… ein Großprojekt zu werden: Vor Weihnachten ist sie bei uns im Shop gelandet und dank der vielen Neulancierungen von mir erst einmal ein bisschen „auf Halde“ gelegt worden, sprich – in meine große Schublade der noch zu bearbeitenden, noch zu vertiefenden Düfte. Acht sind es an der Zahl, mit denen die Italienerin gestartet ist. Und die wollen wir uns dieser Tage näher ansehen.
„Green, Fragrances, & More.“ lautet der Slogan – und lässt schon darauf schließen, dass Anna Paghera weit mehr als nur Düfte macht. Der Name alleine schon sagt einiges aus – Tannenholz heißt es wohl aus dem alten Italienisch übersetzt. Der grüne Daumen ist bei den Pagheras wohl Familienerbe: Gartengestaltung, Landschafts- und Möbeldesign, Inneneinrichtung und Düfte sind ihre Betätigungsfelder. Bereits Ende der 70er stieg Anna Paghera in die von ihrem Bruder Gianfranco gegründete Firma ein – und konnte so beträchtliche Erfolge feiern. Zumeist gestaltet sie Gärten, für renommierte Hotels, Unternehmen und selbstredend auch zahlungskräftige Privatpersonen. Die Referenzen auf ihrer Webseite lesen sich beeindruckend: Bulgari, Aldo Coppola, Vogue/Condé Nast, Lapo Elkann (der exzentrische Fiat-Erbe), Ferré, Simone Micheli und viele mehr.
Eine interessante Geschichte, ein interessanter Zugang zu der Welt der Düfte – einmal von einer ganz anderen Seite her, wie ich finde. Anna Paghera erzählt dazu Folgendes:
“A way to fixate in the memory its essence, to recognise it amongst a thousand with eyes shut: perfume, flavour, bark texture, leaves and petals. An olfactory vocabulary formed on the teaching of a great school: nature. At my full disposal I had hectares of land cultivated with all sorts of plants and shrubs. I could assist to any of their vegetating cycles, recognise their winter bark as well as spring sprouts and then their evolution into leaves, flowers and fruit. A life cycle that translated into scents and different perfumes depending on the season. Olfactory memory is where I drew out of to give life to a line of ambience perfumes inspired by what I have lived, breathed, learnt ever since I was a child. Exclusive collections of perfumes formulated as potions to improve the mood and positively influence, with a single gesture, the ambience and the emotional and olfactory spheres of the self. Each fragrance tells a story”.
Ich bin gespannt, wie sich Pagheras Erfahrungshorizont und ihre Arbeit auf ihre Düfte auswirkt – sehen wir uns diese doch jetzt endlich genauer an!
„Ein energiespendender Zaubertrank, um den täglichen Stress zu bewältigen. Orangenschale, Zimt, Nelken blanchiert auf heißer Glut und verschönert mit einem Hauch von orientalischen Gewürzen. Erinnert an zeitlose Gesten und Düfte.
Rezept: Sieben Pfund blanchierte Orangenschale, eine Unze Nelken, ein wenig Benzoeharz, eine Handvoll Estragonblätter, eine Prise Moos, eine Prise Zimt, eine Unze alter Weisheit und eine gesunde Portion Egoismus.“
Arancio di Tangeri ist eine gar seltsame und denkwürdige Mischung aus einem Hesperidenduft und einem Orientalen. Los geht es mit einer frischen, saftigen und erfrischenden Orange, welche sich allerdings sofort in ihrer sportlich-dynamischen Ausprägung durch die Gewürze „ausgebremst“ sieht. Samtiger Nelkenpfeffer und süß-kokette Zimtschärfe schaffen orientalische Anklänge, die für mich einen fast weihnachtlichen Anstrich haben – das liegt aber eindeutig daran, dass ich zur kalten Jahreszeit jene mit Nelken gespickten Mandarinen und Orangen liebe und sie öfters mal gedanklich mit der Weihnachtszeit assoziiere. Deshalb vermag ich das „Ritual“, das Paghera zu jedem ihrer Düfte zum Besten gibt, nicht wirklich nachzuvollziehen:
„Sprühen Sie den Duft in die Luft, während Sie immer wieder und aus tiefstem Herzen wiederholen „Nimm es leicht – Amen“.“
1. Ich bin nicht gläubig, insofern gibt es von mir vermutlich nie ein „Amen“ als Satzende. Und 2. weckt Arancio di Tangeri in mir eher die Lust nach Sofa: „Leg Dich hin, kuschel Dich ein, schnapp Dir ein gutes Buch und eine Tasse Tee und lass die Welt Welt sein“ – das wäre die Aufforderung, die der Duft mir einflüstert und der ich nur allzu gerne nachkomme.
