… ist ein Haus, das mich schon von Anfang meiner Nischenduftleidenschaft an begleitet. Warum? Weil Piguets Bandit mein dritter Nischenduft war. Begonnen hat alles mit Mariela, die ja auch einige Zeit für uns geschrieben hat – Ihr erinnert Euch? Eines Tages duftete sie so wahnsinnig gut … Sie duftet(e) immer gut, aber an diesem Tag war es augenfällig – es war Houbigants Quelques Fleurs, den ich umgehend haben musste. Mitgenommen habe ich damals natürlich auch noch Brosseaus Ombre Rose, damit sich der Weg lohnt, klar. Und dann waren da noch die Teststreifen, die ich mitgenommen hatte – zwei Düfte, die ich unbedingt, unbedingt haben musste – der eine davon war Piguets Bandit. Der andere, eine längere Suche, weil ich mir den Namen nicht gemerkt hatte, Carons Coup de Fouet, einer der Urnendüfte, mittlerweile leider discontinued. Selbstredend habe ich noch genügend Vorräte, genauso wie von Tabac Blond, den das gleiche Schicksal ereilte. Geebnet war der Weg in die Nische – und fortan auch der in die olfaktorischen Abgründe: Rauch, Leder, Hölzer, Harze – damals wie heute eine große Leidenschaft von mir. Nur darf es heute mitunter auch zarter und zahmer sein. Darüber hinaus habe ich mit Madame Chanel gebrochen – „Eine Frau muss nicht riechen wie eine Blume“ – und trage durchaus auch Florales mit Freuden. Unter anderem natürlich Tuberosendüfte, auch wenn ich lange gebraucht habe, um diese schätzen zu lernen – daran war, der geneigte Leser wird es wissen, Serge Lutens schuld, der in einem Interview diesen männerfressenden Weißblüher mit den Gedichten von Charles Baudelaire in Verbindung brachte.
Nun – als vor einiger Zeit der Deutschlandvertrieb von Piguet an mich herantrat mit der Frage, ob ich nicht Texte für die Marke verfassen könnte, habe ich eingewilligt, mit Freuden. Denn Piguet hat für mich aus genannten Gründen einen Stein im Brett, ganz abgesehen davon, dass ich Piguets Bandit und Fracas liebe, liebe, liebe … Als ich begonnen habe, mich näher mit der Kollektion und der Historie zu beschäftigen, hat sich meine Leidenschaft für das Haus noch verfestigt und vertieft: Einerseits, weil ich einige neue Duftlieben für ich entdecken konnte. Und andererseits, weil ich einiges für mich Neues lernen konnte, was die Geschichte des Hauses angeht, Spannendes.
Davon möchte ich Euch heute erzählen, denn den heutigen Tag widme ich den Hintergründen des Hauses Robert Piguet.
Robert Piguet, eigentlich Paul Jean Robert Piguet, wurde als jüngster Spross einer Schweizer Bankiersfamilie am 6. Mai 1898 geboren. Schon früh zeigte sich sein Eigensinn: Seine Eltern hatten für ihn eine Laufbahn als Banker vorgesehen, was dem jungen Mann so gar nicht behagen wollte, denn er wollte Kleider schneidern – und nichts anderes. Dem Ruf der Mode folgte er demnach sehr zur Entrüstung seiner Eltern bereits als Neunzehnjähriger nach Paris – beseelt von dem festen Vorsatz, sich dort einen Namen zu machen, berühmt zu werden. Nun – Jugendträume werden zwar leidenschaftlich gehegt und brennen einem auf der Seele, lassen sich aber nicht immer umsetzen, schon gar nicht sofort, wie es sich der junge Mann vorstellte. Seine Zeichnungen wurden bei Lanvin abgelehnt und ein erster Versuch der Selbstständigkeit scheiterte, obgleich ihm seine Familie, zumindest sein Bruder wohl etwas unter die Arme gegriffen haben soll. So rettete sich Piguet zuallererst unter die Fittiche von Paul Poiret. Dessen Name ist uns heute nicht mehr geläufig, allerdings war er damals ein ganz Großer – und nicht zuletzt Schüler des berühmten Charles Worth, dem eigentlichen „Erfinder“ der Haute Couture.
