Wie arrogant ist Byredos neue Zeder, wenn sie sich selbst als „Super“ bezeichnet? Abgehoben ist sie, aber ganz anders, als man denkt.
„Super Cedar“ – eine klare Ansage von Byredo. Denn wer seine Zeder gleich als „super“ bezeichnet, will Maßstäbe setzen. Die nicht gerade selten eingesetzte Duftingredienz wird hier ins Zentrum gerückt, ach nein, viel mehr nach oben gehoben, denn „super“ bedeutet „oben“, „darüber“, „oberhalb“ und bezeichnet ebenso etwas, das überlegen und außergewöhnlich ist. Kann Byredos Zeder dieses Versprechen halten?
Erst vor Kurzem habe ich mich für die Duftnotenbeschreibungen im Shop ein wenig mit Zedernholz auseinandergesetzt. Hier eine kleine und grobe Einordnung: Es gibt drei Zedernarten.
1) Die Atlas-Zeder, wächst, wie ihr Name schon sagt, im Atlas-Gebirge in Algerien und Marokko.
2) Die Himalaya-Zeder; diese gedeiht, auch das glaubt man kaum, im Himalaya, darüber hinaus im Hindukusch, in Pakistan und in Teilen Indiens.
3) Die Libanon-Zeder hat ihr Verbreitungsgebiet sowohl im Libanon als auch in der Türkei und auf Zypern.
Die Zeder und ihre Doppelgänger
So viel zur botanischen Seite. Was die Zedernöle angeht, liest man oft, dass allerlei in den Handel gerät, was nie eine echte Zeder gesehen hat, z. B. Öle von Thuja-Arten, Chinesischem Wacholder usw. In der Welt der Parfums wird meistens schlichtweg „Zedernholz“ als Duftnote genannt, ohne dass man nun weiß, von welcher Art es stammt. Hin und wieder, so auch bei „Super Cedar“, wird Virginia-Zedernholz angegeben, oder man liest Texas-Zedernholz oder Atlas-Zedernholz, eher selten Himalaya-Zedernholz. An einigen Stellen im Internet erfährt man, dass Libanon-Zedernöl bereits seit 100 Jahren nicht mehr erhältlich sei, da es nur noch 400 Bäume dieser Art gebe. Dieser Falschinformation bin ich auch aufgesessen und stelle fest, dass ich diese Zedernholz-Duftnoten alle noch einmal gründlich durchsehen muss. Asche auf mein Haupt, aber man lernt ja immer weiter. Das Chaos kommt nämlich auch dadurch zustande, dass meist mit den Trivialnamen hantiert wird und nicht mit den lateinischen Bezeichnungen. Wen das Thema interessiert, den verweise ich sehr gerne wieder einmal auf das hervorragende aromatische Blog von Erik Kormann und dort vor allem auf seinen Artikel zum Thema Zedernholz-Öl, der den Namens- und Bezeichnungsdschungel lichtet.
Um die Verwirrung perfekt zu machen: auch das Öl mit dem Namen Virginia-Zedernholz stammt von keiner der oben genannten Zedernarten, sondern vom Virginischen Wacholder (auch Bleistiftzeder, Virginische Zeder oder Virginische Rotzeder; Juniperus virginiana). Sein Holz wird unter anderem bei der Bleistiftherstellung verwendet, was nun wieder die typische Assoziation Zedernholz ? frisch gespitzter Bleistift erklärt.
Iso E Super Cedar?
Genau genommen ist unsere Super-Zeder also ein Wacholder, was aber der Sache keinen Abbruch tut. In typischer Byredo-Manier kommt auch „Super Cedar“ daher. Leicht, transparent, minimalistisch und formvollendet. Trockene, holzige Zeder, die von Vetiver gerade in diese Richtung tatkräftig unterstützt wird. Trotzdem halten sich die Wurzeln des Süßgrases zurück und lassen den holzigen Noten den Vortritt. Die Rose passt auch hier perfekt ins Bild, steuert diese ihre kühlen, honigartigen Noten bei, die der Komposition fast einen fruchtigen Hauch verleihen.
Warum nun aber „Super“? Die als Silk Musk oder Seiden-Moschus angegebene Note zeigt sich entschieden synthetisch; ich kann nicht genau sagen, was es ist, aber vermutlich ist Iso E Super beteiligt. „Super Cedar“ – oder sollen wir sagen „Iso E Super Cedar“? – reiht sich deswegen vom Grundton her in die durchaus abstrakt und bewusst künstlich komponierten Moleküldüfte ein, die es mittlerweile nicht nur von Escentric Molecules gibt (man denke an Nomenclature, Comme des Garçons, Juliette Has a Gun, Zarkoperfume u. dgl. m.). „Super Cedar“ ist deswegen in meinen Augen eben keine Schulmäppchen-Nostalgie, auch nicht Opas Zigarrenkiste, keine warme, altehrwürdige Holzvertäfelung, sondern klare Linien, Glasfronten, Sichtbeton, polierte Holzoberflächen mit Chromeinfassungen … Super, über den Dingen schwebend, leicht, also bleifrei.
© Harmen Biró – Im Opernhaus Oslo
Wer also auf einen avantgardistischen Holzduft neugierig ist und Byredo Duftsprache zu schätzen weiß – auch dieser Byredo-Duft stammt von Jérôme Epinette –, sollte unbedingt testen. Echte Holzfreunde halten sich z. B. weiterhin lieber an „Tam Dao“ von diptyque (Bericht).
Liebe Grüße
Harmen
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