… Duft von Jovoy habe ich noch für Euch, und zwar Gardez-Moi. Diese Woche stand ganz im Namen dieses französischen Hauses – vollkommen zu Recht, mich konnten die Neuveröffentlichungen überzeugen. Wie so häufig habe ich mir meinen Favoriten für den Schluss aufgehoben: Gardez-Moi ist nicht nur die letzte der Lancierungen, sondern auch mein Liebling.
Blogleser, die mich schon eine Zeit lang begleiten, werden wissen, dass das mit den Weißblühern und mir eine lange und schwierige Geschichte war: Anfänglich konnte ich derlei gar nichts abgewinnen, hielt mich immer streng an Coco Chanel, der auch nicht einleuchtete, weshalb Frauen nach Blumen riechen müssen. Und irgendwann, unter anderem vor allem dank Serge Lutens und dessen Tuberosenassoziationen mit Baudelaires Blumen des Bösen – da war es dann um mich geschehen. Seitdem liebe ich Tuberosen und, ganz besonders auch – Gardenien. Diese beiden Verführerinnen haben aber auch etwas gemeinsam, ich hatte es bereits in dem Artikel zu Parfumerie Générales Duft Gardenia Grand Soir geschrieben:
„Zum Thema Gardenie sollte nicht unerwähnt gelassen werden, daß Gardenie eigentlich immer irgendwie eine Fälschung ist: Natürliche Gardenie wird gar nicht eingesetzt, laut dem Parfumhistoriker Octavian Coifan nicht mehr – in den 30ern gab es wohl letzte Reste einer teuren Essenz. Luca Turin hat in NY einen Shop entdeckt, der jenes wohl wieder zu horrenden Preisen führt, über 70 Jahre später. Gardeniendüfte werden ergo über einen Akkord gebaut, in welchem oft andere Weißblüher stattdessen duften, ob nun natürliche oder synthetische. Nicht fehlen darf natürlich auch jene pilzige Komponente, die der Gardenie als einziger Blume so eigen ist.“
Häufig findet sich also in Gardeniendüften deren große Schwester, die Tuberose, die Hilfestellung leistet, den Duft von Gardenien nachzustellen. Gardez-Moi nun ist ein ganz besonderer Duft aus dem Hause Jovoy, nämlich einer, der sich auf einen alten Klassiker des Hauses bezieht aus dem Jahre 1926:
„Today, Gardez-Moi is the latest opus to pay tribute to the early days of the Maison. It was a time when the city’s most celebrated and infamous courtesans and mistresses were showered in tokens of their suitors’ esteem, in the form of a perfume, a passionate plea: “Gardez-Moi” – “keep me”.“
Oooh, und jetzt erzählen Jovoy auch noch von Kurtisanen, von berühmt-berüchtigten… Dieser Tage habe ich Euch noch von meiner Schwäche für die Zeit des Fin de Siècle erzählt, jetzt könnte ich gerade so weitermachen: Abgesehen davon, dass ich Bücher über Kurtisanen mag (man denke nur an Zolas Nana oder die Kameliendame von Dumas) gibt es eine Kurtisane, die ich um ihren Einfluss und ihre Lieb- und Leidenschaften beneide – die Rede ist von Apollonie Sabatier. Madame lebte von 1822 bis 1889, einen Großteil der Jahre verbrachte sie natürlich in Paris, wo sie einen bekannten Salon unterhielt. Alle Großen ihrer Zeit – Künstler, Literaten und andere – verkehrten bei ihr, bei „La Présidente“, wie sie von Edmond de Goncourt getauft wurde: Édouard Manet, Victor Hugo, Gustave Flaubert, Hector Berlioz, Théophile Gautier und Charles Baudelaire, um nur einige zu nennen – und auf das Werk der letzten beiden übte sie einen großen Einfluss aus.