Wie die Modebegeisterten von Euch wissen – Haute Couture ist ein geschützter Begriff. Wiki fasst es ziemlich gut erklärend zusammen:
„Als Haute Couture(französisch für „gehobene Schneiderei“) werden – im Gegensatz zur spätestens in den 1950er Jahren etablierten Prêt-à-porter-Mode – die aus luxuriösen Materialien in Handarbeit individuell maßgeschneiderten Mode-Kreationen renommierter Modehäuser im obersten Preissegment bezeichnet.
Im engeren Sinne ist damit die Damenmode der wenigen Modehäuser gemeint, die vom Pariser Modeverband Chambre Syndicale de la Haute Couture unter Einhaltung bestimmter Kriterien offiziell berechtigt wurden, ihre aufwendigen Kreationen als Haute Couture zu bezeichnen. Der Begriff Haute Couture ist in Frankreich geschützt. Im weiteren Sinne wird damit jede Art von gehobener Schneiderkunst bezeichnet. Das italienische Pendant zur französischen Haute Couture ist die in Rom beheimatete Alta Moda (dt. „hohe Mode“). Für die gehobene Herren-Maßschneiderei (engl. „fine tailoring“) ist die Londoner Savile Row international bekannt. […]
Der Begriff Haute Couture ist in Frankreich juristisch geschützt. Jede Saison müssen sich die Modehäuser erneut um eine Vollmitgliedschaft bei der Chambre Syndicale de la Haute Couture bewerben, womit das Recht einhergeht, den Begriff ‚Haute Couture‘ für die eigenen Kreationen zu führen, das eigene Unternehmen ‚Maison de Couture‘ und den Modeschöpfer ‚Grand Couturier‘ zu nennen. Andere Hersteller dürfen ihre Mode nicht als Haute Couture bezeichnen. Nichtmitglieder können nur auf Empfehlung von Mitgliedern aufgenommen werden. Seit 1945 gelten hierfür strenge Kriterien für die Modehäuser (1997 etwas gelockert): die jeweiligen Unternehmen müssen ein Maß-Atelier mit mindestens 15 (ehemals 25) Vollzeit-Angestellten betreiben, den Hauptsitz des Unternehmens in Paris führen und mindestens 35 (ehemals 50) verschiedene, von Hand gearbeitete, von einem Modeschöpfer kreierte Modelle für Tages- und Abendmode, welche alle Unikate sind, während der saisonalen Haute-Couture-Modenschauen in Paris der Presse präsentieren. Diese Voraussetzungen werden jede Saison neu überprüft.Allerdings kann die Chambre bei Nichterfüllung eines Kriteriums auch Ausnahmen genehmigen. Nicht alle Unternehmen, welche die genannten Kriterien ohne Schwierigkeiten erfüllen könnten (bspw. Louis Vuitton oder Hermès), betreiben eine eigene Haute-Couture-Sparte. Auch kam es ab den 2000er Jahren verstärkt vor, dass anerkannte Haute-Couture-Häuser, zumeist aus Kostengründen, an den Haute-Couture-Schauen nicht teilnahmen (bspw. Balmain, Scherrer), lediglich Prêt-à-porter-Mode zeigten (bspw. Ungaro ab 2004) bzw. einige Saisons aussetzten (bspw. Givenchy, Lacroix).“
Charles Worth also war der Begründer der Haute Couture – er ließ seine extrem teuren Modelle erstmalig von Models vorführen, verkaufte vor allem an Adelshäuser (nicht weiter verwunderlich, sein Modehaus wurde Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet). Paul Poiret, sein Schüler, war wiederum Lehrer von Robert Piguet – die beiden blieben lebenslang enge Freunde. Nachdem Piguet einige Zeit bei Poiret verbrachte, wechselte er zu Redfern&Sons, einem britischen Modehaus, das in den Zwanzigern eine Dependance in Paris eröffnete.
