Nishane – Olfaktorische Besonderheiten aus Istanbul …

… erwarten uns heute hoffentlich wieder! Gestern hatte ich ja bereits die ersten beiden Düfte von Nishane vorgestellt, die ersten türkischen Nischendüfte, vermutlich auch die ersten türkischen Düfte überhaupt, die ich testen durfte. Und ich war angetan, sehr sogar, wie gestern bereits bemerkt – neugierig bin ich jetzt selbstredend noch viel mehr auf die weiteren Düfte, die da noch kommen werden. Vier Pröbchen liegen noch vor mir auf meinem Schreibtisch, die restlichen drei von neun Düften sind leider noch nicht bei mir gelandet, deren Rezension wird als vertagt.

Dafür sehen wir uns heute folgende vier Kandidaten an: Sultan Vetiver, Duftblüten, Santalové und Múnegu.

Aufmerksame Blogleser werden wissen – Vetivergras hat es mir schon immer angetan als duftende Ingredienz. Ich liebe es, dieses Gras, das, gerne mal im Zusammenspiel mit Zitrusfrüchtchen seine mal mehr, mal weniger grüne, fast immer herbe Frische entfaltet, oftmals auch mit köstlichen rauchigen und/oder salzigen Facetten brilliert.

Für einen guten Vetiverduft bin ich immer zu haben, immer. Und ich befürchte fast, wenn Nishane das Niveau von gestern halten … dass ich gleich schwer in Versuchung kommen könnte mit ihrem Sultan Vetiver:

sultan_vetiver1 „Sultan Vetiver ist in der Tat eine Hommage an eines der vielseitigsten und wertvollsten Gräser in der Natur. Javanesisches und haitianisches Vetiver sowie Bourbon-Vetiver hält Hof, inmitten reicher, exotischer, zitrischer und gewürziger Noten. Eine wahrhaft noble Komposition. Ein neuer Rebell in seinem Genre.“

Wie befürchtet – Volltreffer, dieser Sultan ist ein Mann für mich! Er füllt eine Lücke, die ich bisher noch nicht mal als solche wahrgenommen habe: Ein Vetiverduft, der sowohl kühle Frische als auch Wärme, subtil-süße, verströmt. Viele Vetiverdüfte sind eher frischer Natur, gerne zitrisch verpackt. Dann gibt es die kühlen, erdig-rauchigen Gesellen, gerne mal Schwergewichte. Und es gibt sie, die wenigen warm-würzig-süßen Interpretationen, von denen mir sofort Bal d’Afrique von Byredo als auch Vetiver Tonka aus der Hermèssence-Kollektion einfallen. Sultan Vetiver hat es, jenes zitrische Funkeln dank herb-frischer Bergamotte, eine zart-florale Anmutung von Neroliblütennektar und zeigt sich in an Absinth und Waldmeister erinnerndes dunkelgrünes Kleid gehüllt. Rosa Pfeffer akzentuiert gekonnt, kühn und kühl. Und die Basis, die sich ins Herz des Duftes drängt, schafft jene herrliche Ambivalenz, von der ich bereits gesprochen habe, die ich versprochen habe: Warm-würzige Ambra und kantiges Wildleder. Und dann ist da noch unser Protagonist, das Vetivergras: Rauchig, salzig, bitter-herb-grün, frisch, grasig und erdig. Ich glaube, ich „brauche“ dann mal noch einen neuen Vetiver …

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Pictures by KavewallCC BY 2.5 –> https://creativecommons.org/licenses/by/2.5/

duftbl_ten1 „NISHANE wählte einen ungewöhnlichen Namen für diese florale Chyprekreation, den deutschen Namen für Osmanthus: Duftblüten. Der Duft beginnt mit Kopfnoten von Magnolie und Gardenie, die zu einem Herzen aus exotisch blühendem Osmanthus und indonesischem Patchouli führen. Erhebender Weihrauch wetteifert mit dem holzig-scharfen Charakter von Eichenmoos in der Basis, um einen floralen Chypre zu kreieren, der keine Gefangenen macht!“

Ehrlich? Ich will gar nicht weitertesten … doch, will ich. Nein, will ich nicht. Ich bin mehr als neugierig und gespannt, was mich noch erwartet. Und sitze doch bereits auf meinem Portemonnaie, da der Bestellfinger schwer zuckt, die Versuchung allzu unwiderstehlich ist und die Kollegen im Büro so nah und sicherlich auch freundlich bestrebt, mir gleich ein Päckchen fertig zu machen …

Soll ich es sagen? Ich muss – aber Ihr wisst es ohnehin schon: Auch Chypredüfte, gut gemachte, sind bei mir ein Reizwort. Und wenn ich hier noch Magnolie und Osmanthus lese … Und jaaa, Duftblüten ist ein herrlicher, opulenter Duft. Mein erster Gedanke? Der hätte auch ein früher Lutens sein können, wenngleich ihm auch die Hitze dazu fehlt. Samtigster Pfirsich auf einem überbordenden „Tablett“ aus weichem Moos, von nektarsüßem Honig benetzt. Irgendwo ist da ebenfalls eine gewisse Schärfe anzutreffen, eine, die an feuchtes Gewürz erinnert und dann jene Anmutungen, die mich gedanklich auf Lutens’sche Pfade brachten: Trockenfrüchte. Weiße Blüten, bisweilen federleicht und fast wässrig, der Magnolie gedankt, und dann auch wieder wächsern und dicht, die Gardenien lassen grüßen. Patchouli schafft ein fein-erdiges Bettchen, Tiefe stiftend und Rückgrat und den Duft vollendend.

