Leder vs. Seide – Cuirs vs. Shantung

Feinste Materialien treten heute gegeneinander an: Leder aus Barcelona und Seide aus Shantung. Doch wer von beiden duftet am besten?

Es müssen ja nicht immer Neuigkeiten sein, aber ganz ohne sie geht es auch nicht. Deswegen gibt es heute einfach beides.

Schon lange habe ich mir – als alter Freund lederner Nasenstüber – vorgenommen, Carner Barcelonas „Cuirs“ unters Riechorgan zu halten. So sei es nun.

Carners Lederfantasien

Vorstellen muss ich Euch das Haus nicht, das hat Uli bereits 2011 getan und damals obendrein Tardes und D600 rezensiert. Höchste Eisenbahn also, mal wieder von Sara Carners Kreationen zu berichten! Ich habe aber noch einen Image-Film der Marke für Euch, der für das heute vorgestellte Parfum von besonderer Bedeutung ist:

Wir erfahren, dass man bei „Cuirs“ an die familieneigene alte Ledermanufaktur dachte, wo sich Wohlgerüche von frisch gegerbtem Leder und alten Holzfässern mit dem Tabakrauch der Arbeiter vermischten. Man mag einwenden, dass dies eine recht romantische Vorstellung von der Lederherstellung ist, da diese keineswegs schmeichelhaft für die Nase sein soll. Wie dem auch sei, lassen wir uns einfach auf diese verklärte Vorstellung ein, warum auch nicht. Ist es Parfümeurin Sonia Constant gelungen, dieses Bild olfaktorisch wiederzugeben?

Bottle CUIRS and background

Bin ich bei Leder leicht zu unterhalten? Denn schon wieder bin ich begeistert. Vielleicht ist etwas daran. Ich muss sagen, dass selten ein Duft derart genau das versprochene Bild geliefert hat wie „Cuirs“. Trocken-würziger Kumin und warmer Safran liegen wie ein funkelnder Schleier über einem feinen Lederhauch. Die Hölzer und auch die Gewürze lassen tatsächlich an den Rauch von Pfeifentabak denken. Mal weht eine leicht süßliche Schwade daher, mal kommt auch das Oud etwas hervor (auf dem Teststreifen deutlicher als auf meiner Haut), dann sind es wieder die trockenen Hölzer, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Auch nach einiger Zeit sind es vor allem die ledrigen und holzigen Noten, die am stärksten haften bleiben. Einziger Wermutstropfen: Ich mag keinen Kumin. Den Kreuzkümmel finde ich schon in Speisen ganz furchtbar und leider sticht auch er aus der Gewürzmischung immer wieder recht deutlich hervor. Das ist nun aber eine ganz subjektive Sache, lasst Euch also nicht davon abhalten.

Duftkomposition
Kopfnote: Kumin, Safran
Herznote: Veilchen, Sandelholz, Zedernholz, Guajakholz, Patchouli
Basisnote: Tonkabohne, Labdanum (Zistrose), Moschus, Adlerholz (Oud), Nagarmotha, Amyris, Ambra, Leder

„Cuirs“ zeigt sich als eine ganz feingliedrige Lederkomposition, die mit Holz- und Gewürznoten veredelt wurde. Lederfreunde müssen testen, aber auch wer Leder sonst nicht unbedingt mag und Gewürz- oder Holzkompositionen vorzieht, sollte „Cuirs“ eine Chance geben.

Etros Seidenspinnereien

Vom Leder zur Seide und von der eher kühlen Jahreszeit endlich in den Frühling. „Shantung“ heißt der neue Duft von Etro, der im April verfügbar sein wird. Ich habe schon ein Pröbchen bekommen und verrate Euch alles darüber. Zuerst zum Namen. Shantung-Seide ist wohl sehr bekannt – mir nicht. 🙂 Shantung, Schantung oder Schandong wird eine chinesische Provinz an der Ostküste des Landes genannt. Von hier stammt die berühmte Naturseide, die kleine Unregelmäßigkeiten und Verdickungen besitzt. Verwendet wird sie vornehmlich in der Damenmode bei Oberbekleidung.

silk shantung 9929 bodiceflickr: Esperluette„silk shantung 9929 bodice“ (CC BY 2.0)

Von Etro selbst erfahren wir:

Strahlend – hauchzart – elegant: Ein feiner Lichtstrahl durchdringt die zarten Blautöne der Morgendämmerung. Der erste hell glitzernde Sonnenstrahl gesellt sich hinzu und lässt zartrosafarbene Blumen erblühen, die mit ihrem berauschenden Duft die von Tau benetzte Luft erfüllen. Shantung erzählt die aus Wildseide gewebten Geschichten, die über die Grenzen des fernen Orients hinweg berichtet werden. Besonders erlesen sind die Geschichten aus Shantung-Seide – so kostbar, androgyn, vielseitig und facettenreich. Das klare Webmuster gibt der Shantung-Seide ihren unvergleichlichen Charakter: Sie besitzt eine äußerst feine Struktur und fasziniert durch ihren ungewöhnlichen Glanz.

Shantung_Visual 1
Shantung beginnt sogleich floral: Rosen und Pfingstrosen sind von Anfang an präsent. Im Kopf präsentiert sich wunderbar spritzig-süße Mandarine, aromatischer Cassis und Litschi. Ich musste da gleich ein bisschen an „Enchanted Forest“ von The Vagabond Prince denken – durch die Rose geht er aber doch deutlich in eine andere Richtung. Weihrauch nehme ich nicht wirklich wahr, dafür zeigen sich trockene und pudrig wirkende Hölzer. Diese gehen harmonisch in eine satte Moschusbasis über, die im Duftverlauf immer deutlicher hervortritt.

Die Duftkomposition
Kopfnote: Mandarine, Schwarze Johannisbeere, Litschi
Herznote: Weihrauch, Rose, Pfingstrose, Zedernholz, Kaschmirholz
Basisnote: Moschus

Ein weicher und eleganter Duft: Unisex, ja, aber doch mit einer femininen Ausrichtung. Durch seine fruchtig-säuerlich Frische, die zarten Blüten und die gedämpft eingesetzten Hölzer kann man sich sowohl einen milden Frühlingstag vorstellen als auch ein feines Seidengewebe. Wenn Ihr also noch auf der Suche nach einer neuen Frühlingsbeduftung seid, könnte „Shantung“ genau das Richtige für Euch sein.

Am Anfang des Berichts wollte ich Leder gegen Seide antreten lassen. Das ist natürlich Quatsch. Hier werden einfach zwei ganz unterschiedliche Gelüste nach feinen Materialien bedient. Uli hat ja erst kürzlich vom Layern berichtet. Vielleicht will man ja zu seinem Seidenkleid eine schöne Ledertasche tragen? Wie sagt schon eine alte deutsche Bauernregel: Hast die Tasche nicht dabei, ist’s mit der Competition auch vorbei (oder so ähnlich). 😉

Liebe Grüße von
Bauer Harmen

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Harmen Biró Verfasst von:

Hallo, ich heiße Harmen, war bis vor Kurzem irgendwas­unddreißig und habe immer die Nase im Wind, um Duftschätze für Euch zu finden und hier vorzustellen. Selbst bevorzuge ich feine Lederdüfte oder Gewürzkompositionen, ohne mich da aber festzulegen. Warum auch? Es gibt ständig so viel Neues in der Welt der Düfte zu entdecken. → BIRÓ

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