Alessandro Gualtieris neuester Streich, Orto Parisi, …

… beschäftigt uns heute und morgen: Erinnert Ihr Euch? In einem meiner Berichte zu den Frühlingsneuigkeiten sowie der Mailänder Esxence hatte ich bereits davon erzählt:

„“Nasomatto is dead – Orto Parisi is born!“, wie Gualtieri gegenüber Basenotes verlauten ließ. Das nächste Projekt von Gualtieri ist Gott sei Dank schon geboren, auf der Mailänder Esxence stellte er bereits die ersten fünf Düfte vor, die auf, man höre und staune, einer Fläche aus gepresstem Pferdedung präsentiert wurde: Bergamask, Viride, Brutus, Stercus und Boccanera heißen die fünf, auf die ich unfassbar gespannt bin.“

Tja, Herr Gualtieri wäre nicht Herr Gualtieri, wenn er nicht wenigstens zu seiner Motivation etwas zu sagen hätte:

„This project I wanted to dedicate to him that partially has inspired me. First I thought of his biography, but while writing it I got bored, realizing I never read biographies myself.

The idea rooted from the fact that he, my grandfather Vincenzo, used buckets to collect both his needs that timely ended up fertilizing the garden. In his garden hovered an air of infinite.

So, hereby: To my grandfather Vincenzo Parisi and to those that seize the time in experiencing and diffusing the perfume of life.“

Und ein Manifest gibt es selbstredend auch noch zum neuen Projekt:

manifesto

The parts of the body that carry more smell are those where more soul is collected.
The strong smells have become unpleasant to us, because the excess of soul is intolerable to the extent that our innate animalism is repressed and breaking from civilisation.
This project is my garden I have planted, fertilized, cultivated, and harvested. Orto Parisi states that our body is experienced like a garden, and its smells are a true mirror of our soul.
 
ortoparisi  

Die Gretchenfrage: Wie steht Ihr zu Nasomatto? Ich liebe Nasomatto, ganz besonders natürlich Duro, Absinth, Narcotic V. und Hindu Grass. Gualtieris Kreationen finde ich spannend, extrem spannend – klar, dass ich schon lange mit den Hufen scharre, seine neuen Düfte zu testen. Endlich sind sie nun auch bei uns im Shop gelandet, weswegen ich Euch die ganze Bande vorstellen werde. Wie immer ist Herr Gualtieri ein wenig speziell (siehe unter anderem die Bilder in diesen beiden, leider russischen Artikeln – hier und hier) – auch und vor allem, was die Angaben zu seinen Düften angeht. Sehr bedeckt hält er sich einmal mehr, was die Ingredienzen angeht – wir erfahren darüber gar nichts, insofern könnt Ihr Euch nur auf meine Nase verlassen, auf diese vertrauen. Ansonsten gibt es mehr oder weniger kryptische Anmerkungen … nun – lasst Euch einfach überraschen und lasst Euch ein auf … tataa: Orto Parisi!  [Anmerkung in eigener Sache: Alle Fotos sind so von Orto Parisi übernommen …]

Bergamask1

bergamaskflakon Bergamask ist unsere Nummer Eins:

„‚Berga’mot ist eine sehr frische Zitrusfrucht. ‚Mask‘, beschreibt den ausgestoßenen Moschusgeruch einer neuen Tötung.“

Okeee … Tote Tiere brauche ich nun wirklich nicht – finde sie aber hier auch nicht vor, keine Angst 🙂

Herb-frische, saftig-prickelnde Bergamotte, eventuell begleitet von ein paar Zitrönchen erobern meine Nase, um alsbald bereichert zu werden von samtig-holzigen Noten, die ich kenne … Javanol! Wir haben es von Herrn Kormann und Herrn Kraft gelernt – siehe meine Artikel zu Kormanns September sowie Borobudur. Javanol ist hier in jedem Falle drin, und zwar in einer sehr ordentlichen Dosierung. Javanol ist – das bessere Sandelholz, zumindest wenn man es anheimelnd, hautnah, sinnlich mag – und auch mit ein paar animalischen Anklängen, die allerdings eher trocken daherkommen. Da sollte der Moschus seine Fingerchen mit im Spiel haben. Allerdings haben wir es weder mit Dung oder einem zähnefletschenden Raubtier zu tun, sondern eher mit einem auf ganz leisen Pfoten elegant vorbeischleichenden Fellchen.

