Ulrikes Jahresrückblick 2015

Hier sitze ich nun, an Silvester, an meinem Schreibtisch, der dringend einmal aufgeräumt gehört – dafür passen die kommenden freien Tage perfekt. Der Winter hat nun doch zugeschlagen beziehungsweise kündigt sich an – und außer meinen Axolotn, die Kaltwasser lieben, freut sich hier in unserem Elfenbeinturm niemand wirklich darüber. Katzen sind ausschließlich nur noch im Radius von circa einem halben Meter rund um den Ofen herum anzutreffen, oder eben gerne auch im Bett, auf meiner Rheumaheizdecke, die ich liebe, obgleich mich (noch?) kein Rheuma erwischt hat. Der Vorweihnachtsstress, die ganzen Besuche sind vorbei, es kehrt so langsam etwas Ruhe ein, zumindest bei mir. Und ruhig wird auch der Abend – leckeres Essen, ein bisschen Wein, ein, zwei (vielleicht auch drei) Cocktails und gut ist.

Gedanken habe ich mir gemacht, die letzten Tage – wie jedes Jahr so kurz vor seinem Ende. Was ist passiert, was hat mich umgetrieben, was kommt nächstes Jahr. Gute Vorsätze gibt es nicht, aber sehr wohl Ziele. Und nicht zuletzt – wie war das duftende Jahr?

Fast alle haben schon vorgelegt mit Jahresrückblicken:

… um nur einige zu nennen. Harmen hat gestern schon vorgelegt, Evelyn bei Beautymekka ist gerade noch dabei, sie hat, wie zu erwarten war, unzählige Lieblinge gefunden 😉

Schwierig ist es, eindeutige Favoriten zu benennen, so viele Düfte, wie ich getestet habe. Zu wenige waren es trotzdem, diverse Nischen-Nischen-Produkte ergo Indie-Düfte hatte ich leider noch nicht unter der Nase, was dringend nachgeholt werden muss. Neugierig bin ich hier vor allem auf:

  • Aftelier Vanilla Smoke – der Name allein schon … mmmmh!
  • Bogue Profumo Maai – wohl ein animalischer Tuberosen-Chypre, das liest sich äußerst vielversprechend!
  • Kerosene Unforsaken – ein Gourmand mit Kokosnoten, Vanille, Tonka und Mandarine, vermutlich in typischer John Pegg-Kerosene-Manier kantig und roh umgesetzt; vielleicht ein erster Kokosduft für mich?

Und dann, doch ein Vorsatz, muss ich unbedingt noch ein paar neuere, aber nicht brandneue Marken testen:

  • En Voyage Perfumes by Shelley Waddington – exzellente Kritiken im Netz, und das seit Jahren; ich muss endlich, endlich testen!
  • Nomaterra – vor allem Boston (Vetiver, Tabakblätter & Gin) und Boston (metallisch-rustikales, erdig-grünes Veilchen)
  • Zoologist – Stylo-Packaging und cooles Konzept, leider bisher noch komplett an mir vorbeigegangen
  • Ex Idolo – kleine Kollektion, aber sehr feine Internetkritiken
  • Timothy Han Edition – tolles Design, Ingredienzen und Rezensionen machen sehr neugierig
  • Slumberhouse – vor ewiger Zeit einmal getestet, für gut und sehr interessant befunden und … nicht mehr weiter vertieft, könnte ein Fehler sein!
  • Vilhelm Parfumerie
  • 4160 Tuesdays
  • Pierre Bourdon – immer noch nicht getestet, die neue Linie des Meisters, der sich doch eigentlich schon längst zur Ruhe setzen wollte; da er einige meiner All-Time-Favoriten geschaffen hat (unter anderem Frédéric Malle Iris Poudre, Mark Birley Classic) ist sie für mich ein Must-Try, die Kollektion

An „normalen“ Nischendüften sind bisher aus diesem Jahr an mir vorbeigegangen – eine Wissenslücke, eine duftende, die unbedingt umgehend geschlossen werden muss:

  • Memo – die neuen Lederdüfte
  • Arquiste Nanban
  • Maison Francis Kurkdjian Ciel de Gum

Nun – was waren meine Höhepunkte des Jahres 2015?

