ALTAIA – ich musste bei dem Namen zuerst an das Altai-Gebirge denken, aber das war eine ganz falsche Fährte. ALTAIA ist ein Akronym und bedeutet A Long Time Ago In Argentina. Jetzt wollen wir aber wissen: Was geschah denn vor langer Zeit in Argentinien? Nun, alles, was in der Vergangenheit geschehen ist, hat auch Auswirkungen auf die spätere Zeit. Aber lest selbst:
Im 19. Jahrhundert kreuzten sich in den Weiten Argentiniens die Wege zweier sehr unterschiedlicher Familien. Ihre Begegnung trug maßgeblich dazu bei, Argentinien in eine moderne Zukunft zu führen. General Bartolomé Mitre [Bild links], ein Staatsmann und Intellektueller, wurde im Jahr 1862 der erste Präsident des vereinigten Argentiniens. Einer seiner ersten Beschlüsse öffnete das Land für ausländische Investoren mit dem Ziel, eine Bahnstrecke zu bauen, die das Binnenland mit der Hauptstadt verbinden sollte, um somit das Land weiter zu vereinen. Charles und Walter Morrison, deren Vater James Morrison [Bild rechts], ursprünglich aus einfachen Verhältnissen kommend, zu einem der herausragendsten Unternehmer des Viktorianischen Englands wurde, sahen eine gute Gelegenheit, in Argentinien zu investieren. So investierten sie also einen Teil des Vermögens ihres Vaters in die Bahnstrecke sowie weiterer Unternehmungen, um das junge Land bei seiner Entwicklung und bei seinem Weg in die Industrialisierung zu unterstützen.
140 Jahre später trafen sich zwei ihrer Nachkommen und verliebten sich ineinander. Dies ist die Geschichte von ALTAIA.
Diese beiden Nachkommen heißen Marina Sersale, sie ist die Ururenkelin von James Morrison, und Sebastián Alvarez Murena, der Ururenkel von Bartolomé Mitre. Eingefleischten Duftliebhabern werden die Namen mehr als bekannt vorkommen. In der Tat handelt es sich um die beiden, die auch hinter der Linie Eau d’Italie und dem Le Sirenuse in Positano stecken. Da Eau d’Italie immer auf ganz hohem Niveau arbeiten, darf man sehr gespannt sein, was sie sich Feines ausgedacht haben. Also rasch unter die Nase!
By Any Other Name
Die Inspiration zu „By Any Other Name“ entstammt einer wahren Geschichte. Marinas Mutter war ein sehr schönes Mädchen und so kam es, dass ihr, während sie durch den Tudor-Rosengarten von Sudeley Castle spazierte, der erste Heiratsantrag gemacht wurde. Ihre Mutter gab ihr den Rat, den Antrag abzulehnen. Sie folgte diesem Rat. Dennoch hat sie diesen schönen und außergewöhnlichen Moment ihres Lebens niemals vergessen.
Das sieht man einmal, wie gehorsam die Jugend von damals war. 😉 Bei der Namensgebung musste ich mir ein bisschen Englischnachhilfe von unserem Muttersprachler Shane geben lassen. „Durch keinen anderen Namen“ ergab für mich keinen Sinn. Wenn man aber in die Welt Shakespeares und insbesondere Romeo und Julias abtaucht, ist das bekannte Zitat gemeint: „A rose by any other name would smell as sweet.“ Dies bedeutet, dass, egal wie man eine Sache nennt, sie immer das bleibt, was sie ist, dass der Name ihre Eigenschaft nicht berührt. Würde man eine Rose etwa „Stinkmorchel“ nennen, würde sie unverändert gut riechen. 🙂 Von unangenehmen Gerüchen sind wir hier aber natürlich meilenweit entfernt.
Ein Rosenduft ist „By Any Other Name“, aber ein ganz besonderer, da er ganz leicht und ätherisch daherkommt. Ein fruchtiger Auftakt mit Litschi nimmt der Kreation jegliche Ernsthaftigkeit – die Rose, eingebettet in Pfingstrose und Osmanthus, erhält so einen ganz jugendlichen und frühlingshaften Charakter. Osmanthus setzt die Fruchtigkeit des Auftakts mit seinem Pfirsichduft fort und Moschus unterstreicht nochmals zum einen die Fluffigkeit, zum anderen aber auch die Eleganz der Komposition. In der Tat mag man sich eine Julia vorstellen, blutjung, frisch verliebt, von Verehrern umschwärmt …
Einfach für das nächste Frühjahr notieren, denn auch das kommt gewiss. Ein toller, romantisch-verspielter Rosenduft, für junge Mädchen und verliebte Seelen.