bergamask2

Bergamask ist ein schöner Duft, der bei mir aber nicht einziehen wird, da ich bereits die beiden genannten Kandidaten von Herrn Kormann und Herrn Kraft besitze.

Fühlt sich bei den Bildern, vor allem dem ersten, zu Bergamaks eigentlich sonst noch jemand an die Werke von Björks Göttergatten Matthew Barney erinnert, vor allem seinen Cremaster Cycle erinnert? Wenn jemand Zeit hat und Muße – alle Filme kann man sich online ansehen.

boccaneraflakon Kommen wir zu Boccanera:

„Boccanera bedeutet „Schwarzer Mund“ in italienischer Sprache. Die Natur offeriert uns dunkle Öffnungen und beschreibt die Sinnlichkeit auf erotisch dunkle Art.“

Auf Philip Krafts Facebookseite „Scent and Chemistry„, die ich sehr gerne konsultiere, findet sich für Boccanera eine Rezension aus der Perspektive des renommierten Riechstoffchemikers:

“ […] What remained the same though is that Gualtieri does not give any notes or ingredients, so it’s always funny to read what people come up with.

Here is our version. To us ‚Boccanera‘ is the logical culmination of the rising of the Timberol note of ‚Duro‘ via ‚you Para|diso‘, ending up in an 11% overdose of the woody-ambery, animalic, urinous smelling ‚Nimberol‘ (rac-3.346): steroid smell galore, and present throughout the whole evaporation curve. This is introduced by a tiny, tiny jasminic–rosy taint, you cannot call a top really, and then it is attempted to be tamed by some 25% of Iso E Super (1.45), and powdered off with cedarwood oil, before a firework of santals starts – initiated by only a whisper of Osyrol. Off it goes: Sandela (4.72), Bacdanol (4.80) , Polysantol (4.82), Ebanol (4.83), culminating in Javanol (4.85), contrasted by some significant amount of Ambroxan.

This does not look and smell like it needs some fixation, but there is indeed a musk fond of Globanone : Helvetolide (ca. 4:1). That is not all, but almost all worth mentioning. Heavy heavy sillage! ‚Boccanera‘ is an animalic beast, but it is softer then it sounds like, and cedryl methyl ketone does help to fill the gaps left open by the cedarwood oil. Contrary to Gualtieri’s ‚you Para|diso‘, which seems a bit unfinished blotter-by-blotter comparison, ‚Boccanera‘ does not attempt to brighten things up, and thus leaves you overpowered, but alive. Caution to mate this animal with other scents. This may end up deadly for the other fragrance.“

boccanera1

Timberol – ja, das liebte ich bereits in Duro: Jene männliche Note, das herbe, gleichermaßen holzige, aber ebenso harzig-animalisch Duftende. Weich-würzige Sandelholz-Barbershop-Anleihen. Staubtrockene Süße pudriger Natur. Auseinanderklamüsern kann man Boccanera ziemlich schlecht, allerdings empfinde ich Boccanera als nicht wahnsinnig kompliziert zu tragen. Unisex mit Tendenz zum Männlichen. Holzig, samtig, skinnig mit einer sehr guten Sillage, pudrig, würzig und süß. Animalisch – ja. Und auch herb, bisweilen. Aber nichtsdestotrotz kein KO-Schläger, ganz im Gegenteil. Meine Nase mag ihn – und mein Auge könnte ihn sich durchaus neben Duro vorstellen, mal sehen …

boccanera2

Morgen geht es weiter mit Orto Parisi – bis dahin alles Liebe,

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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