anatolebretonleauscandaleuse2 Als allererstes fällt mir eine neue Marke ein, und zwar die Kollektion von Anatole Lebreton. Der eine oder andere von Euch wird es sich schon gedacht haben – ich habe Feuer gefangen, bin Head-over-Heels verliebt in diese wunderbare Linie, die so voller Herzblut und Leidenschaft steckt, dass es eine wahre Freude ist. Anatole Lebreton war und ist für mich das Highlight dieses Jahr und hat mir gezeigt, was ich ohnehin schon wusste: Trotzdem der Markt viele Knospen treibt, etliche Neuerscheinungen kommen, von denen viele einfach nichts wirklich Neues bieten oder, noch schlimmer: seelenlos sind, bisweilen – es geht anders! Danke dafür, Monsieur Lebreton, und weiter so, bitte, bitte, bitte!

Anatole Lebreton läuft also gänzlich außer Konkurrenz, die ganze Marke. An einzelnen Lieblingen dieses Jahr hatte und habe ich folgende in zufälliger, nicht absteigender Reihenfolge:

  • Stéphane Humbert Lucas Mortal Skin MortalXmas : Lieber Harmen, dito! Kaffee, Tinte, Brombeere, Harze und Weihrauch, eine solch wunderbare Kombination. Ein definitiver Kaufkandidat – und bekommt vermutlich seinen Platz neben Amouages Jubilation XXV, der ein Bruder im Geiste ist.
  • Diptyque Florabellio: „“foreign yet familiar…blurring the perspectives between land and sea, flower and fruit, softness and bitterness“ – diese Beschreibung von Diptyque trifft es ziemlich genau. Irgendwie bekannt, Blüten und Früchte, leicht, aber dennoch … verwunderlich, überraschend, ambivalent, im positiven Sinne – denn es finden sich auch Anklänge von Kaffee, grasig-salzigem Vetiver und, ja, Single Malt? Torf, Malz? Sehr gelungen.
  • Atkinsons 1799 Amber Empire: Oolong und Magnolie auf einer warm-würzigen und harzgeküssten Vanillebasis – herrlich!
  • pomelo_paradis Atelier Cologne Pomélo Paradis: Mein Sommerhit dieses Jahr – Pampelmuse mit Minze und Grapefruit, was für ein schöner und unkonventioneller Hesperidenduft! Bei über 30 Grad mein Dauerbrenner dieses Jahr.
  • Frapin Nevermore: Edgar Allan Poe & Rose, eine herrliche, düster, kühl und komplex. Zauberhaft!
  • D.S. & Durga Foxglove: Erdig-staubige Iris und samtiger Pfirsich, gebettet auf rauem Wildleder – von einer unfassbaren Strahlkraft. Hypnotisch und wunderschön.
  • Naomi Goodsir Iris Cendré: Nochmal eine Iris, und zwar eine komplexe, modern-orientalische.
  • Parfum d’Empire Tabac Tabou: Heu, Tabak(blätter), Honig, metallische Narzisse und ein Quentchen Immortelle – entsprach und entspricht genau den hohen Erwartungen, die ich an das Haus habe.
  • Humiecki & Graef Nouveau-né: Ein transparenter Honigduft, leicht und ätherisch – eine Wiese mit Blumen und blühenden Kräutern, deren Nektarsüße mir in die Nase steigt im lauen Sommerwind, von der Sonne gewärmt. Ein Traum!
  • Eau d’Italie Morn to Dusk: Eine Vanille, schlicht und einfach. Und deshalb wunder-, wunderschön!
  • LM Parfums Cicatrices: Einer der seltenen Lakritzknaller – 1000 Dank!

Beste „Mainstreamer“ 2015: Chanels Misia, ein melancholischer Lipstick-Traum mit Iris und Veilchen sowie die komplette Tuscan Soul-Kollektion von Salvatore Ferragamo.

piguetcalypso Wiederentdeckt habe ich 2015 für mich:

  • Dior Eau Sauvage: Der Klassiker durfte (wieder) einziehen. Was für ein Meisterwerk – und welch gelungene Sommerabwechslung für mich!
  • Ann Gérard Perle de Mousse & Cuir de Nacre: Gérard macht herrliche Düfte, PUNKT. Nach einem erneuten Test sind diese beiden in der Dauertestphase und kurz vor dem Einzug 😉
  • Robert Piguet, ganz allgemein; Ich habe, wie schon berichtet, für den deutschen Vertrieb der Marke die Texte geschrieben – und bin tief beeindruckt von der schönen und mutigen Entstehungsgeschichte dahinter. Davon abgesehen habe ich ein paar neue Düfte für mich entdeckt, allen voran eine weitere große Liebe (neben Bandit und Fracas) – Calypso.
  • Hélène von Rancé 1795: Auf den ersten Blick nichts Besonderes, aber ein ganz wunderbares Kleinod, dieses traumhafte kleine pudrige Blütenbouquet französischer Natur mit seiner Vanillecremigkeit und der prägnanten Iris.

