Wie duftet Reichtum? Parfums MDCI – „Chypre Palatin“

Invasion Barbare“ lautete der stürmische Titel des letzten Duftes, den ich hier von Parfums MDCI untersuchte und für mehr als gut befand. „Chypre Palatin“ soll heute im Rampenlicht stehen. „Chypre“ ist geläufig, bei „Palatin“ hingegen stehen einige Bedeutungsmöglichkeiten zur Auswahl. Die wahrscheinlichste liegt wohl im Namen einer der Sieben Hügel Roms. Palatin bezeichnete aber auch das höchste Amt im früheren Königreich Ungarn sowie einen tuchartigen Umhängekragen, der in der altpfälzischen Tracht seinen Ursprung hat und durch Lieselotte von der Pfalz in Frankreich beliebt wurde. Im Französischen ist der Palatin auch der Pfalzgraf und der Name „Pfalz“ geht wiederum auf den römischen Hügel Palatin zurück, denn Wikipedia weiß:

Unter einer Pfalz verstand man im Früh- und Hochmittelalter entstandene (Wohn-)Stützpunkte für den reisenden König (seltener auch für einen Bischof als Territorialherrn, der dem König gegenüber in Gastungspflicht stand). Der Begriff entstand in Anlehnung an den Palatin, einer der sieben Hügel Roms, auf dem in weiten Teilen der römischen Kaiserzeit Augustus residierte (Domus Augustana).

Chypre Palatin

Duftkomposition:
Kopfnote: Hyazinthe, Clementine, Aldehyde, Labdanum (Zistrose), Galbanum, Thymian, Lavendel; Herznote: Rose, Jasmin, Iris, Backpflaume, Gardenie; Basisnote: Benzoeharz, Styraxharz, Leder, Vanille, Tolubalsam, Castoreum, Costus, Eichenmoos, Sand-Strohblume

Kein Geringerer als Bertrand Duchaufour steht hinter dieser Kreation, die bereits in der Ehrfurcht einflößenden Duftnotenangabe sowie der an den Refillflakon gehängten Troddel die Komplexität der Schöpfung erahnen lässt. Ja und wenn man sich das Werk nun aufsprüht, wird schnell klar, dass man vier Pfoten und eine feuchte Schnauze bräuchte, um die einzelnen Komponenten für sich genau zu identifizieren. Der klassische Chypre-Aufbau ist als solcher zu erkennen, so befinden sich unter anderem zitrische Noten im Kopf, Rose im Herzen und reichlich Eichenmoos in der Basis, wurde aber moderner und nicht so „nostalgisch“ – andere würden sagen „antiquiert“ – umgesetzt.

2010-03-13 03-14 Köln 166 Wallraf-Richartz-Museum, Georg Osterwald, Blick vom Palatin auf Rom, Detail
https://www.flickr.com/photos/wm_archiv/4451865304/ https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/

Opulenz, Opulenz ist das Motto, da blüht es nach allen Regeln der Kunst, weiße Blüten – Jasmin, Gardenie, aber auch Vanille und Süßigkeit zeigt sich über der watteweichen Pudrigkeit recht deutlich. Mein erster Eindruck war: auch für Männer? Ausgeschlossen! Je länger ich aber herumschnuppere, desto mehr könnte ich mich mit dem Gedanken anfreunden. Auf der Haut ist der Duft ebenfalls überwältigend, vor allem die Blüten, die von würzigen, manchmal fast tierisch anmutenden Noten begleitet werden. Dabei sind das wohl die Vorboten der Harze und balsamischen Noten, die langsam aber immer stärker Fahrt aufnehmen und schließlich im Zusammenspiel mit dem Eichenmoos für den weichen Ausklang sorgen. Ein durchaus würziger, warmer und opulenter Unterbau orientalischen Ausmaßes, der unter der Blütenpracht schlummert und dann erwacht.

„Chypre Palatin“ ist sicher kein avantgardistischer oder allzu moderner Duft, denn er zeigt genug Traditionsbewusstsein, um der alten Duftfamilie Chypre treu zu bleiben. Mich fasziniert an dem Duft seine ungeheure Vielschichtigkeit. Zwar ist er zweifelsohne ein schwerer und reich ausgestatter Vertreter seiner Gattung, trotzdem wehen immer wieder auch leichte durchsichtige Elemente hindurch, die von den dominanten Bestandteilen nicht erschlagen werden, wie man vermuten könnte. Wirklich luxuriös und komplex! Ein Duft für Damen und experimentierfreudige Männer, ja, ich habe meine Meinung revidiert.

Viele Grüße
von Harmen

Neueste Kommentare

Harmen Biró Verfasst von:

Hallo, ich heiße Harmen, war bis vor Kurzem irgendwas­unddreißig und habe immer die Nase im Wind, um Duftschätze für Euch zu finden und hier vorzustellen. Selbst bevorzuge ich feine Lederdüfte oder Gewürzkompositionen, ohne mich da aber festzulegen. Warum auch? Es gibt ständig so viel Neues in der Welt der Düfte zu entdecken. → BIRÓ

5 Kommentare

  1. Jutta L.
    5. August 2013
    Antworten

    Hallo Harmen,

    ich stimme in (fast) allen Aspekten Deines schönen Reviews zu, Chypre Palatin ist ein toller Duft und ich finde, er hat das Zeug zum Klassiker! Aber ich würde umgekehrt sagen, es ist ein Duft für Männer, den auch Frauen tragen können.

