… harren noch einer Vorstellung: Marc-Antoine Corticchiato erfreut uns mit zwei neuen Düften – die müssen natürlich hier unter die Lupe genommen werden!
Wie steht Ihr denn zum Label, zu Parfum d’Empire? Für mich ist es ja immer eines meiner Lieblingshäuser – und eines, das ich für völlig unterschätzt halte. Corticchiato hat so viele wunderbare Düfte geschaffen: Ambre Russe gehört für mich für immer und ewig unter die besten Ambra-Düfte, in die Top 3, vermutlich auch … ja, doch – auf den ersten Platz. Es ist für mich der Schönste von allen. Eau Suave ist ein herrlicher, nostalgischer Rosenchypre, der mir jedes Mal fast die Tränen in die Augen treibt, weil er von solch berückender Schönheit ist. Eau Gloire ist für mich ein wunderbarer Leder-Kräuterling für Frühjahr und Sommer – ein absolut innovativer Duft abseits der üblichen Verdächtigen, jenen Frisch-Maritim-Zitrischen. Cuir Ottoman ist ein tolles Jasmin-Lederchen. So könnte ich noch eine ganze Zeit weiterschwärmen, aber dafür bin ich viel zu neugierig. Also – ran an die Düfte.
Musc Tonkin macht den Anfang:
Eine mächtige, süchtig machende und erotische Aura … der Duft warmer Haut, sonnenbeschienen, katzenartig, subtil und ledrig. Dieses Elixier entdeckt in einem neuartigen, modernen Stil die sanfteste Note der Parfumkunst wieder, die seit Jahrtausenden verehrt wird: der Tonkin-Moschus.
Ha, Katzen und Erotik, da haben wir es mal wieder. Katzenliebhaber wie ich werden es nachvollziehen können 😉 Wie war das so schön bei Petrarca? „Die Menschheit lässt sich grob in zwei Gruppen einteilen: in Katzenliebhaber und in vom Leben Benachteiligte.“ Auch wenn Harmen diesbezüglich als starker Allergiker vermutlich in zweite Schublade fällt – Liebelein, es tut mir sehr leid für Dich! Aber weiter im diesmal sehr informativen Pressetext:
Die Chinesen schätzen ihn seit der Antike wegen seiner aphrodisierenden Eigenschaften. Sein Duft wurde im Islam als so himmlisch angesehen, dass man ihn in den Mörtel einiger Moscheen mischte, so dass diese in der Sonne dufteten. Der Moschus roch so intensiv, dass man sich weigerte, ihn auf Schiffen zu transportieren, die Tee geladen hatten, da man fürchtete, die Ladung zu verderben … Tonkin-Moschus wird vom Moschustier im Himalaya produziert und gehörte seit jeher zu den teuersten Ingredienzen in der Palette des Parfümeurs: er überzieht die Mischung mit einer sinnlichen Aura, die jede Essenz fixiert und verstärkt.
Obwohl er aus ethischen Gründen nicht länger genutzt wird, ließ natürlicher Moschus die Parfümeure nie ganz los, da man ihn nicht perfekt ersetzen konnte. Deswegen soll Musc Tonkin dieses faszinierende Schattenbild einfangen, indem die opulentesten Rohstoffe gemischt wurden, um die Myriaden an Facetten zu beschwören. Ihre Namen spielen keine Rolle: wie uns das geheimnisvolle Charisma mancher Menschen in seinen Bann zieht, soll Musc Tonkin vielmehr erfahren als beschrieben werden.
Lebendig, facettenreich, überraschend, zugleich nächtlich und hell – dieser aphrodisierende Trank verändert sich auf jeder Haut, um sie zu verzaubern. Ein Hauch Salz für den Geschmack der Haut. Berauschende Blütenpracht, um uns daran zu erinnern, dass Parfum uns mit dem erotischen Zauber der Natur verknüpft. Liköriges, glühweinfruchtiges Brennen, kontrastiert von einem leichten, schimmernden Puderschleier … Zähflüssig wie Honig, verschwimmend und gewachst wie feinstes Leder beschwört der Duft von Lust erhitzte Haut herauf, aber auch moosige pechschwarze Tiefen. Musc Tonkin entdeckt die unsterbliche Tradition der Liebestränke wieder.
Ein aphrodisierender Liebestrank erwartet uns also – her damit!
Dunkelgrün-krautig ist der Auftakt, aromatisch und gleichermaßen balsamisch, bereits durchtränkt von Moschus, angenehm dumpf-samtigem Moschus, von alkoholischen Noten geprägt – ein Rumtopf? Fruchtig und schwer, auf jeden Fall etwas, das gern auch zu Kopfe steigen kann. Ein Tierchen lässt sich hier bereits blicken in staubiger Trockenheit – was liegt da näher als eine Raubkatze? Deren Eleganz und Prägnanz, ihre Erotik, die fängt Musc Tonkin perfekt ein. Anklänge von Leder, Wildleder, erheben sich aus majestätischen Moospolstern, abgerundet von einem Tupfer feinstem Waldhonig.
Typisch italienisch und vor allem – typisch Parfum d’Empire. Musc Tonkin ist wunderbar: Dunkel und animalisch, sinnlich, erotisch und komplex, ein herrlich gesponnenes Duftgewand, das ich sowohl an Frauen als auch an Männern sehe.
Wie sieht es nun mit Corsica Furiosa aus?
Furios grün … Eine grüne Explosion um den Mastixstrauch gebildet, einem immergrünen Gewächs, das für Korsika typisch ist. Holz, Moos, Erde, Heu, Honig, Harz, Leder … grün von Kopf bis Fuß und in jeder Schattierung, trägt es den Duft der Macchie mit sich. Belebend und ungestüm.
