben, dass synthetisch hergestellte Duftstoffe im Vergleich zur Natur „minderwertig“ sind und – billig(er). Das stimmt so als allgemeine Feststellung überhaupt gar nicht. Es gibt durchaus synthetische Duftmoleküle, die sehr teuer in der Herstellung sind – genauso wie es natürliche Ingredienzen gibt, die günstig sind weil zuhauf vorhanden und einfach herzustellen. Und dann ist da eben noch der gesundheitliche Aspekt: Ich habe schon seit Monaten einen Artikel in Planung, eigentlich eine Artikelserie, für die ich noch einiges an Recherche erledigen muss und die sich mit einem Test der Zeitschrift Ökotest auseinandersetzt. Dort erschien Anfang des Jahres ein Test, der sich mit dem „Gefahrenpotential“ synthetischer (Duft)Stoffe auseinandersetzt („Achtung, Krebs“ – in diesem Stil) und daraufhin ein Loblied auf natürliche Düfte singt – völlig verfehlt, bedenkt man, dass sich die Wissenschaft und die Medizin heutzutage darüber einig sind, dass gerade Allergiker mit synthetischen Essenzen besser bedient sind, da diese weniger risikoträchtig sind hinsichtlich ihres allergischen Potentials.

Wenn wir schon beim Thema Allergien sind, kann ich in meinem Rundumschlag auch mal die IFRA-Reglementierung erwähnen, das bietet sich ja an: Viele haben schon davon gehört, ich hatte auch darüber berichtet, siehe hier. Viele Duftfans sind der Überzeugung, dass die IFRA-Reglementierungen konform mit den ebenfalls überarbeiteten und strengeren Hygieneverordnungen der EU einhergehen. Das ist nur bedingt richtig: Die IFRA, jener Zusammenschluss der großen Aromastoffhersteller, hat sich mit ihrem Code of Practice quasi selbst an die Leine gelegt – und zwar sowohl zeitlich, als auch inhaltlich in vorauseilendem Gehorsam. Diverse EU-Normen sind längst nicht so „streng“ wie der Code of Practice, den sich die Großen selbst auferlegt haben. Das heißt, dass kleinere Hersteller, die selbst produzieren oder bei kleineren Aromastoffherstellern fertigen lassen, sich zwar an die EU-Regeln halten müssen, wenn sie hier auf den Markt gehen und Parfums verkaufen wollen, allerdings sind die nicht unbedingt IFRA-konform – wer kein Mitglied der IFRA ist, muss sich auch nicht an deren Regeln halten. Das aber nur ganz am Rande, als kleiner Fingerzeig und vielleicht zum Nachdenken 😉

Laboratory

Kommen wir wieder zurück zur Nische – und innerhalb der Nische zu Labels, die es sich auf die Fahnen geschrieben haben, ausschließlich mit synthetischen Ingredienzen zu arbeiten. Ich denke, es ist spätestens nach meinem Exkurs hier klar, dass dieser Ansatz kein kostensparender sein muss – und bei den meisten Marken, die sich ihm verpflichtet haben, auch nicht ist. Vielmehr ist es eine andere Herangehensweise an Düfte, ein künstlerischer Ansatz, der äußerst Faszinierendes zu Tage bringen kann.

Wie in dem Fragrantica-Artikel erwähnt, denke ich auch, dass Madame Kawakubo, Mastermind hinter meinem geliebten Label Comme des Garçons, einmal mehr wegweisend war: Zumindest kann ihre Series 6 Synthetic(s), 2004 erschienen, als einer der ersten publikumswirksamen Versuche gelten, synthetische Moleküle ganz bewusst in den duftenden Mittelpunkt zu stellen. Geza Schön rockte später dann den Markt mit seinen Escentric Molecules, vor allem mit Molecule 01, der Duft, der Iso E Super als Wundermolekül in den Fokus der Parfumliebhaber rückte. In der letzten Zeit kamen einige Labels dazu, die dieses Konzept verfolgten, Zarkoperfume beispielsweise oder Nomenclature, Blood Concept gehören sicherlich auch dazu.

