Ein schwarz-weißes Doppel von diptyque: aus kleinen Teilen entsteht ein großes Dunkelholz und aus simplen Linien ein optisches Wunderwerk für die Nase.
Liebe Duftfreunde, als ich mich heute Morgen an meinen Schreibtisch setzt, lachten mich diese beiden Duftproben an. Zugegeben diptyques „Oud Palao“ steht schon ein wenig länger da, „Eau des Sens“ allerdings ist neu.
Oud Palao – Ein dunkles Duftmosaik
Viele sind des Adelholzes überdrüssig, aber wie schon des Öfteren hier gesagt wurde, wir müssen uns damit abfinden – Schrägstrich – wir dürfen uns darüber freuen, dass sich die Ouddüfte als eigene Kategorie etabliert haben und schon fast zum Standardrepertoire einer jeden Marke gehören. Ich für meinen Teil finde es klasse, denn nicht nur Montale hat mit seinen gefühlten drölfzig Oudvariationen bewiesen, dass sich einiges aus dieser Ingredienz herauskomponieren lässt, auch anderen Hersteller verblüffen immer wieder mit neuen Kombinationen. Von dipytque erwarte ich nun keine abseitigen oder allzu avantgardistischen Eskapaden, aber was war überhaupt die Idee dahinter?
Inspiriert wurde „Oud Palao“ von den kunstvollen Formen der traditionellen wie auch modernen Mosaike:
Christiane Gautrot, die Mitbegründerin von Diptyque, ist ausgebildete Architektin und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem marokkanischen Kunsthandwerk Zellij (auch Zellige oder Zillij), bei dem private und öffentliche Räume, einschließlich Brunnen, Wände und manchmal auch Böden von Häusern mit Keramikmosaiken geschmückt werden. Christiane entwarf viele Zellijs selbst und verband dabei traditionelle mit modernen Motiven, einschließlich derer, die man in der Hassan-II.-Moschee in Casablanca sehen kann, eine der beeindruckendsten Moscheen der heutigen Welt.
Diese Formen und Muster finden sich auf der Flasche und der Verpackung wieder, sie wurden durch ähnliche westliche Elemente erweitert, wie man sie etwa in den Gemälden von Gustav Klimt findet. Mich erinnert das zum Teil auch ein bisschen an die verschlungenen keltischen Knotenmuster.
Obwohl ich ja zu Beginn eher auf einen zahmeren Oud getippt hatte, kommt es nun doch ganz anders. „Oud Palao“ ist durchaus kräftig und orientalisch ausgefallen mit dominanten dunkelholzigen, harzigen und auch animalischen Noten. Das hätte ich von den sonst eher mainstreamig ausgerichteten Düften von diptyque nicht erwartet, Hut ab. Nun ist eine Rosen-Oud-Kombi wirklich nichts Neues, doch bleibt die (bulgarische) Rose in einem weitgehend unisexverträglichen Maß, cremiges Sandelholz mit einem Hauch Vanille und eine schön abgestimmte Patschulidosis bändigen den anfangs durchaus heftigen Oud. Mir gefällt die Vielschichtigkeit gut, hier und da eine rauchige, tabakartige Facette, dann wieder etwas Grün-Würziges …
Die Duftkomposition
Damaszener Rose, Vanille, Weihrauch, Labdanum (Zistrose), Adlerholz (Oud), Nagarmotha, Sandelholz, Patchouli
Wer zu Beginn des Duftverlaufs abgeschreckt wird, sollte ruhig ein wenig warten, dann wird das Ganze durchaus gefälliger. Übrigens wählte Parfümeur Fabrice Pellegrin eine Oudessenz aus Laos namens „Palao“, daher auch der Name. Für wen ist „Oud Palao“ nun gedacht? Ich würde sagen, dass all jene, denen viele Oud-Rosen zu gewaltig erscheinen, es hier einmal versuchen könnten. Nach dem starken Auftakt zeigt die Kreation, dass sie mit Maß und Mitte komponiert wurde, dass nicht einfach Oud und Rose ohne Sinn und Verstand zusammengekippt wurden, um einen möglichst intensiven Nasenstüber zu kreieren. Gerade die Basisnoten zeigen immer wieder neue Facetten und überzeugen so mit dieser filigraneren und vielschichtigeren Oud-Rose.