Der Spagat, den unsere (ge)würzige Orange hier leistet, ist ein gelungener: Einerseits ein Orientale, ein gewürziger, ganz klar – von Harzen auf schöne Art und Weise „dumpf“ gewärmt, leuchten Zimt und Nelken hervor, weich auf ernstem Moos gebettet. Und gleichermaßen sorgt unser Zitrusfrüchtchen für beschwingte Leichtigkeit. Dessen Fruchtigkeit hindert den Duft daran, jemals (zu) schwer zu werden, weshalb er sicherlich nicht nur in der kalten Jahreszeit getragen werden kann. Bei hochsommerlichen Temperaturen sehe ich ihn trotzdem nicht wirklich an mir oder an sonst einem Träger – es sei denn natürlich, uns verschlägt es irgendwo in den Orient. Bei der dort herrschenden hohen Luftfeuchtigkeit ist das mit derlei Parfums ohnehin wieder ein ganz anderes Thema.
An chronischer Unzufriedenheit zu leiden – das gesteht sich wohl keiner von uns gerne ein. Anna Paghera verspricht, dass ihr Duft Azzuro d’Ibla ein „regenerierender Zaubertrank für diejenigen“ sei, die genau das tun. Deshalb lautet das Ritual zum Duft auch:
„Sprühen Sie den Duft in die Luft und auf die Hände und reiben Sie diese, schnüffeln Sie begierig daran und sagen Sie sich selbst, wie glücklich Sie sind.“
Unabhängig davon, dass ich derlei Spielchen nicht mag und mich sicherlich auch nicht jeden Tag vor den Spiegel stelle, um mir mehrfach in den nicht vorhandenen Bart zu räuspern, wie lieb ich mich doch heute wieder habe … Manche Blumen machen wirklich glücklich. Und ich glaube kaum, dass es Menschen gibt, die Orangenblüten so gar nicht riechen können – oder, was meint Ihr?
„Blau wie der Sommerhimmel, durchdrungen vom Duft des Meeres, der Blumen und der Freude. Wir feiern die berühmte blühende Prärie der legendären sizilianischen Stadt Ragusa.
Rezept: Eine Handvoll von in voller Blüte stehender Pittosporum-Blüten, gepflückt bei Sonnenuntergang, drei Pfund süßer Osmanthus und Orangenblüten, gepflückt vor Sonnenaufgang. Eine Unze Aprikosenfleisch, eine Messerspitze Moos und ein Stück blauer Sommerhimmel.“
Azzurro d’Ibla gleicht einem olfaktorischen Kurzurlaub: Dem Duft wohnt in der Tat etwas Aquatisch-Maritimes inne – vermutlich aufgrund der Mischung aus weichem Moos und einer Facette der Pittosporum-Blüten. Eine leise Brise, ein wenig Erde und ein Hauch Blütensüße samt honigsüßen Nektarnoten, nicht zu vergessen die feinen fruchtigen Anklänge: Aprikose und Pfirsich, letzterer dank dem Osmanthus.
Azzurro d’Ibla nicht zu mögen – das fällt sicherlich schwer.
Insgesamt erscheinen mir die ersten beiden Düfte schon sehr authentisch und natürlich – ich bin gespannt, wie es die Tage weiter geht!
Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!
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