Was muss das für eine Frau gewesen sein, die derlei Männer becircen konnte? Mit Sicherheit keine Fußballerfrau, keine Schmuckdesignerin, die abgehalfterte E-Promis ehelicht und auch keine silikonbrüstige Dschungelcampanwärterin… Die beiden ausgewählten Bilder stellen sie dar, einmal als Skulptur „Frau, von einer Schlange gebissen“ von Auguste Clésinger und als zweites auf einem Porträt, gemalt von Vincent Vidal. Und siehe da, was umrankt sie? Weiße Blüten natürlich, wie soll es auch anders sein bei einer solchen Verführerin – insofern passt sie perfekt zu unserem Duft: Unsere olfaktorische Verführerin Gardez-Moi ist der Phiole von Bertrand Duchaufour entstiegen, der über den Duft Folgendes verlauten lässt:
„You could say that this gardenia is a very opulent, very rich bouquet of white flowers that offers a contrast between fresh, aqueous effects (cyclamen and watery notes) and the vegetal effect of crushed leaves in the top notes. Together they carry the ensemble and make the perfume at once rich and harmonious, feminine and sensual, while it remains true overtime.“
Schauen wir uns einmal die Noten an: Kopfnote: Koriander, Aldehyde, Schwarzer Pfeffer, Alpenveilchen, Tomatenblätter; Herznote: Ylang-Ylang, Jasmin, Mimose, Gardenie, Lilie; Basisnote: Virginia-Zedernholz, Styraxharz, Moschus, Vanille, Eichenmoos, Himbeere.
Der Auftakt von Gardez-Moi ist Grün, wässrig grün, transparent floral und ein wenig… „gemüsig“, was sich mir sofort erschließt, als ich von den Tomatenblättern lese. Zermahlene Tomatenblätter, ein ungewöhnlicher Auftakt, eine ungewöhnliche Note – und eine, die mir schon immer Freude bereitet hat, mal abgesehen davon, dass mich Harmen ohnehin als „Paradeiser-Kaiser“ geoutet hat (ich liiiebe Tomaten…). Ein leiser Hauch Schärfe, ansonsten aquatisch-wässrig-florale Anklänge, die mit der Zeit immer seifiger und sauberer werden. Im Hintergrund nehme ich Fruchtiges wahr, die Aldehyde vermitteln hier den Eindruck von… unreifer Honigmelone und grünen Bananen sowie Himbeeren, ich meine auch Gurke zu entdecken. Aber das ist alles nur Beleitmusik für eine göttliche Diva: Eine herrliche, gar wunderbare Gardenie, deren grüne und wässrige Anklänge perfekt unterstrichen werden durch ihr Orchester. Süß, milchig, verhalten kokosnussig und opulent blühend, ihrer selbst gewiss stellt sie alles andere in den Schatten – und währt bis in die Basis, die ihr ein wohlig-vorgewärmtes Lager beschert. Eines, auf dem sie sich wacker weiter räkelt…
Liebe Freunde – … hier bedarf es nicht vieler Worte: Für mich eine der Veröffentlichungen dieses Jahr. Ein Must-Have. Hat soeben meine Lieblings-Gardenie Gardénia Pétale von Van Cleef & Arpels entthront. Und steht somit auch ganz oben in meiner Weißblüher-Top-Ten! „Nimm mich“ muss mir diese Blüte nicht mehr zuraunen – ich bin ihr schon längst verfallen, mit Haut und Haaren, Körper, Geist und Seele!
Alles Liebe,
Eure Ulrike – verzaubert, wirklich und ganz ehrlich.
P.S.: Apropos – preisgünstig (weil antiquarisch erhältlich) und lesenswert: Die weiße Venus – Madame Sabatier von S. & M. Farin.
Dieses Mal will ich nicht zu spät sein…
Abfüllung von Gardez-Moi wurde heute morgen bestellt. Bin sehr, sehr neugierig!
Barbara
Liebe Ulrike,
Das ist ein Duft…! Herrlich! Auch noch heute morgen vor dem Duschen war er auf meinem Handgelenk präsent.
Im Laufe des Tages musste ich nochmals die „Zutaten“ ansehen, als mir der Kokosnussduft in die Nase stieg. Aber da ist kein Kokos erwähnt… Als ich Deine Rezension nachgelesen habe, war mir alles klar. Die Kokosnuss ist eine Gardenie!
Oh ja, das ist ein Haben/Wollen/Sollen/Wünschen-Kandidat.
Liebe Grüsse,
Barbara
Das finde ich toll, dass Dir Gardez-Moi auch so gut gefällt! Bei mir hat er sich postwendend auf die erste Position meiner Wunschliste katapultiert. Er ist sicherlich bald fällig 😉
Viele liebe Grüße,
Ulrike, ebenfalls head-over-heels entflammt 😉