John Singer Sargent (American, Florence 1856–1925 London) - Madame X (Madame Pierre Gautreau) - Google Art Project

Duftblüten ist zugleich modern als auch klassisch, zeitlos und traditionell. Ein Chypre, der einerseits seinem Genre alle Ehre erweist, innovativen Charakter zeigt und trotzdem zeitgemäß ist. Allerdings – ein Vollblutchypre, keine minimalistisch-avantgardistische Interpretation, insofern sicherlich nichts für jemanden, der mit dieser Duftfamilie so gar keine Berührungspunkte hegt. Ich finde ihn sehr hübsch, allerdings hat er mein Herz auch nicht spontan in Flammen stehen lassen. Das macht aber gar nichts, denn Nishane haben ja noch weitere Düfte – und die ersten Düfte der Marke führen mich ohnehin schon in Versuchung …

santalove1 „Santalové ist ein zitrischer, gewürziger und holziger Duft, der aus Bergamotte und reichhaltigem, fast buttrigem Ylang-Ylang besteht. Wie der Name vermuten lässt, ist „Santalové“ eine Ode an das Sandelholz, mit seinen warmen Untertönen im Herzen des Dufts, die Tiefe und Struktur hineinbringen. Ein süßer Aspekt entwickelt sich dank der gourmandigen Vanille in der Basis, die zusammen mit aromatischer Tonkabohne einen leuchtenden und gewürzigen Nachhall bildet.“

Sandelholz – mmmhh. Ich schätze Sandelholz sehr, seine Wandlungsfähigkeit, seine Wärme, seine Würzigkeit. Ich mag darüber hinaus Sandelholzdüfte, die an Barbershops erinnern. Aber ein monothematischer Sandelholzduft oder einer, bei dem Sandelholz eine dominante Rolle spielt, ist bei mir noch nicht eingezogen. Einzige Ausnahme – Erik Kormanns September und seine Koproduktion mit Dr. Kraft, Borobudur. Aber hier sprechen wir von Javanol. Mal schauen, wie mir Santalové gefällt, bei dem ich zugegebenermaßen zuerst an Santa Claus denken musste 😉

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belgianchocolate „ylang ylang flower“ via Flickr – CC BY 2.0

Ok – Santalové wird auch nicht bei mir einziehen, allerdings aus einem anderen Grund: Mir persönlich ist Ylang hier zu präsent. Aber – Santalové ist toll, ein wirklich schöner Duft. Bisher, würde ich sagen, der Duft von Nishane, der mir am wenigsten komplex erscheint, dafür umso opulenter: Eine Nahaufnahme riesiger Ylang-Blüten, sonnengelb und von der Sonne verwöhnt und gewärmt. Sandelholz mimt hier die Wärme, ja, schon fast Hitze inmitten der Palmen drumherum und lässt den Sand förmlich unter meinen Füßen „fließen“. Betörend und narkotisierend kommt Santalové daher und ich liege schon gedanklich mit einem feinen, vanillegeküssten Cocktail mit Sahne irgendwo am Strand, auf einer einsamen Insel, die, ja, Santalové heißen könnte …

Key Biscayne Beach

Ines Hegedus-Garcia „Key Biscayne Beach“ via Flickr – CC BY 2.0

santalove1 „Múnegu beginnt mit einer holzigen Zedernnote und spritzigen Orangen, die mit Kumin und Kardamom im Herzen gewürzt werden. Florale Noten von Geranium und Ylang-Ylang intensivieren die Hauptnote von Patchouli, die von Labdanum, reichhaltigem Weihrauch, ausgeprägtem Tabak und Ambra gestützt wird. Ein kühner Duft mit einem schicken, sinnlichen Unterton, der diese Dufterfahrung so fesselnd macht.“

Múnegu, unser, versprochen: nur vorerst letzter Duft von Nishane, den ich hier vorstelle, ist ein Duftchamäleon: Holz und Orangen als auch Mandarinen nehme ich anfangs wahr, knarzig-spröde Trockenheit der Zeder, die von dem saftigen Gegenpol lebt und alsbald von Nelke gewürzt wird. Nein – es ist keine Nelke, wie mir schien, sondern Tabak, samtig-dicht und kühlend, der sich von der würzigen Wärme der Harze geneckt und kontrastiert sieht. Grün-minziges Geranium leuchtet und haucht eine feine Pfefferminzsüße ein, während irgendwo im Hintergrund ein paar exotische Ylang-Blüten feminin-sinnliche Anklänge spenden. Múnegu ist auf den ersten Blick ein wenig … sperrig. Und dann vielleicht auch ein wenig dazu animierend, schnell die Nase wegzunehmen, weil man meint, so etwas vielleicht schon zu kennen, irgendwie. Nichtsdestotrotz lohnt es sich gerade bei diesem Duft, ihm ein wenig mehr Zeit zu geben: Es handelt sich hier um ein raffiniert und geschickt gewebtes schönes Duftgemälde, das immer wieder leise vor sich hin funkelt und glitzert, wenn man ihm genauere Beachtung schenkt!

Detail, Persian Carpet

A. Davey „Detail, Persian Carpet“ via Flickr – CC BY 2.0

Oh ja, mich haben Nishane schon – bin gespannt, ob Harmen nachzieht und es bei den jetzigen Düften ähnlich sieht wie gestern in seinem Kommentar zu meinem Artikel 🙂

Und, natürlich will ich wissen, wie IHR die Kollektion findet – bitte um Feedback, meine Lieben!

Herzlichst,

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

Ein Kommentar

  1. Harmen Biró
    15. Januar 2016
    Antworten

    Sehr spannend, nach wie vor, aber nach meinem ganz persönlichen Geschmack war heute nichts dabei, was ich unbedingt haben müsste 🙂 Ich bleibe weiter dran.

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