Nomenclature möchte ich ganz besonders herausstreichen, da das Label einen Duft im Repertoire hat, der kritische Parfumliebhaber, die sich bisher (noch?) nicht mit der reinen Chemie im Flakon anfreunden konnten oder können, eines Besseren belehrt: Efflor_esce. Ich zitiere diesbezüglich nochmal Fragrantica:

„Ever since it infused Edmond Roudnitska’s groundbreaking Eau Sauvage with its citrus-tinged, floral airiness, Hedione®, an analogue of a compound naturally present in jasmine, has been one of the most widely-used materials in perfumery. Paradisone®, a captive molecule patented in 1996 by Firmenich, is its purest, most precious and most powerful expression.

Paradisone® is “the angelic aroma of one million flowers… a storm of delicacy and diffusion,” in the poetic words of the perfumer Arcadi Boix-Camps. In the astonishingly radiant Efflor_esce, Frank Voelkl blows its heavenly breeze over an edenic Sicilian orchard. Touched by the luminous soul of jasmine, the fruit, leaves, twigs and blossoms of the orange tree unfurl their heady, sun-gorged scents. Bergamot adds its peppery sparkle; osmanthus, the yielding velvet of its apricot and suede flesh; tuberose, its narcotic sillage. This is nature, but better: Paradise found.“

Der Zauber, der von Efflor_esce ausgeht, ist zweifelsohne dem Paradisone geschuldet, jenem Firmenich-Captive. Captives sind Duftmoleküle, die, ähnlich wie in der Medizin, von einer Firma quasi patentiert werden und danach jahrelang einen Patentschutz genießen, sprich: nur die Firma, die das Captive erfunden hat, darf es herstellen und nutzen. Dieser Patentschutz läuft nach einer gewissen Zeit ab, dauert aber zuerst einmal für Jahre an. Die Riechstoffchemiker der Aromastoffhersteller tüfteln ständig neue Moleküle aus, von denen jedes Jahr nach umfassender Forschung die vielversprechendsten von den jeweiligen Herstellern als Captive angemeldet werden. Boix-Camps, dessen Name einigen von Euch sicherlich fremd ist, ist nicht nur Autor diverser Bücher zum Thema Düfte, sondern auch einer der ganz Großen in der Branche, hält sich aber eher bedeckt, obgleich er einige Düfte geschaffen hat, die in die Annalen der Duftgeschichte eingegangen sind. In jedem Fall aber hat er mit seiner Lobeshymne auf Paradisone nicht nur einmal mehr den richtigen Riecher bewiesen, ich kann ihm mit meiner im Vergleich dazu eher unbedeutenden Stimme nur vollkommen Recht geben: Paradisone ist göttlich. Und ich kann jedem nur empfehlen, da man an das reine Captive ohnehin nicht kommt, zumindest einmal Efflor_esce zu testen, der ebenfalls von betörender Schönheit ist.

Jetzt aber wird es Zeit, sich Æther zuzuwenden, endlich 😉

Aether Parfums from nicolas chabot on Vimeo.

Chabots Fokus mit seiner neuen Marke liegt auf den synthetischen Ingredienzen, ganz klar,  und zwar im Gegensatz zu den traditionellen Düften, im Gegensatz zu traditionellen natürlichen Ingredienzen oder „Mischungen“ natürlicher und synthetischer Ingredienzen – eben dem, was heutzutage normal ist in der Parfumherstellung. Sein Ansatz ist es dabei aber nicht, irgendwelche einzelnen Moleküle in Flakons zu füllen, wie er in oben zitiertem Fragrantica-Interview betont:

„In the same way as for example with Le Galion, where we are focusing on the finest raw materials, we want to focus with Æther on the best synthetic molecules, but as real compositions, not just pouring a pure one-molecule juice into a bottle – such things already have been done. We are really bringing something new to the market – a real new composition, entirely based on synthetic molecules.“

Das hört sich erfrischend neu an – ist es auch, wie wir bald sehen werden. Die Rezensionen der Düfte und noch viel mehr folgen Anfang nächster Woche, meine Lieben! Bleibt dabei, es wird spannend 🙂

Einen schönen Tag wünsch Euch

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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