Meine persönlichen Enttäuschungen:

  • Hermès Le Jardin de Monsieur Li: Ich mag die Gärten oder vielmehr die ersten beiden aus der Linie sehr. Monsieur Li ist aber einfach nur ein Langweiler und so dermaßen konturlos, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass Ellena ihn wirklich gemacht hat.
  • Dior Sauvage: Nö. Da hilft auch Johnny Depp nicht, der, by the way, auch schon bessere Zeiten gesehen hat und zudem langsam mal den Jack-Sparrow-Eyeliner in die Mottenkiste verbannen sollte.
  • Serge Lutens Section D’Or: Es ist leider nicht alles Gold, was glänzt. Die Düfte sind, versteht mich nicht falsch, von gewohnt guter Lutens-Qualität und alle ziemlich hübsch. Aber Preise zwischen 450 und 550 Euro, wohlgemerkt für 50ml – ernsthaft, Monsieur Lutens & Shiseido?

Schocker 2015: Moschino Fresh Couture. Ernsthaft, ein Duft in einem „Flakon“, der nach Billig-Glasflächenreiniger aussieht, und zwar ziemlich exakt? Das mag ich noch nicht mal testen.

Moschino-Fresh-Couture

byredoRoseOfNoMansLand

Die schönste Werbung 2015: Laurent Mazzone Malefic Tattoo & Byredo Rose Of No Man’s Land. Der Lumbersexual mit dem Hirsch auf der Brust ist einfach nur wow. Und der ebenfalls tätowierte Herr Gorham, ja, den, den würde ich auch nehmen, und zwar sofort 😉

lmmalefictattoo

Die größte Überraschung 2015, und eine äußerst positive noch dazu: Andrée Putmans Préparation Parfumée wird wieder aufgelegt. Und hat noch eine ganze Reihe anderer Düfte mit im Schlepptau, die nicht minder schön sind.

Das schönste Dufterlebnis 2015: Neben der wie immer traumhaften Esxence in Mailand – ein Besuch bei Harry Lehmann in Berlin, und das mit genauso duftverrückten Freunden (siehe hier). Noch dazu habe ich auch ein paar Lieblinge gefunden, allen voran Bahia (Mandel, Kirsche und Zimt, ein lieblicher, aber keineswegs kitschiger Gourmand, der unerwartete Leichtigkeit besitzt und einfach nur gute Laune macht!), Fantasie (florale 80er Jahre-Blüten-Opulenz) und Valeria (taubenetztes Moos, Veilchengrün und zarte Mandarine).

Hier bin ich leider raus: Collection Croisière von Pierre Guillaume. Ich mag einfach keine aquatischen Düfte (mehr). Einzige Ausnahme im Allgemeinen: Joop! Nightflight (eine alte Liebe trug ihn …) und Creeds Aventus. Und einer im speziellen, im Hinblick auf Guillaumes neue Linie – Métal Hurlant. Der ist wirklich klasse.

Dufttechnisch war 2015 ein gutes Jahr, wie ich finde. Allerdings stößt mir ein Aspekt immer wieder und immer mehr auf: Der Trend zu immer teureren Düften. Waren vor einigen Jahren Düfte, die mit 100ml über die 200 Euro-Grenze schossen, eher eine Seltenheit, scheint das heute die neue ungeschriebene Regel zu sein. 75 oder gar 50ml, irgendwo zwischen 150 und 200 Euro angesiedelt, gerne auch eher an letzterer Zahl orientiert, häufen sich, die 100ml schießen gerne auch über 300 Euro hinweg, spielend. Und überzeugen leider nicht immer mit der Qualität, der Innovation, dem Charakter und der Prägnanz, die ich bei dieser Preisklasse erwarte.

Wie seht Ihr das?

Und – der große Ball geht an Euch: 2015, dufttechnisch bei Euch? Tops und Flops? Neuzugänge? Gedanken?

