777 – Stéphane Humbert Lucas habe ich natürlich nicht vergessen – ich musste nur kurz den Patchoulikönig überholen lassen. Drei Düfte sind noch übrig, nämlich „Ô Hira“, „Rose de Petra“ und „Une Nuit à Doha“.
Auch wenn „Ô Hira“ irgendwie japanisch klingt, ist auch dieser Duft namentlich im Orient zu verorten. Denn der Berg „Hir?’“ nordöstlich von Mekka wird deswegen auch „Berg des Lichts“ genannt, da dort der Prophet Mohammed der Überlieferung nach seine erste Offenbarung vom Erzengel Gabriel erhalten haben soll.
Ambra wird als einzige Ingredienz dieser Komposition angegeben, wobei der Produkttext auch von Oud spricht. Um die Verwirrung perfekt zu machen, wird auf dem Bild unten auch noch von „Fossilized Amber“ – versteinertem Bernstein – gesprochen, was wie der berühmte weiße Schimmel wohl einfach als Pleonasmus anzusehen ist.
Die Begriffsverwirrung um Ambra, Amber und Bernstein ist groß und birgt zahlreiche Fallstricke, gerade wenn Übersetzungen – wie so oft – vom Französischen oder Italienischen ins Englische und dann ins Deutsche wabern – totally lost in translation. Ich empfehle deswegen zur Lektüre den überaus informativen Artikel von Erik Kormann in seinem Aromatischen Blog, am übersichtlichsten vermutlich in diesem Artikel dargestellt. Ob wir es also mit Walausscheidungen zu tun haben, mit Bernsteinöl oder lediglich mit einer orientalischen Duftmischung, muss wohl im Einzelfall entschieden werden.
„Ô Hira” von Stéphane Humbert Lucas zeigt sich auf dem Duftstreifen als feiner orientalischer Duft mit einem holzigen und gewürzigen Charakter. Wegen seiner doch ausgeprägten Holzigkeit würde ich spontan das Oud bestätigen, wobei es eben nicht als Hauptdarsteller auftritt, sondern sich in die gewürzige Mischung einfügt. Die Bernsteinassoziation ist gar nicht so falsch: Es duftet braun, ockerfarben, auch harzig, auch etwas ledrig und erdig, aber immer harmonisch, ohne dass einzelne Noten ausreißen – Labdanum könnte einer der Hauptbestandteile der orientalischen Mischung sein – ja, so weit würde ich mich aus dem Fenster lehnen – es dürfte sich um weder um Walauswurf noch um versteinerte Harze handeln.
Dieser Ambraduft wird als „Diamant der Kollektion“ bezeichnet und ich verstehe auch warum. „Ô Hira” ist der gelungene Versuch, einen idealen Ambraduft zu erschaffen, warm, kostbar und reichhaltig, tief, balsamisch, geheimnisvoll, dabei von einer inneren Harmonie bestimmt – völlig unangestrengt mit einer natürlichen Autorität und Authentizität. Der Duft zeigt sich unaufdringlich aber anhaltend und nach längerer Tragezeit kommen auf meiner Haut noch feine braune Kandisnoten hinzu. Ein hervorragender Unisexduft, der perfekt in die kalte Jahreszeit passt und auch denjenigen gefallen dürfte, die sonst nicht so sehr von Orientalen angetan sind.
Aber in Wirklichkeit richtet sich der Duft an die wahren Kenner der Materie, an die hoffnungslos Ambrasüchtigen, die diese exzellente Qualität zu schätzen wissen und somit auch den Preis dafür gerne akzeptieren. Für mich war dieser Duft eine wirklich beeindruckende Erfahrung.
Ganz viele Grüße von
Harmen
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