Zwei spannende neue Düfte stehen heute bei mir auf dem Programm: der erste wäre Penhaligon’s „Bayolea“, der zweite „Study #17“ von Miller et Bertaux.
Bayolea – Modernes aus dem Barbershop
Als kleine Einstimmung zu „Bayolea“ bekommt Ihr erst einmal das Video zum Duft zu sehen:
Angekündigt wird „Bayolea“ als Barbershop-Duft, eine Kernkompetenz von Penhaligon’s, denn bereits 1870 wurde der eigene Herrensalon in der Londoner Jermyn Street eröffnet. So kamen bis heute ein paar Jährchen Erfahrung zusammen, keine Frage. In den Archiven fand man eine alte Rezeptur für einen „Bay Rum“-Duft. „Bay Rum“ bezeichnete ein Cologne bzw. eine Aftershave-Lotion, die auch als Deodorant oder Duftbestandteil von Rasierseifen verwendet wurde. Ursprünglich wurde es auf Saint Thomas in der Karibik hergestellt und bestand aus Rum, den Blättern und/oder Beeren des Westindischen Lorbeers, auch bekannt als Bay oder Bayrumbaum (Pimenta racemosa), und anderen Zutaten wie Zitrus- oder Gewürzöle, Limettenöl, Gewürznelke und Zimt. Der originale „Bay Rum“-Duft von A.H. Riise wird auch heute noch hergestellt, siehe hier.
Nun wollten Penhaligon’s keinen Duft aus dem 19. Jahrhundert neu auflegen, sondern eine renovierte Variante. Ich kenne leider nicht das Bay-Rum-Original, aber „Bayolea“ schafft meiner Meinung nach durchaus gekonnt den Spagat zwischen klassischem Barbershop-Duft und einem modernen Herrenduft. Schon zu Beginn sorgen Zitronengras und Mandarine für einen frischen cologneartigen Start. Außerdem zeigen sich würzige bis gewürzige Noten: heller, frischer Kardamom, etwas Schwarzer Pfeffer sowie ein Hauch Lavendel. In der Basis kehrte man dem Bay Rum den Rücken und schlug eine andere Richtung ein: Zedernholz, Sandelholz und Moschus sorgen für einen holzigen, aber auch deutlich seifigen Ton.
Die Duftkomposition
Kopfnote: Zitronengras, Mandarine
Herznote: Kardamom, Schwarzer Pfeffer, Neroli, Lavendel
Basisnote: Zedernholz, Sandelholz, Moschus, Moos, Patchouli, Ambra
Penhaligon’s „Bayolea“ ist für mich ein waschechter Barbershop-Duft, der aber modern ist, weil er einfach gehalten wurde – oder wie Penhaligon’s es ausdrücken: „ein herrlich frischer Duft ohne Firlefanz […], der eine elegante Männlichkeit ausstrahlt.“ Ein feiner Duft aus dem Herrensalon mit moderner Geradlinigkeit. Fünf von fünf goldenen Bartscheren!
Study # 17 – Meditationen in Grün-Dur
Miller et Bertaux veröffentlichten vor Kurzem erst ihren zehnten Duft „Study #17“. „Mit diesem Parfum erkunden Francis Miller und Patrick Bertaux ein spezielles Duftgebiet; Diskretion, das „gerade Gesagte“, Anwesenheit und Abwesenheit“, verkündet der Produkttext. Ich habe den Verdacht, dass die oftmals sehr poetisch bis philosophisch ausfallenden Texte, der Übersetzung über mehrere Sprachen hinweg geschuldet sind, ohne das kreative Verdienst der beiden schmälern zu wollen.
Study # 17, das Parfum der Einfachheit.
Study # 17, das Parfum des „Fast-Nichts“.
Study # 17, zero, rien. Nichts … fast nichts.
Und weiter: „Study # 17 ist der Titel eines von Francis Miller und Patrick Bertaux komponierten Gedichts: In diesem Gedicht, das wie ein Sonett komponiert wurde, beschwören sie die Jahreszeiten, ein halb geöffnetes Fenster, den Wind, die Kühle des Regens, Blätter, ein paar Stengel … Die Abstraktion des Nichts, des ‚Fast-Nichts‘.“
Kopfnote: Bergamotte, Zitrone, Estragon, Minze, Grüne Noten
Herznote: Schwarze Johannisbeere, Geranium, Jasmin, Rhabarber
Basisnote: Moos, Patchouli, Flechte
Entstanden ist ein transparenter, grüner Duft, „Fast-Nichts“ wäre aber eine maßlose Untertreibung, der mit frischen zitrischen Andeutungen, grünen Noten zu säuerlich-fruchtigen Noten von Schwarzer Johannisbeere und Rhabarber überleitet. Der florale Ton von Jasmin erzeugt einen leicht aquatisch wirkenden Effekt auf einem weichen Untergrund. Man muss in der Tat an Gras, Stengel und an das Grün der Natur denken, alles ein wenig verträumt und entrückt, in Watte gepackt – eine grüne Meditation. All dies in der gewohnt minimalistischen Duftsprache von Miller et Bertaux. Mit „Study # 17“ wurde sicherlich nicht das Rad der grünen Düfte neu erfunden, aber ein stimmungsvoller und gerade durch die Johannisbeer- und Rhabarbernoten interessanter Duft.
Mein Fazit: Wem der eine oder andere klassische Barbershop-Herrenduft etwas zu altehrwürdig erscheint, sollte es einmal mit der modernen Interpretation „Bayolea“ versuchen. Freunde grüner, kontemplativer Düfte dürfte „Study # 17“ sicher gut gefallen.
Es war mir wieder eine Ehre, liebe Grüße
Harmen
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