Kopfnote: Bergamotte, Litschi
Herznote: Rose, Pfingstrose, Osmanthus
Basisnote: Zedernholz, Moschus
Don’t Cry For Me
Schon sehr früh verließ Sebastián sein Zuhause in Argentinien und lebt nun schon viele Jahre in Rom. Dennoch sind die Erinnerungen an sein geliebtes Buenos Aires wie ein sehnsüchtiges Flüstern – ebenso wie die wehmutsvolle Melodie eines Tangos.
„Don’t Cry For Me“ … Argentina … ergänzt mein Hirn ganz automatisch, und da ich zwar alt, aber nicht so alt bin, habe ich Madonnas Interpretation des Evita-Stücks von 1996 im Kopf. Große Gefühle, Sehnsucht, wie passend, wenn man wehmütig an seine alte Heimat denkt, die in der Ferne liegt und – so wie sie war – ohnehin nur noch in der Erinnerung existiert.
Madonna Don’t Cry For Me Argentina von madonnaofficial
Hier blüht es aber ganz anders als noch bei unserem Rosenduft. Hier haben wir Freesien, Kirschblüten, Heliotrop, dazu Jasminteenoten und eine weiche balsamische Unterlage aus Kaschmirholz und Ambrettesamen sowie Ambra. Lässt man sich auf das Sehnsuchtsmotiv ein, so sehe ich hier die blühenden Landschaften, das Idealisierte der Erinnerung, ein Paradies, zu dem die Sehnsucht die verlorene Heimat erst macht. Ein überaus kräftiger Blütenduft, der aber ohne die große Wucht der Weißblüher auskommt, mit grünen, krautigen und frischen Facetten. Für Blütenfans ein Muss – nicht weinen, testen! 🙂
Kopfnote: Jasmintee, Freesie, Kirschblüte
Herznote: Heliotrop, Ambra
Basisnote: Kaschmirholz, Ambrettesamen
Yu S?n
Marina und Sebastián trafen sich das erste Mal in Süditalien, wo nahe des Mittelmeers Orangenhaine gedeihen und die warme Luft den Sommer verheißt. Die Inspiration für den Namen „Yu S?n“ entstammt einem alten chinesischen Gedicht. „Yu S?n“ feiert ihre Liebe, 140 Jahre nachdem sich ihre Familien in Argentinien das erste Mal über den Weg liefen.
Schade, dass uns die beiden im Pressetext nicht verraten, um welches Gedicht es sich handelt. Vielleicht haben wir Sinologen unter unseren Lesern, die etwas dazu wissen? Leider kenne ich mich bis auf ein paar Japaner überhaupt nicht mit asiatischer Literatur aus.
Jedenfalls begegnet uns sofort im Auftakt eine wunderbare Mandarine mit saftigen sowie grünen Noten. Herber Grüner Tee unterstreicht diesen Eindruck nochmals. Dann kommt eine warm leuchtende Orangenblüte zum Vorschein, die von Iris Verstärkung erhält. Würzige Ambra und feine Guajakholztöne runden den Duft dezent ab und erhalten im Verlauf mehr und mehr Raum. Sicher der wandlungsstärkste Duft des Trios und wohl auch derjenige, der am ehesten in Richtung unisex tendiert.
Kopfnote: Mandarine, Grüntee
Herznote: Orangenblüte, Iris
Basisnote: Ambra, Guajakholz
„By Any Other Name“, „Don’t Cry For Me“, „Yu S?n“ von ALTAIA – man könnte sagen, dass es sich bei allen dreien um Blütendüfte handelt, alle aber eine ganz eigene Seite dieses Themas zeigen. Die ersten beiden sehe ich eher an einer Dame, der dritte, mein Favorit, legt meiner Wahrnehmung nach den spannendsten Duftverlauf hin und bekommt deswegen noch ein Extralob. Alle drei bewegen sich auf gewohnt hohem Niveau, zeigen neue Facetten, ohne aber allzu avantgardistisch zu werden.
Habt Ihr sie schon getestet?
Liebe Grüße
Harmen
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