Ihr erinnert Euch vielleicht noch an meinen letzten Pressespiegel Ende Januar. Dort habe ich von VWs Benzin-Parfüm „Mémoire de Pétrole“ berichtet. Versprechen soll man ja halten, deswegen kommen heute ein paar weitere Infos dazu, da ich nämlich mittlerweile ein Probenset erhalten habe. Zur Erinnerung:
Ich habe es ja für einen Gag gehalten und wahrscheinlich ist es auch einer: VW feiert seine E-Autos und veröffentlicht als Abschied vom alten Treibstoff das Benzin-Parfüm „Mémoire de Pétrole“, das angeblich wirklich nach Benzin duften soll. Ich als Fan der entsprechenden Düfte von Comme des Garçons bin gespannt und habe mir ganz optimistisch eine der limitierten Proben bestellt. Falls ich sie bekomme, berichte ich hier natürlich wieder. Übrigens, das Parfüm entstand in Zusammenarbeit mit Frau Tonis Parfum Berlin, über die Evelyn in Beauty Mekka am Montag berichtete.
Ein Benzinparfum als Abschied vom fossilen Treibstoff und als Begrüßung strombetriebener Autos – eine tolle Idee! Soweit ich das recherchieren konnte, will VW dieses Parfum nicht wirklich auf den Markt bringen, das heißt wiederum für mich: man hätte hier ohne Rücksicht auf spätere Verkaufsinteressen richtig einen raushauen können. Ich möchte nur daran erinnern, dass dies auch geht, man denke nur an die bereits erwähnte Series 6: Synthetic von Comme des Garçons („Garage“, „Skai“ und „Tar“), die allesamt mehr oder weniger direkt als Autodüfte durchgehen würden. Oder aber an andere Konzeptdüfte, wie den berüchtigten „Revolution“ von Lisa Kirk/Ulrich Lang oder „Sécrétions Magnifique“ von État Libre d’Orange, bei dem das Wort „Treibstoff“ noch eine ganz andere Bedeutung erhält, hihi.
Auf dieser Seite von Frau Tonis erfahren wir Folgendes:
Mit einem Hauch von Benzin fing alles an: Das Auto und der Geruch von Benzin sind untrennbar miteinander verbunden. Und moderne Elektroautos? Riechen die nach nichts?
Die Marke Volkswagen Pkw hat sich darüber Gedanken gemacht und ein Parfum bei der Berliner Duftmanufaktur Frau Tonis Parfum in Auftrag gegeben, das nicht nur diese Erinnerungen wecken sondern auch olfaktorisch in die Zukunft weisen soll. Das Ergebnis klingt wunderbar poetisch: „Mémoire de Pétrole“. In der Kopfnote duftet das Eau de Parfum nach einem Hauch von Benzin, dann entwickeln sich grüne Veilchennoten, Iris, Pfeffer und Leder. Der Duft ist jung und kreativ – genau wie die Generation Elektromobil. Mémoire de Pétrole kann kostenfrei und ausschließlich online unter www.derduft.volkswagen.de bestellt werden.
Ich kann es ja ganz offen sagen, ich war zuerst enttäuscht. Mir kam ein pudriger Veilchenduft entgegen, bei dem ich eher an die Zeit der Vierspänner, gepuderten Perücken und Küss-die-Hand als an die Benzinära denken musste. Benzin als Duftnote? Nein, definitiv nicht. Auf der Haut gewinnt der Duft ungemein. Hier zeigt er sich unisextauglicher, geradliniger, weniger floral mit einer pfeffrigen Würzigkeit und einem stark im Hintergrund bleibenden Leder. Die etwas diffus wirkende Mischung erinnert tatsächlich entfernt an eine synthetische, etwas scharfe Note, die Basisnote bleibt pudrig mit einem grünen Rest.
