Schon lange hatte ich keinen Artikel mehr in dieser Kategorie geschrieben, in der sich Fundstücke für kleines Geld finden. Zugegeben – Fundstücke sind eben halt auch Fundstücke und nicht unbedingt alltäglich. Ich bin neulich einmal wieder über ein solches gestolpert, über einen Duft, den ich von früher in recht guter Erinnerung hatte und an den mich Miguel Matos mit einem seiner Artikel bei Fragrantica wieder erinnert hat – Coriandre von Jean Couturier. Bei Yesterday’s Perfume findet sich auch eine schöne Rezension genauso wie bei Perfumeshrine.
Jean Couturier wurde zuerst in der Modewelt bekannt nach dem 2. Weltkrieg, hernach machte er sich aber alsbald einen Namen in der Welt der Düfte: Er trug zur Gründung von YSL Parfums bei, arbeitet mit an dem Launch von Rive Gauche und Y und kreierte Azzaro. Seine Frau Jacqueline, auch als Jacky bekannt, war selbst Parfumeurin und als solche Sproß einer ganzen Parfumeursfamilie, ihr wurden Düfte demgemäß in die Wiege gelegt. In den 60ern und 70ern war sie bereits als bekannte Parfumeurin tätig – damals für eine Frau durchaus noch eine Seltenheit, wie auch Miguel in seinem Artikel erwähnt und mit Recht auf die Ikone Germaine Cellier verweist, über die wir es ja neulich noch hier hatten (Piguet, Ihr erinnert Euch?). In jedem Fall bot sie ihrem Mann an, einen Duft nur für sie beide zu kreieren, was diesen wiederum dazu motivierte, seine eigene Marke zu gründen. Das geschah 1972, 1973 folgte dann der erste Duft, der, der bis heute für das Haus steht und dessen Bestseller ist: Coriandre.
Jacqueline „Jacky“ Couturier selbst sagte Folgendes über ihre Kreation:
“In Coriandre, I wanted to find the olfactive emotions of my youth: the subtle and delicate perfume of my mother, and the captivating scents of the campaign in Grasse.”
Bis heute ist das Unternehmen aktiv, zehn Düfte hat man im Repertoire, der letzte ist 2014 erschienen (Paris Baroque). Coriandre selbst war wohl irgendwann zwischendurch eine Zeit lang nicht erhältlich, wurde aber relanciert und 1993 auch reformuliert. Mir liegt hier nur die neue Variante vor und aus der Erinnerung heraus kann ich auch nicht mehr sagen, ob ich bei meinem ersten Test vor langer Zeit die gleiche Variante unter der Nase hatte – das nur nebenbei. Von den anderen Düften habe ich noch keinen getestet, allerdings will ich das unbedingt mal nachholen – vor allem Lilas Mauve hört sich toll an, Flieder ist ja immer meines. Coriandre in jedem Fall habe ich vor kurzem für wenig, sehr wenig Geld erstanden – 100ml für 20 Euro Eau de Toilette (die klassische Variante), inklusive Porto.
„The essence, gently spicy, develops the woody touch of Patchouli, Vetiver and Oak Moss and brings out the harmony of Jasmine, Rose and Ylang-Ylang. The sharpness of this scent made from 119 components constitutes a first-class perfume.“
… berichtet die Firmenwebseite zu Coriandre und attestiert dem Duft, dass er immer noch zu den klassischen und gleichermaßen zeitlosen Meisterwerken gehört. Das sieht Miguel genauso – und ich schließe mich nonchalant an, auch wenn diese Betrachtung durchaus umstritten ist: Einige Parfumistas, weibliche als auch männliche, lieben den Duft, andere hassen ihn (wie beispielsweise Luca Turin). Ein Spalter, keine Frage, was sicherlich einerseits an der Duftfamilie liegt – wir haben es hier mit einem Chypre zu tun – und andererseits an der doch großzügigen Verwendung von Koriander. Dieser Doldenblütler stammt wohl ursprünglich aus dem Mittelmeerraum und gilt schon seit Jahrtausenden (ja, keine Übertreibung) als Heil- und Gewürzpflanze. Heute wird ein Großteil der Ernte für Currymischungen verwendet, im mediterranen Raum allerdings sieht sich der Koriander sehr oft als Pflanze in der Küche eingesetzt, sprich: das Kraut findet Verwendung, das einen scharfen, bitteren und sehr kräftigen Geschmack hat, welchem darüber hinaus moschusähnliche und zitrische Anklänge innewohnen.
