Heute, meine Lieben, möchte ich Euch eine Geschichte aus meiner Jugend erzählen. Neulich, beim Aufräumen und Abstauben meiner Parfumregale, ist sie mir wieder eingefallen, als mir der alte Flakon von Yves Saint Laurents Champagne in die Hände fiel.
Champagne? Ja, Champagne. Champagne gibt es auch heute noch, allerdings unter anderem Namen – Yvresse heißt der Duft mittlerweile, was folgenden Hintergrund hat: Nach der Lancierung klagten Weinbauern und Schampushersteller aus der Champagne gegen Yves Saint Laurent und gewannen den Rechtsstreit, obgleich sich das Haus vorher noch die Namensrechte von Caron gekauft hatte (Caron ließen Champagne wohl bereits 1943 sichern, kamen dann knapp 50 Jahre später mit ihrem Duft Royal Bain de Caron/Royal Bain de Champagne auf den Markt). Kurzzeitig hieß Champagne dann Parfum d’Yves Saint Laurent, um dann in Yvresse umbenannt zu werden. Ein Name, der sich eher an die Zustandsbeschreibung nach dem Genuss der Prickelbrause richtet: Ivresse heißt soviel wie Rausch, Betrunkenheit. YSL, in derlei Angelegenheiten schon immer frech (Das Haus brachte im übrigen in den Achtzigern einen Duft namens Paris auf den Markt – eine unausgesprochene Regel hatte bisher jeden Parfumhersteller davon abgehalten, einen Duft nach der Hauptstadt des Parfums zu benennen), lancierte darauf eine Werbekampagne mit folgendem Text: „Its name was forbidden, but women will know to ask for it.“
In jedem Fall steht noch ein Flakon namens Champagne in meinem Regal. Kreiert von Sophia Grojsman, enthält Yvresse folgende Noten: Kopfnote: Anis, Nektarine, Kümmel, Minze, Pfirsich, Aprikose; Herznote: Gartennelke, Jasmin, Iris, Litschi, Maiglöckchen, Rose, Veilchen, Zimt; Basisnote: Ambra, Benzoeharz, Styraxharz, Eichenmoos, Kokos, Patchouli, Vanille, Zeder, Vetiver.
Als ich ihn vor einigen Tagen in der Hand hielt, musste ich an ihm riechen, ihn aufsprühen und an seine Geschichte denken, mit der ich ihn verknüpfe … Ich war, wie Ihr sicherlich denken könnt, schon als Jugendliche ein großer Duftfan und nannte etliche Parfums mein Eigen. Champagne hatte ich mir kurz nach seinem Erscheinen herausgepickt und mich damit zu irgendeinem Anlass beschenken lassen. Ich weiß es noch wie heute: Ich war – zwölf oder dreizehn. Und frisch verliebt. Ich kam gerade von der Konfirmandenfreizeit, deren Ende ich so sehr herbeigesehnt hatte, obgleich die ganze Angelegenheit nicht so schlimm war, wie ich sie mir vorher ausgemalt hatte. Ich war – aufgeregt. Und hatte Sehnsucht. Nach meinem Noch-nicht-Freund, mit dem es in den letzten Wochen so geknistert hatte und von dem ich wusste, dass er genauso verliebt in mich ist wie ich in ihn. Viel zusammen unternommen hatten wir, abseits der Clique, der großen, in der wir waren. Und es bahnte sich langsam, aber sicher endlich etwas an. Freudestrahlend und nervös, ausgestattet mit dickem Herzklopfen und eingenebelt mit Champagne bog ich in das Jugendzentrum ein, der Treffpunkt für unsere Clique. Und sehe dort – ihn, im Arm eine andere, küssend. Die andere war – meine beste Freundin.
Wenn ich mich zurückentsinne, dann war das wohl die erste wirklich sehr große und schmerzhafte menschliche Enttäuschung in meinem Leben. Ich habe damals natürlich auf dem Absatz kehrtgemacht. Und saß noch lange in der Abenddämmerung am Fuße unserer spätgotischen Kirche.
Champagne konnte ich nie wieder tragen, nie wieder. Zu sehr war er verknüpft mit diesem Ereignis, der Duft. Jahrelang konnte ich ihn noch nicht einmal mehr riechen, da er mich sofort traurig gemacht hat.
Dieser Tage, nach all den Jahren, geht es. Ich kann ihn wieder erschnuppern, kann ihn wieder würdigen, bin versöhnt – mit ihm. Und vermutlich auch mit der Geschichte, die jetzt ja auch über zwei Jahrzehnte zurückliegt, aber, nebenbei bemerkt, alles in allem kein gutes Ende gefunden hat. Ich frage mich, was mich damals an Champagne so gereizt hat, duftet er fast ein wenig zu reif für ein solch junges Ding, das ich damals war: Ein fruchtiger, opulenter Chypre-Duft, ausladend und raumgreifend. Ich mag ihn, wieder – er duftet tatsächlich wie ein teuerer und fruchtiger Champagnercocktail, den man des Nachts in einer Bar schlürft. Ein dramatischer Chypreduft, der gleichermaßen lebenslustig und prall daherkommt. Vielleicht trage ich ihn einmal wieder, wenn der Herbst naht?
Wie sieht es mit Euch aus meine Lieben – kennt Ihr solche Geschichten, dass Euch Situationen bestimmte Düfte verbrannt haben? Ich bin mittlerweile wirklich sehr vorsichtig, bei potentiell „gefährlichen“ Anlässen meine Lieblingsdüfte zu tragen. Und Ihr?
Viele liebe Grüße,
Eure Ulrike.
Dieser Duft riecht vortrefflich.
Hallo liebe Nathalie,
noch ein Champagne-Fan da draußen – das freut mich aber!
Hast Du auch noch ein Fläschchen irgendwo gebunkert, so wie ich?
Viele liebe Grüße
Ulrike