Ich bin sehr gespannt, meine Lieben!

Jetzt allerdings schließe ich für heute, für dieses Jahr – und freue mich, Euch in alter und neuer Frische nächstes Jahr wieder begrüßen zu dürfen! Habt einen guten Rutsch und fühlt Euch virtuell gedrückt 😉

Alles Liebe und viele herzliche Grüße,

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

4 Kommentare

  1. Ute Schnabel
    31. Dezember 2015
    Antworten

    Liebe Ulrike,

    auch Dir ein herzliches Dankeschön für leidenschaftliche, mitreissende
    Duftbeschreibungen.

    Das mit den Preisen, die immer mehr in Dimensionen gehen, die „Otto-Normalsterblicher“ sich nicht mehr leisten kann: das stimmt.

    Und manchmal stelle ich persönlich fest, dass Düfte mit einer endless
    Liste an „Ingredienzen“ mir überhaupt nicht gefallen.

    Der Oud Trend: persönlich finde ich es inzwischen fast peinlich, dass jede Marke mindestens einen Oud Duft haben muss.

    Und mein Top Favorit 2015 – leider nicht bei ALzD erhältlich: ein feiner, leiser, eleganter Schmeichler, auch leider unerschwinglich für mich: Ramon Bèjar: Elvish Musc. Der Duft meiner Träume, meiner Sehnsucht, irgendwie angekommen nach vielen Jahren der Suche.

    Ich wünsche auch Dir einen wundervollen Jahreswechsel. In ein 2016 mit Glück, Gesundheit, Freude, duften Momenten.

    Da mich eine ganz und gar scheusslich schmerzhafte und nur mit Opiat-Stärke Dope erträglich Trigeminus Neuralgie plagt, ist nichts mit Sylvester-Party, da viele Menschen und vor allem die Knaller mich sprichwörtlich vor Schmerz explodieren lassen.

    Herzliche Grüsse von Ute

  2. Christina
    5. Januar 2016
    Antworten

    Ulrike,.. Danke für dein Resümee.

    Das mit den hohen Preisen kann ich nur unterstreichen, jedoch zieht sich das über die ganze Bandbreite hinweg durch, egal ob Nische oder Mainstream.

    Meine Hotties, die ich für mich gefunden hab sind: 1A-33 von Schwarzlose, Ciel von Amouage, Terrasse á St-Germain von Jul et Mad, Hiera von Eolie und Aqua Universalis Forte von MFK. Den letzten werd ich mir irgendwann auch noch gönnen 🙂

    Wünsch dir ein schönes 2016!

  3. Katharina Wenndorff
    5. Januar 2016
    Antworten

    Nur einen einzigen, den ich (wieder)entdeckt habe – Jo Malones „Lime Basil & Mandarin“.
    Wie fast alle Malone-Düfte riecht er für meine Nase nicht wie er laut Beschreibung riechen soll.
    Ich finde, er hat eine herrliche Bitterorangen-Note, eingebettet in eine ansonsten aquatische Umgebung.
    Ich kann ihn mir sehr gut auch an einem Mann vorstellen.
    Ohnehin besitze ich ein paar Düfte, die ich nur deshalb gekauft habe, weil ich mir den passenden Mann dazu vorgestellt habe. 😉

    Viele liebe Grüße nach Stuttgart, auch an die Sofa- und Aquarienbewohner, und ein tolles neues Jahr
    Katharina Wenndorff

  4. Ulrike Knöll
    8. Januar 2016
    Antworten

    Vielen Dank Ihr Lieben!
    Ich hoffe, Ihr seid alle gut reingerutscht, ob nun mit Party oder ganz geruhsam?!

    Ramon Béjar – kenne ich noch gar nicht, da gehe ich gleich nachher mal gucken … *neugierig* Das betrifft auch Eolie.
    Ansonsten – Jul et Mad, jaaa, da war doch was … die Terrasse ist toll!
    Und Jo Malone, ich glaube, ich muss sie mir auch mal wieder ansehen. Seit es die Düfte nicht mehr beim Breuninger in Stuttgart gibt und sie zum Douglas dort abgewandert sind, komme ich dort irgendwie nicht mehr vorbei, weil es nicht auf meiner üblichen Stadt-Marschroute liegt.

    Ganz viele liebe Grüße, selbstredend auch an die lieben Haustierchen 🙂

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