Eau des Sens – Alles dreht sich …
Der Name ist ein Wortspiel Eau des Sens – Wasser der Sinne – gleichlautend wie Eau d’Essences. Ein Wasser soll es sein, das die Sinne verwirrt und zugleich steht die homophone Bedeutungen für die zugrunde liegenden Essenzen. Die grafische Gestaltung wurde an der sogenannten Op-Art der Sechziger Jahre orientiert. Ehrlich gesagt war mir der Begriff nicht geläufig. In dieser Kunstrichtung wird mit abstrakten und geometrischen Mustern gearbeitet, um außergewöhnliche optische Effekte zu erzeugen. So befindet sich über der in Schwarz-Weiß dargestellten Bitterorange ein spiralartig anmutendes Kreismuster (s. u.).
Vornweg gleich einmal die Duftnoten, aus denen sich bereits recht deutlich die Marschrichtung herauslesen lässt:
Kopfnote: Bitterorange, Neroli, Orangenblüte
Herznote: Petitgrain, Angelika (Engelwurz)
Basisnote: Wacholderbeeren, Patchouli
diptyque geben uns noch folgende Hinweise an die Hand:
„Eau des Sens“ – Wasser der Sinne – stiftet Verwirrung. Eine Verwirrung der Sinne. Manche sehen Farben, wenn sie es riechen. Andere wiederum vernehmen ein Flüstern. Sie meinen, den Göttertrunk Ambrosia zu kosten oder mit der Nase über zarte und kühle Haut zu streichen. Das ist „Eau des Sens“! Eine sensationelle Partitur der Sinne. Welch zauberhafte Illusion. Ausgangspunkt war ein neuer olfaktorischer Blickwinkel, eine Art Philosophie der Sanftheit. Die Sanftheit des Körpers. Die Sanftheit empfindsamer Haut, eine Sanftheit, bei der Körper und Geist verschmelzen und aus einer frischen, alles umfassenden Quelle schöpfen.
Alles dreht sich um die Bitterorange – nicht nur die Spirale. So ist „Eau des Sens“ zitrischer und zugleich bittergrüner Duft. Bereits die Duftnoten zeigten es an. Man hat die Bitterorange samt Baum erlegt und nach alter indianischer Sitte alle Teile des „Tiers“ verwendet. So finden wir die spritzigen Noten der Früchte, das Grün der Blätter und einen weichen, moschusgetränkten trockenen Holzton in den Basisnoten (wenn auch nicht als solcher angegeben und wohl eher von den Wacholderbeeren stammend). Kleine Duftnotenkunde für zwischendurch: Neroliöl wird aus den Blüten der Bitterorange hergestellt, Petitgrain aus den Blättern, Zweigen und unreifen Früchten.
„Eau des Sens“ verdankt seine Seele und seinen Charakter der Art und Weise, wie es hergestellt wird. Die Zitrusfrüchte entfalten mit Blatt, Blüte und Schale ihre ganze darin konzentrierte Lebensenergie. Das Neroliöl hat einen Blütenzweig mitgebracht und sorgt so für einen besonders spritzigen Impuls. Und der hauchzarte orange Schimmer lässt die Blüte immer noch erahnen. „Eau des Sens“ ist ein echtes Erlebnis im Stil von Diptyque. Kaum glaubt man, es verstanden, es durchschaut zu haben, schon lenkt es die Sinne wieder in eine andere Richtung, entfaltet plötzlich Facetten von Holz und unergründlichen Gewürzen. „Eau des Sens“ ist rund, harmonisch und zärtlich – und, um mit dem Dichter Paul Eluard zu sprechen, „so blau wie eine Orange“, die an ihrem grünen Zweig wie die Sonne des Südens leuchtet. Dann gibt sich „Eau des Sens“ wieder tief – tief wie ein Atemzug, mit dem man die warmen Holznoten und den frischen Ingwerduft einsaugt. Man könnte fast meinen, „Eau des Sens“ sei von Sinnen, so verwegen jongliert es mit seinen Elementen. Und vielleicht ist es auch gar nicht sehr sentimental, eher sinnlich – sensibel.
„Eau des Sens“ von Olivier Pescheux ist ein wunderbar simpler Unisexduft, der die Schönheit der Bitterorange in all ihren Facetten ausleuchtet. Spiritzig, herb, cologneartig, bitter, dann aber doch sehr feinfühlig, weich und zart. So erweist sich die Einfachheit auf den zweiten Blick als vielschichtiger, als zunächst angenommen. Und da wären wir wieder bei der Op-Art, die ja auch mit den Mitteln der Zweidimensionalität eine verblüffende Tiefenwirkung zu entfalten weiß.
Zwei spannende Kreationen – wer hat sie schon getestet und mag berichten?
Liebe Grüße
Harmen
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