Ragù und Lye von Gabriella Chieffo …

sind die beiden Düfte aus deren Quartett, die uns noch fehlen und dementsprechend einer näheren Betrachtung harren.

chiefforagu „Sonntag. Ein offenes Fenster in eine stille Welt. Gelächter unterstreicht die zarten Stimmen der Frauen. Ein zartes Parfum zieht seine Spuren durch das Haus und durchdringt den gesamten wundervollen Tag. Fürsorge und Geduld kreieren dieses Wohlbefinden, das mit allen Sinnen genossen wird: das Rot von karamellisierten Tomaten, die Schärfe von schwarzem Pfeffer, der in der Nase kitzelt und die fühlbare Frische von Basilikumblättern. Und wenn der kräftige Geschmack sich lichtet, liegt dieses festliche Aroma, das sich inzwischen abgeklungen ist, in der Luft.

Eine zarte Süße, die an Zuhause erinnert. Ein bekannter Duft. Ragú ist ein ungewöhnliches und besonderes Parfum. Die Kopfnote aus Orange, Bergamotte und Rosa Pfeffer führt zu einem angenehmen und schmeichelhaften Herzen, das sich zu den tiefsten Noten von Leder und Kaschmirholz ausdehnt. Eine luftige Würze, aromatisch und undefinierbar, harmonisiert mit krautigen Noten, untermalt von einer holzigen und ambrierten Wärme.

Ragú ist mehr eine Aura als ein Parfum. Es intensiviert Erinnerungen und projiziert diese auf eine neue Moderne.“

Tomaten, hat da wer Tomaten gesagt? Einige Leser dürften sich erinnern, dass ich ein großer Tomatenfan bin – Harmen hat es hier bereits beschrieben und ich selbst schwärme ja seit eh und je für dieses tolle Gemüse, und somit natürlich auch für Parfums d’Orsays Raumduft Feuilles de Tomate, siehe hier.

Trotzdem werde ich aus dem Text zum Duft in Anbetracht der angegebenen Duftnoten nicht ganz schlau: Kopfnote: Orange, Bergamotte, Rosa Pfeffer; Herznote: Schwarzer Pfeffer, Muskatnuss, Gewürznelke, Elemiharz, Kardamom, Safran; Basisnote: Leder, Kaschmirholz, Zedernholz, Patchouli, Nagarmotha, Moschus.

Dinner @ The Village Pub

Tomaten? Vielleicht doch eher die Impression oder vielmehr Reminiszenz eines gelungenen Familienessens, eines schönen Gelages, bei dem all die Lieben, ob nun bluts- oder wesensverwandt, zusammen an einem großen Tisch sich versammeln, essen, trinken und schwatzen, so, wie es eigentlich zur Esskultur gehört, die so selten nur noch gepflegt wird.

Dinner

Ich denke, in diese Richtung tendiert Ragú: Ein Gefühl des Heimeligen heraufbeschwörend, der Zusammengehörigkeit, des Angekommenseins. Umhüllend, beschützend, beruhigend und ausgleichend fühlt sich der Duft auf meiner Haut an – und eigentlich mag ich ihn überhaupt nicht auseinanderklamüsern, zerpflücken in all seine einzelnen Bestandteile.

Ragú ist mein bisheriger Favorit der Kollektion von Gabriella Chieffo: Im Anfang krautig-herb, aber dennoch warm, changierend zwischen kühlen Anklängen und balsamisch-würziger Wärme. Erhaben, dunkel, aber nicht finster. Samtig, harzig und von einer subtilen Pudersüße, pfeffrig kontrastiert, warm-vanillige Nadeln von Tannen, sachte Lederakzente von Velours.

In Ragú trifft so viel aufeinander, kommt soviel zusammen, ohne jemals zuviel zu sein. Der Duft ist mehr Gefühl als Parfum. Ich sage absichtlich „Gefühl“ und meine nicht Aura, sondern etwas in Richtung Seinszustand, Momentaufnahme der persönlichen Befindlichkeit. Ein Duft als Aura wäre hautnaher, skinniger – das trifft auf unseren Schönling hier nicht zu, dafür ist er zu präsent, zu sehr Parfum. Ich sehe ihn sowohl an Männlein wie Weiblein und für mich ist er ein ausgesprochen schöner, geistvoller Begleiter. Chapeau, Madame Chieffo!

lye_box

„Die Augen sind geschlossen. Eine grüne Wiese. Großmutters Wäschezuber. Der Geruch der in der Sonne trocknenden, gerade aufgehängten Wäsche. Die Haut atmet gesunde Luft. Die Sinne beruhigen sich und anmutiger Friede erfüllt die Seele. Eine Wolke der Güte, mit jedem Atemzug, den Duft des Weißen wahrnehmen. Und mittendrin das Gefühl, dass noch nie etwas so klar und sauber war: Harmonie umfließt das erste warme und ruhige Lächeln vor dem Duft, der von Kinderträumen und vom Leben erzählt.

Asche, das A und O, wird zu einem realen Protagonisten in diesem Duft. Lauge, früher genutzt um zu bleichen und zu reinigen, kommt heftig in unser Duftgedächtnis zurück, durch einen einzigartigen und absoluten Duft. Rein. Die Kopfnoten sind zitrisch und prickelnd durch kalabrische Bergamotte und Sorrento-Zitrone, kurz darauf weicher durch das Eindringen des würzigen und scharfen Weihrauchs. Der zentrale Teil der Formel wird durch die Anwesenheit der Iris beeinflusst, welche zart und in Harmonie mit trockenem Leder gebracht wird.

Die Basisnoten erstrahlen mit Patchouli und Opoponax, dem feinen Ende dieses Dufts, der Sie fesseln wird.“

Wäsche und Kindheitsträume – ob mich Lye nach diesem seinem prägnanten Vorgänger überhaupt wirklich begeistern kann? Ja, doch, durchaus. Aber auch und vor allem deshalb, weil er kein langweiliger Saubermann ist, was man anhand der Duftnoten schon vermuten kann: Kopfnote: Bergamotte, Zitrone; Herznote: Iris, Weihrauch; Basisnote: Vanille, Patchouli, Opoponax, Leder.
Veronica Lake

Lye erobert mein Herz sofort im Sturm, was an zwei Ingredienzen liegt, die den Charakter des Duftes ausmachen: Iris und Leder. Feinpudrige, zarte Iris, cremig und mit einem Klecks Erdigkeit behaftet. Und Wildleder, sanftestes, zartestes Wildleder. Ich nehme leichte karamellisierte, sacht-rauchige Anklänge wahr. Und Vanillestaub.

Lye ist unfassbar schön, feminin und sinnlich. Für mich ist der Duft ein das Ergebnis einer Liebeshochzeit von zwei Lieblingen von mir, von Humiecki & Graefs Geste sowie Laboratorio Olfattivos Nirmal. Hach …

Und, was dabei für Euch unter den Gabriella Chieffo-Düften?

Viele liebe Grüße,

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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