Viel zu lange schon liegt Aedes de Venustas’ „Copal Azur“ hier vor mir auf dem Tisch, aber ich denke, er passt jetzt auch bestens in die Winterzeit. Zuerst musste ich mich ein bisschen bei Wikipedia informieren, was es mit dem Copal auf sich hat. Dort habe ich gelernt, dass es sich bei Copal um eine Sammelbezeichnung für Baumharze handelt, die u. a. als Räucherwerk zum Einsatz kommen. Das bedeutet aber auch, dass es sich dabei eben um kein bestimmtes Harz handelt, das man botanisch genau zuordnen könnte. Interessant ist, dass Copal auch auch als „junger Bernstein“ bezeichnet wird. Bernstein ist als fossiles Harz Jahrmillionen alt, während Copal (oder Kopal) als halbfossiles Harz „nur“ Jahrzehnte bis Jahrtausende auf der Uhr hat. Wie bei Bernstein gibt es bei Copal organische Einschlüsse, sogenannte Inklusen, wie etwa Blätter oder Insekten – als Momentaufnahme einer längst vergangenen Zeit eine wirklich faszinierende Sache. Und wie ich sehe, gibt es für Bernstein oder Copal gerade mit Inklusen einen florierenden Markt samt Fälschungen und allem, was dazugehört.
Sehr stimmungsvoll beginnt die Textpräsentation von Aedes de Venustas:
Der Weihrauch der Maya, der aus uralten Tempeln aufsteigt. Die Gischt des Meeres und ein Hauch von Urwald, in dem sich ein Jaguar lauernd verbirgt … Copal Azur verströmt die opulente, spirituelle Atmosphäre des ehrwürdigen Ortes Tulum.
Diesen Ort sieht man auf dem Bild oben – im Hintergrund schemenhaft das Castillo von Tulum in Mexiko. Auch die Inspiration zu diesem Duft möchte ich Euch nicht vorenthalten, da sie sehr ansprechend erzählt wird:
Das dem Weihrauch sehr ähnliche Copal, dessen Name in der Aztekensprache „Weihrauch“ bedeutet, kann aus verschiedenen in Mittel- und Südamerika heimischen Bäumen gewonnen werden. Und wie auch der Weihrauch im antiken Griechenland oder Ägypten wurde es von den Maya und Azteken verbrannt, um die Götter gnädig zu stimmen. In Mexiko wird es heute immer noch für spirituelle Zwecke genutzt. Karl Bradl begegnete der Duft erstmals, als er entlang der Küste der Halbinsel Yucatán durch die weihrauchgeschwängerte Luft in Richtung des Naturreservats „Sian Ka’an“ radelte, was so viel heißt wie „Tor zum Himmel“. Die sanfte Duftwolke aus brennendem Copal, die über dem Restaurant des Casa Jaguar in Tulum hing, dem ökologisch trendigen Resort am Fuße der alten ummauerten Maya-Stadt, bekräftigte seine Inspiration für Copal Azur nochmals.
Was kommt dabei heraus, wenn man den Duft einer Mayastadt an der Küste einfangen will? „Copal Azur“ wurde von Bertrand Duchaufour geschaffen, der mit seinen beiden Weihrauchdüften „Avignon“ (Bericht von Mariela) und „Kyoto“ (noch ein Bericht von Mariela) für Comme des Garçons sein Weihrauch-Können bereits längst unter Beweis gestellt hat.
Auf dem Duftstreifen geht es mit ausdrücklich angenehmen ozonisch-maritimen Noten los, die aber von Beginn an keinen Hehl aus ihrem gewichtigen Gefolge machen. Sofort sind helle und frische Kardamom-Noten zur Stelle, die wie ein kleiner Riss im Staudamm den Weihrauch ankündigen, welcher sich daraufhin mit Macht Bahn bricht. Scharf, knarzig, gewürzig, harzig, holzig – Weihrauch eben. Auf der Haut ist der Weihrauch sofort da und die aquatischen Noten scheinen wie ein Stück nach hinten versetzt zu sein, was dem Duftgenuss aber keinesfalls abträglich ist.
Wer das Kirchenräucherwerk nicht mag, braucht es mit dem waschechten Weihrauch „Copal Azur“ erst gar nicht versuchen. Die Duftbeschreibung verrät, dass sogar drei verschiedene Weihrauchextrakte verwendet wurden – auch als Substitut für den Kopal, der vermutlich wegen seiner Unbestimmbarkeit nicht als Parfumingredienz zu definieren ist. Das Ganze kommt in einer allgemeinverträglichen Intensität – es haut also weder den Träger noch die Mitmenschen aus den Socken – Weihrauch ist schließlich nicht jedermanns Sache. Die maritime Komponente sorgt zudem für ein Gegengewicht zum oftmals schweren Harz. Überhaupt finde ich die Idee klasse: ein aquatischer Weihrauch!? Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass dies funktioniert, aber das tut es definitiv. Und wie schreiben Aedes de Venustas selbst so schön:
Die kräftigen Nuancen der Maya-Riviera werden durch ein milchig, nach Kiefern duftendes Gebinde aus brennendem Harz gefiltert. Blau für die Karibik und die klare Tiefe der Cenoten, den unterirdischen Süßwasserpools, wie sie in Yucatán allerorten zu finden sind: ein kühle Brise ozeanischer und salziger Noten. Grün für den üppigen mexikanischen Urwald: ein Aufscheinen von Kardamom im feuchten Unterholz aus Patchouli und Myrrhe. Weiß für die Reinheit von Copal und die unberührten Strände von Tulum: ein leichter Hauch von nach Mandeln duftender Tonkabohne in einer cremigen Note. Bernsteinfarben für den Jaguargott des irdischen Feuers – dem Feuer welches das geheiligte Copal entzündet … Hypnotisch, spirituell und eindringlich – Copal Azur könnte tatsächlich das „Tor zum Himmel“ öffnen.
Die Duftkomposition
Kopfnote: Maritime Noten, Ozonische Noten, Weihrauch
Herznote: Kardamom, Patchouli, Weihrauch
Basisnote: Ambra, Myrrhe, Tonkabohne, Weihrauch
Am Anfang habe ich geschrieben, dass der Duft gut in die Winterzeit passt. Das stimmt zwar, aber ich kann ihn mir auch gut in der warmen Jahreszeit vorstellen. „Copal Azur“ ist meines Erachtens eine wirklich innovative und feine Bereicherung der Weihrauch-Palette – und das im ohnehin schmucken Aedes-Flakon!
Liebe Grüße von
Harmen
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