Die Duftnoten: Kopfnote: Koriander, Angelika/Engelwurz, Orangenblüte, Aldehyde; Herznote: Ylang-Ylang, Lilie (nein, ich glaube, das ist auf der Firmenwebseite ein Schreibfehler, es muss Maiglöckchen sein!), Iris, Geranium, Jasmin, Rose; Basisnote: Sandeholz, Zibet, Patchouli, Eichenmoos, Vetiver, Moschus.
Arina Borodina „Magic World“ via Flickr – CC BY 2.0
Coriandre beginnt mit – den Aldehyden, ganz klar, und zarten Orangenblütchen. Dazu gesellt sich umgehend der Koriander, grün-herb mit einer gewissen, leicht pfeffrig anmutenden Schärfe und geballter Moschuskraft. Auch Moos nehme ich bereits von Anfang an wahr, eine ordentliche Dosis, alsbald von sauberen Maiglöckchen abgekühlt, das eine feine Seifigkeit verströmt. Überhaupt, jetzt wird es wirklich schön: Gleichermaßen pastell- als auch dunkelgrün-schillernd tritt der Koriander etwas in den Hintergrund oder nein, zur Seite, Platz lassend für unser Maiglöckchen als auch eine leise-fruchtige als auch vor allem frische Rose. Frisch und kühl zeigt sich Coriandre, dem eine Art Frische innewohnt, die ich sonst nur aus Düften kenne, die Gurke als Duftnote listen. Gleichzeitig zeigt sich Coriandre als typischer Chypre, dem auch eine gewisse animalische Dreckigkeit innewohnt, eine sehr subtile. Wie Miguel richtig bemerkt, kommt es hier sehr auf die Balance an – würde man ein bisschen an den Knöpfen drehen, die Dosierungen verändern und/oder einzelne Ingredienzen entfernen, könnte das schnell zu einem Desaster werden.
Coriandre ist toll, fein ausbalanciert und ist als relativ zahmer Chypre sicherlich auch ein perfekter Einsteigerduft in diese Duftfamilie, somit auch bestens für ein jüngeres Klientel geeignet. Ich sehe ihn an Frauen als auch an Männern gleichermaßen – er ist edel und elegant, brilliert aber gleichfalls auch mit seinem Understatement, ohne dass es ihm an Charakter fehlen würde. Miguel bringt es auf den Punkt:
„Today, Coriandre is still a one-of-a-kind scent, unmistakeably green and fresh with a naughty dose of funk, as modern and edgy as the day it was created.“
Betreffs der IFRA-Reglementierungen: Es wurde wohl in den letzten Jahren deshalb nochmals eine behutsame Reformulierung des Duftes vorgenommen (unter anderem vermutlich wegen des Eichenmooses), wie auch Miguel schreibt. Ich kenne das Original nicht (mehr), empfinde Coriandre allerdings nicht als „kastriert“ oder als Schatten, von was auch immer – ganz im Gegenteil. Ein grün-herber, luftig-frischer Chypre für jeden Tag – und dazu noch ein wirkliches Schnäppchen. Die Konzentrationen, insofern überhaupt noch etwas anderes als das EdT erhältlich ist, das ist irgendwie nicht ganz klar, sollen sich wohl nicht großartig unterscheiden. Ich kenne nur das Eau de Toilette, das bei mir auf der Haut eine gute Sillage vorweisen kann.
Vielleicht ist Coriandre auch was für Euch? Oder – kennt Ihr ihn schon, habt Ihr ihn schon oder hattet ihn früher einmal? Ich bin gespannt!
Herzliche Grüße,
Eure Ulrike.
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