Meiner Meinung nach hätte man diesen Meilenstein der Automobilbranche ein wenig mutiger feiern können. Immerhin fuhr schon Carl Benz’ 1885 erbauter Patent-Motorwagen Nummer 1 (s. o.) mit Benzin. Was erwartet uns beim Autofahren? Es wird sicher keinen harten Schnitt geben, es werden die Benziner und Diesel nicht von einem Tag auf den anderen verschwinden, dafür sind die E-Autos bislang noch zu teuer und zu unpraktisch. Aber der Tag wird sicher kommen, an dem die Mehrheit mit Elektroautos oder auch Wasserstoffautos unterwegs sein wird. Diese etwas sauberere Zukunft sehe ich in „Memoire de Pétrole“ nicht, auch kein Pétrole, eigentlich nur Memoire, da die Kreation zweifelsohne ein wenig nostalgisch-pudrig-veilchenartig daherkommt. Schaut man sich die Duftlinien anderer Autohersteller an, die (sicher in Lizenz) auf den Markt kommen, ist das hier Jammern auf hohem Niveau. Ich bemängele nicht die Qualität des Dufts, sondern mosere nur ein wenig am Konzept herum. 🙂
Man soll ja nicht motzen, wenn man selbst keine besseren Vorschläge hat. Jeder, der heute über 30 ist, dürfte sich an bestimmte Kindertage zurückerinnern, an Autos, die auch im Innenraum ein bisschen nach Benzin rochen, an lange Autofahrten im Hochsommer, an dünstende Plastikarmaturen, glühend heiße Ledersitze, Abgasgeruch im Stau, Stopps an der Tankstelle, bei denen die Benzindämpfe durch die geöffneten Fenster hereinströmten. Ich denke, man hätte sich hier durchaus an einen mutigen, profilierten und auch futuristischen Duft heranwagen können, der nicht ganz so weit in die Vergangenheit zurückverweist und ein bisschen mehr nach vorne schaut – oder ein bisschen weniger „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ und mehr „Zurück in die Zukunft“. 🙂
Entfernt man den ganzen Autokontext, bleibt ein interessanter Duft auf dem gewohnt hohen Nischenduftniveau, der definitiv seine Fans findet. Mir persönlich sind entschlossenere Düfte lieber.
Hier kann man eine Duftprobe bestellen. Viel Glück und lasst mich wissen, was Ihr von „Memoire de Pétrole“ haltet.
Liebe Grüße
Harmen
PS: 😉
Hallo Harmen,
Danke, dass Du uns darüber berichtest.
„Die Kunst ist frei“ – aber dieses Experiment empfinde ich persönlich
als eine Marketing-Ohrfeige und bin irritiert, dass sich Frau Tonis zur
Kreation bereit erklärt hat.
Brauchen wir olfaktorische Erinnerungen an Benzin?
Unsere Erde würde sich freuen, auf die unguten „Ausdünstungen, outputs“ verzichten zu können.
Toll finde ich Piccard und sein Flugzeug mit Solarenergie – wie wärs mit einem
Duft, der „nach blauem Himmel, Freiheit und Sonnenschein duftet“?
Sonnengrüsse von Ute
Hallo Harmen,
bei Deiner Recherche in Bezug auf Benzin- bzw. Konzeptdüfte darf ich Dir hier noch einen passenden ans Herz legen: Petroleum aus der „Edition Rare“ von HdP.
Viel Spaß dabei und LG,
Margot
PS: Du weißt, ich liiiiiiebe Revolution von Kirk/Lang (nicht unbedingt zum Tragen aber auf jeden Fall zum immer wieder mal dran riechen). Und hier noch ein weiterer „meiner“ Konzeptdüfte: Byredo – M/Mink
@Ute: Was meinst Du mit Marketing-Ohrfeige? Ich finde die Idee nicht schlecht, dem Benzin auf Wiedersehen zu sagen. Außerdem sollte Frau Tonis’ Konzept ja auch den Blick auf das E-Auto wenden – muss man fairerweise dazusagen. 🙂
@Margot: Vielen Dank für den Hinweis, Uli erwähnte auch noch einen passenden Duft von Maria Candida Gentile, da muss ich sie aber nochmal fragen.
Hallo Harmen,
Autos, Benzin und Duft: passt das wirklich zusammen?
Benzingeruch nachzutrauern – halte ich für extrem übertrieben.
Es wäre wünschenswert, die Auto-Industrie böte schon
seit längerem bezahlbare Autos mit ressourcen-schonendem
und umweltverträglichem Antrieb an.
Aber jedem das seine – wem’s gefällt. Liebe Grüsse, Ute