Bleiben wir mit Oriza L. Legrand…

im Jahre 1900: Gestern hatte ich Euch bereits deren Duft Rêve d’Ossian vorgestellt, der mich gedanklich in einen Nadelwald führte, hin zu einer Kapelle oder ferner, später, in eine Klosterbibliothek.

orizarelique

Relique d’Amour, Oriza L. Legrands zweiter Duft, erblickte ebenfalls 1900 das Licht der (Duft)Welt. Und, siehe da – ähnelt von seiner Beschreibung ganz den Assoziationen, die ich gestern bei seinem Vorgänger hatte:

„Relique d’Amour zeigt uns einen olfaktorischen Einblick in die verlassene Kapelle einer alten Zisterzienserabtei. Kalte Steinmauern, bedeckt mit feuchtem Moos, das gewachste Holz des Altars und die Reihen der alten Kirchenbänke, die kunstvoll mit Schnitzereien verziert wurden.

Church Window Part Two (On Explore Aug 30th 2012)

Ein Ort, wo rußende Lampen mit Leinöl befüllt einst die heiligen Stunden erleuchteten und Weihrauch und Myrrhe die Luft erfüllte. eine scharfe, pfeffrige Note weckt die Sinne, gefolgt von der weichen Cremigkeit königlicher weißer Lilien. Ein zarter, floraler Duft mit grünen Laub-Akzenten und dem pudrigen Hauch gelber Blütenpollen. Ein Lichtstrahl bricht durch das bunte Glas und beleuchtet dieses Zusammenspiel der Gefühle, welches von Erhebung bis Demut reicht. Die Stille der Kapelle ruft nach uns und kreiert dabei ein Gefühl des Göttlichen.“

Im Auftakt nehme ich… Kräuter war, geeiste Kräuter. Ein Kräuterschnaps, ein klarer? Mit aromatisch-balsamischen Noten von Kiefernadeln? Luzide, hell fühlt sich das an, transparent, ätherisch, kühl, luftig und weiß. Zarte Hölzer nehme ich im Hintergrund wahr genauso wie eine harzige Würze – präsent zeigt sich aber vor allem eine feine, seidig-pudrige hell duftende Stargazer-Lilie, leise von wollig-weichem dunkelgrünem Moos umrankt.

Open Wide

Hatte ich erwähnt, dass ich Lilien liebe, vor allem Stargazer-Lilien? Dass es meiner Meinung nach viel zu wenige schöne, kühle Lilien gibt? Dass ich die von Yosh Han, Stargazer 7.71, sehr mag genauso wie natürlich Lily & Spice von Penhaligon’s? Für mich ist Relique d’Amour ein sachter, zurückhaltender und dadurch berückend schöner Duft. Eine strahlende Schönheit, gewebt aus Licht und Schatten.

Die Noten, bevor ich es vergesse: Kopfnote: Kräuter, Kiefer; Herznote: Pudrige Noten, Lilie, Pfeffer, Eiche, Weihrauch, Myrrhe, Elemiharz; Basisnote: Moschus, Moos, Hölzer, Pfeffer.

orizaoeillet

1909 folgte dann ein weiterer Duft bei Oriza L. Legrand, und zwar Œillet Louis XV:

„Pudrig und pfeffrig, seidig und würzig – Œillet Louis XV spielt auf angenehme Weise mit seinen Widersprüchen. An längst vergangene Zeiten erinnernd, verfliegt der Puder und machte den Weg für kräftige Noten der Gewürznelke frei. Eine Hommage an den beliebten französischen König Ludwig XV., der die Geburt des Hauses Oriza miterlebte und sein berühmtester Kunde wurde.

Weiße Nelke befindet sich im Herzen dieses Duftes und sorgt für seine Zwiespältigkeit. Das Zeichen wahrer Liebe in der Monarchie verkörpert sie als Blume auch das Feuer der Französischen Revolution. Als Duft ist die weiße Nelke so berauschend wie das zarteste Gift; eine köstliche Verbindung aus Mandarine, königlicher Iris und leicht holzigen Akkorden, welche wiederum nicht der Stärke von Pfeffer und Gewürznelke widerstehen können. Rosa Nelke fügt eine bittere Note hinzu als Symbol der Schmerzen Mariens. Die Legende besagt, dass die Blume dort entsprang, wo die Tränen Mariens hinfielen, als sie Jesus das Kreuz tragen sah.

Sowohl olfaktorische als auch symbolische Kontraste beschreiben Œillet Louis XV am besten, ein unvergleichliches und elegantes Parfum, das immer wieder aufs Neue überrascht.“

Madonna with tears, Sevilla

Um Œillet Louis XV zu mögen, muss man Nelken lieben – und zwar sowohl frische Nelken als auch Gewürznelken, denn hier finden sich beide. Ordentlich gepfefferte, gekonnt gleichermaßen frisch-florale als auch scharfe Nelkenpracht zeigt sich von in Schleier von femininem Puder gehüllt, der von leise-zitrischen Mandarinensprenklern durchzogen wird. Rose verstärkt sowohl die pudrigen, als auch die frischen Facetten des Duftes, während Gewürznelke dem Pfeffer Schützenhilfe leistet und dessen Akzente bis in die Basis des Duftes trägt. Dort finden sich edle Hölzchen, watteweicher Moschus und ein Klecks Honig, der die Reispudrigkeit des Duftes neckisch süßt.

Carnation

Ein erotischer Skin-Duft, dessen Auftakt viel kecker und wagemutiger ist als der spätere Verlauf, was Œillet Louis XV nur zum Vorteil gereicht: Eine kokette Femme Fatale, intelligent und unabhängig, aber dennoch anhänglich und zähmbar, zumindest anscheinend… Mir gefällt das Spielchen, dass der Duft treibt. Und das, obgleich ich kein großer Nelkenfan bin – insofern: Die, die es sind, kommen um diesen Duft nicht herum. Und diejenigen, die es nicht sind, könnten trotzdem mal einen Test wagen und dem Duft eine Chance geben, denn er ist ein ganz hervorragender Vertreter seiner Gattung!

Einen schönen Tag Euch und viele Grüße,

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

Ein Kommentar

  1. mareike
    5. Februar 2014
    Antworten

    Ah. Wunderbare Beschreibungen. Besonders wie du die komplexe Erotik von Louis XV in Worte fasst. Und auch die von wolligem Moos umrankte Lilie in Relique d’amour habe ich genauso empfunden.

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