Furioso. Der Begriff, eine Angabe in der Musik, bedeutet „soll schnell und leidenschaftlich gespielt werden“ … denn Korsika, wo Marc-Antoine Corticchiato seine Wurzeln hat, kommt nie zur Ruhe. Hier kommen die Augen, die Nase und das Herz auf Hochtouren. Und wenn man vor lauter Eindrücken und Gefühlen kurz vor dem Zerspringen ist, geht man in die Macchie.
Die neueste Hommage des Parfümeurs an seine Heimat wurde durch den bewegenden Duft inspiriert, der den wiederkehrenden Reisenden begrüßt: der grüne, intensive und vielseitige Duft von Lentiscus, auch als Mastix bekannt, ein Strauch der an den sonnigen Hängen Korsikas wächst, vom Hochland bis zur Mittelmeerküste.
Aber Corsica Furiosa ist viel mehr als das: die Quintessenz dessen, was die „Insel der Schönheit“ so einzigartig macht, wild und stark. Der heftige Kontrast ihrer Gerüche, Farben, Formen, Leidenschaften, Geheimnisse …
Da jeder in Korsika dafür ein eigenes Rezept hat, entzündet ein feuriger Schluck Eau de Vie die Kopfnoten. In seinem brennbaren Gefolge findet sich der grüne Biss der „Népita“, einer lokalen Minzeart. Knackige grüne Tomatenblätter intensivieren die natürliche Atmosphäre.
Dann geht Mastix in die Vollen und wir kommen zur Sache. Das eigenwillige ätherische Öl tritt als Erstes auf den Plan. Pfeffrig, fruchtig, aromatisch, dann erdig mit Pilznoten kommen wir zum Herzen von Corsica Furiosa. Dann übernimmt das Absolue mit seinem sanfteren Grün mit Heu, hellem Tabak, Honig und Strohakzenten und verdunkelt von einem Hauch Lakritze. Eine dritte Art der Extraktion durch eine Spezialtechnik fügt dem Ganzen Nuancen von Harz, Gewürzen und Leder hinzu, welche tiefer in die Berge der Macchie führen … bis man sich auf ein Bett aus Moos niederlegt.
War jemand von Euch bereits auf Korsika? Mich selbst hat es noch nicht auf Napoleons ehemaliges Refugium verschlagen. Wenn ich Corsica Furiosa schnuppere, lockt mich das aber durchaus …
Ich nehme es schon vorweg: Für mich ist Corsica Furiosa ein herrlicher Duft. Er ist ein absoluter Kracher, innovativ und wunderschön. Zugegeben, ich höre schon meine Mutter, die wandernd schon die eine oder andere Insel, leider aber nicht Korsika, umrundete (ich habe sofort nachgefragt, da ich sie nach dem Duft dort fragen wollte) – Ist das wirklich ein Parfum? Soll ein Parfum so duften?
Sie entspricht da eher der … ja, welcher Generation eigentlich? Welchem Kunden? Dem Kunden, der von Parfums normale Düfte erwartet – Blumen, ein bisschen Betörendes, vielleicht Moschus, ein Klecks Gourmandnoten. Schon bei Diors Eau Noire, der tollen Currybombe, kam sie ins Stocken: Curry in einem Duft? Sie mag ihn nur im Essen – und dabei wird es wohl auch bleiben 😉
Corsica Furiosa ist, wenn man den Duft aus der Perspektive meiner Mutter betrachtet, weniger Parfum als vielmehr olfaktorisches Gemälde, Impression einer wundervollen Insel: Grün-herbe Noten von Blattwerk und Gräsern sowie des Mastixstrauches im Auftakt, erfrischend, aromatisch und vielfältig schillernd, eine grün erstrahlende Landschaft. Pfefferminze würzt, erfrischt und akzentuiert mit sachter Minzsüße und dezenter Schärfe, die sich von Pfeffer untermalt sieht. Und, was nimmt mein Näschen da wahr? Tomatenblätter. Ich liebe Tomaten, darüber hat sich Harmen hier ja schon mehrfach ausgelassen – den Titel des Paradeiserkaisers habe ich von ihm. Herrlich!
Je länger ich in diesem grünen Paradies schwärme, das außerdem von Bäumen, knarzigen, Sträuchern und Felsen kündet, desto weicher wird der Duft : Noten von Kräuterheu erreichen meine Nase, so verführerisch, dass ich mich gleich hineinwerfen möchte, begleitet von Tupfern von köstlichem Honig. Auch die angegebene Lakritze entdecke ich würzend im Hintergrund, begleitet von kostbaren Harzen.
Ich persönlich bin immer auf der Suche nach Landschaftsimpressionen, wenn es um Frühlings- und Sommerdüfte geht, gerne auch als Alternative zu oftmals ähnlich duftenden Hesperidenparfums. In Dammuso von Profumi di Pantelleria habe ich einen gefunden, Eau d’Italies Jardin du Poète ist ebenfalls ein solcher Kandidat oder Goutals Ninfeo Mio. Corsica Furiosa fügt sich nahtlos ein in diese meine Riege und ist somit ein Must-Have für nächstes Frühjahr.
Ich bin gespannt, was Ihr von diesen beiden Schönheiten haltet!
Viele liebe Grüße,
Eure Ulrike.
Ich habe es schon immer geahnt, aber nun schwarz auf weiß, dass ich zu den Benachteiligten gehöre, vielen Dank! 😉