    Lieben Gruss
    Jutta L.

  2. Stefanie
    6. August 2013
    Antworten

    Lange Zeit hatte ich einen Bogen gemacht um Klassiker einerseits (weil mutmaßlich unzeitgemäß) und um den Herrn Duchaufour andererseits (weil zu allgegenwärtig). Neuerdings muss – und möchte – ich allerdings zugeben: Unter den Klassikern gibt es atemberaubende Schöpfungen von ab-so-lut zeitloser Schönheit. Und wenn Monsieur etwas kann, dann Komplexität. Beides merkt man auch mit nur zwei Pfoten und einem trockenen Näschen. Und eben dieses/meines wird gerade extrem neugierig. Nachdem sich also schon die Grossmiths auf meinem Radarschirm eingenistet haben, gesellen sich nun auch Parfums MDCI dazu. Mein Konto möge es mit Contenance und Glanz überstehen 🙂

  3. Barbara
    6. August 2013
    Antworten

    Dann sind wir schon zwei, liebe Stefanie, bei mir sind die Parfums MDCI auch sehr auf dem Radarschirm bzw. Wunschliste gelandet. Wegen „Irish Leather“ muss letzte Woche eine erste Probeabfüllung von Parfums MDCI in letzter Minute den Platz räumen. Frau muss irgendwie Prioritäten setzen.

    Und irgendjemand hat mir die Mona di Orio-Düfte ans Herz gelegt ;-)). Für die Grossmith nehme ich ein bisschen Schuld auf mich…

    Und solche Rezensionen erleichtern den momentan Verzicht auch nicht wirklich… 😉

    Liebe Grüsse an alle,

    Barbara

  4. Stefanie
    7. August 2013
    Antworten

    …und so schließen sich gleich mehrere Kreise (was Frauen mit Prioritäten nur gefallen kann): Da erscheinen nicht einfach irgendwelche teuren Duftwässerchen auf dem Radar, sondern Kunst (von können kommend) landet nah am Herzen, immer wieder. Nicht zuletzt haben auch die Kreationen von Mona di Orio ihren Ursprung in der „alten Schule“. Und in einem Interview sprach sie davon, ihr Wissen und ihre Begabung „versprühen“, mit vielen Menschen teilen zu wollen. Inspiration. Ein schönes Ziel. Sieht so aus, als wärs auch ein Stückchen von uns 🙂

  5. Isabelle
    4. Juli 2014
    Antworten

    Lieber Harmen,
    nachdem ich auf Chypre Palatin gestern zufällig gestoßen bin, habe ich deine schöne Rezension gelesen.
    Mit der Chypre-Familie habe ich Schwierigkeiten. Ich habe viele Düfte dieser Gattung getestet, ohne große Erfolg (außer Citizen Queen, der scheint, ein Chypre zu sein; und Une Rose Chyprée von Andy Tauer). Es fällt mir sogar schwer, Chypre-Düfte als Chypre zu erkennen!
    Und dazu dachte ich, dass Chypre Palatin wirklich-für-Männer-und-nur-für-Männer ist. Wie du siehst, meine Geschichte mit diesem Duft hatte nicht richtig gut angefangen…
    MDCI hat mein Interesse geweckt mit „Le Rivage des Syrtes“. „Le Rivage des Syrtes“ ist ein Buch von Julien Gracq, ein wunderbarer Schriftsteller. Dieses Buch hatte ich vor mehr als 20 Jahren gelesen, als ich erfahren habe, dass Mme de Nicolai einen Duft mit gleichem Name kreeirt hatte. Und vom Duft wurde ich nicht entäuscht, ganz im Gegenteil.
    Dann kam „Enlèvement au Sérail“… und noch später „Péché Cardinal“… Jedes Mal: coup de foudre! Monsieur Claude Marchal gelingt es immer wieder, luxüriose und komplexe Düfte zu schaffen, mit diesem Gleichgewicht zwischen Tradition und Innovation, das ich so sehr schätze.
    Und jetzt bin ich von Chypre Palatin sehr, sehr angetan. Stunden lang erzählt er eine Geschichte, vom Spaziergang im grünen Wald und Garten in voller Blüte bis zum Abend in der Oper mit eleganten und (wie damals) parfümierten Lederhandschuhen…
    Wie ein Sommernachtstraum…
    http://www.youtube.com/watch?v=irh8YqRHtmc (Le Songe d’une Nuit d’Été, Ambroise Thomas, 1850).
    Viele liebe Grüße und vielen, vielen Dank für deine / eure wundervolle Rezensionen, die ich fast täglich mit so viel Freude lese!
    Isabelle

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