Danach war es Zeit für einen zweiten Versuch: Ein eigener Modesalon musste her, der ursprüngliche Traum von Piguet. Der zweite Anlauf glückte, und zwar mit der Hilfe des Bruders, einem Anwalt, der für Piguet die Zahlen meisterte – 1933 eröffnete Piguet in der Pariser Rue du Cirque sein eigenes Geschäft, um nur einige Jahre später, 1938, an den Rond-Point der Avenue Champs Élysées zu ziehen, welchen er bis 1951 führte, um ihn dann aus gesundheitlichen Gründen zu schließen. Zwei Jahre später verstarb Piguet.
In den knapp zwei Jahrzehnten seines eigenständigen Wirkens avancierte er zu einem der führenden Couturiers seiner Zeit. Sein Modehaus wurde zum Anziehungspunkt der Pariser Elite – es verkehrten dort nicht nur die Reichen und Schönen, sondern auch die Größen des Theaters und der Kunst wie beispielsweise Jean Cocteau, Jean Marais, Colette, Sacha Guitry, Édith Piaf oder Jean Marais, die Piguet allesamt für seinen Stil verehrten. Der Couturier, selbst begeisterter Literatur- und Kunstkenner, war mit zahlreichen von ihnen gut befreundet und entwarf für sie etliche Kostüme für Inszenierungen und Bühnenauftritte. Seine Werke, Piguets Mode, sah sich geprägt durch ihre Extravaganz und gleichzeitige Schlichtheit. Darüber hinaus war er bekannt für den perfekten Schnitt seiner aus dünnem, grauem Flanell geschaffenen Anzüge.
Piguets Erbe ist – sein Stil. Seine Eleganz, der Luxus der Simplizität, gepaart mit Extravaganz und erlesener Opulenz. Dieser Stil lebt weiter – mit den Labels seiner Schüler. Und in den Düften, die Piguet schuf. Zu seinen Schülern zählen Modedesigner, deren Häuser heute noch mitmischen in der Haute Couture, die heute noch zum Erlesensten gehören, was man in der Mode so finden kann – zu nennen sind hier vor allem Hubert de Givenchy, Pierre Balmain sowie Christian Dior, der seinen Durchbruch im Jahre 1938 bei Piguet hatte, der ihm gleich drei Kollektionen anvertraute. Dior verdankt Piguet alles, wie er selbst sagte: „Robert Piguet taught me the virtues of simplicity through which true elegance must come.“ Auch Marc Bohan, jahrelang für Dior tätig, lernte bei Piguet.
Selbst wenn einem Piguet als Modelabel nicht mehr geläufig ist – wer von uns kennt sie nicht, seine Schüler? Ich beispielsweise liebe meine Pandora Bag von Givenchy, träume schon seit langem von einem Shopper mit dem mal mehr, mal weniger verpixelten Rottweiler drauf. Balmain hat gerade mit seiner Kollektion bei H&M abgeräumt und Dior, ja Dior ist wohl jedem von uns ein Begriff.
Und dann sind da noch die Düfte, die Piguet als Person überlebt haben. Bandit und Fracas, die ich vorhin schon genannt habe, sind ohne Zweifel absolute Klassiker. Schaut man sich die Entstehungsgeschichte etwas näher an, vor allem aber die Parfumeurin, dann gewinnt die Marke um eine ganz andere Dimension, die ich Euch morgen näher bringen möchte.
Bis dahin, meine Lieben, wünsche ich Euch eine gute Zeit und sende Euch viele liebe Grüße,
Eure Ulrike.
Hallo Uli,
herzlichen Glückwunsch! Nicht nur Chefanfixerin, nein, jetzt auch Chefphilosophin für ein sehr interessantes Dufthaus!
Ich wünsche Dir viel Erfolg auf dieser nächsten Stufe der Karriereleiter!
Liebe Grüße,
Margot