Der Barbar ist immer der andere…

INVBAR Beim ungestümen Namen „Invasion Barbare“ aus dem Hause Parfums MDCI muss ich an brandschatzende Hunnenverbände denken, die wie die sprichwörtliche Geißel Gottes übers Land fegen. Ein wilder Duft, etwa wie der nach dem osmanischen Säbel benannte „Yatagan“ von Caron (Besprechung siehe hier)?

Überhaupt ist die Kollektion von Parfums MDCI Paris bei uns bislang ein wenig kurz gekommen. Außer Ulrikes Beitrag zu „La Belle Hélène“ finde ich nur gähnende Leere im Duftverzeichnis.

Gähnende Leere könnte sich auch im Geldbeutel breitmachen, denn die Düfte von Parfums MDCI kann man in durchaus kostspieligen Gefäßen erwerben. In der Limoges-Kollektion befindet sich auf jedem Kristallflakon eine Büste, gefertigt aus Bisque-Porzellan. Diese Variante befindet sich im preislichen Mittelfeld. Wer seiner kostbaren Parfumkreation ein wahrhaft luxuriöses Äußeres spendieren möchte, findet hierzu je nach Duft edelste Kristallflakons inklusive zweier Refills wie die Editionen „Black Crystal“, „Blue Crystal“, „White Crystal“ oder den Bleikristallflakon. Diese Opulenz in der Gestaltung ist sicher nicht jedermanns Sache, und sollte darüber hinaus das Sparschwein nur aus Haut und Knochen bestehen, gibt es immer noch die Möglichkeit, sich einen schlichten Nachfüllflakon anzuschaffen.

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Mór Than [Public domain]
Aber zurück zum Einfall der Barbaren, der ebenfalls in verschiedenen Varianten (oder als Refill) erhältlich ist. Diesen komponierte die Parfumeurin Stéphanie Bakouche und überrascht auf den ersten Riecher mit einem Nasenstüber à la klassisches Herrenparfum, Lavendel, Hölzer, oft gerochen … aber nach wenigen Sekunden muss ich schon gedanklich gehörig zurückrudern: der erste kräftige Zitrus-Lavendelhauch lichtet sich, und der Duft fächert sich enorm auf. Auf dem Duftstreifen kommen Gewürze und auch Blüten zum Vorschein, hier und da blitzt sogar süßliche Vanille kurz auf, um letztlich in einem satten Zedernholzton mit Thymiannote auszuklingen.

Auch von der Haut aus beißt „Invasion Barbare“ in der Nase, Grapefruit, Bergamotte, Kardamom, Lavendel sowie Ingwer haben jeder für sich das Potential, dies zu bewirken. Ich vernehme daraufhin eine bislang auf dem Streifen unentdeckte Ledernote und bin doch ziemlich überrascht, dass der Duft auf der Haut so andersartig herauskommt. Der Ausklang auf der Haut ist weich, da spielt dann doch deutlich der Moschus hinein und im Zusammenspiel mit Vanille und Zedernholz entsteht eine harmonische Abrundung. Der wilde Beginn bleibt aber im Hintergrund als würzige Note bestehen.

Die Duftnoten:
Kopfnote: Grapefruit, Bergamotte, Veilchenblätter
Herznote: Thymian, Kardamom, Lavendel, Ingwer
Basisnote: Zedernholz, Vanille, Moschus

Trotz der Tiefe und der Vielschichtigkeit möchte ich den Duft wenigstens zum Großteil in die Schublade klassische Herrendüfte stecken, sodass sich die Frage stellt, wie er zu seinem Namen kommt. Denn allzu fremdartig oder barbarisch ist er nicht – an anderer Stelle wird gemunkelt, dass es sich um eine Wortspiel mit „Barber“ handele. Wie dem auch sei, unsere liebe Barbareninvasion ist nicht – ich hätte fast geschrieben: „nicht schlimmer als eine Gruppe pensionierter deutscher Oberstudienräte auf Bildungsreise“. Nein, zugegeben haben wir einen kräftigen Auftakt, vielleicht das Aufeinandertreffen zweier Kulturen, die im Laufe der Zeit zu etwas Neuem verschmelzen. Oder man wählt die simple Interpretation, dass hier schlicht und ergreifend ein klassisches Herrenthema mit neuen Aspekten erfüllt wurde.

Kann „Invasion Barbare“ auch von einer Frau getragen werden, die keine Amazone ist? Aber ja doch! Trägt der Autor dieses Artikels ab heute nur noch „Invasion Barbare“? Das nicht, vielleicht muss doch noch ein bisschen Wasser den Neckar hinunterfließen, wie man in unserem Landstrich sagt, bis der Duft wirklich zu mir passen würde. Aber ein erhellendes und höchst interessantes Dufterlebnis ist dieser Duft allemal.

Barbarische Grüße
Harmen

Neueste Kommentare

Harmen Biró Verfasst von:

Hallo, ich heiße Harmen, war bis vor Kurzem irgendwas­unddreißig und habe immer die Nase im Wind, um Duftschätze für Euch zu finden und hier vorzustellen. Selbst bevorzuge ich feine Lederdüfte oder Gewürzkompositionen, ohne mich da aber festzulegen. Warum auch? Es gibt ständig so viel Neues in der Welt der Düfte zu entdecken. → BIRÓ

5 Kommentare

  1. Waltraud Seeman
    16. Juli 2013
    Antworten

    Ich protestiere: Mein Ehgespons ist ein pensionierter alter Oberstudienrat über 70! Und niemals nich‘ würde er so einen klassischen Herrenduft tragen, wenn er überhaupt ein Parfüm benutzt! Er mag genau diese Düfte nicht, sie verkörpern für ihn irgendwie schlagende Verbindung, Pommerjunkeradel, etepetete gescheitelte Oberstudienräte noch aus jenen unseligen Zeiten etc. Er mag lieber Damendüfte und auch meine holzig-rauchigen etc….an mir schuppern:-D
    Liebe Grüße

  2. Harmen
    16. Juli 2013
    Antworten

    Liebe Waltraud,
    mit „ich hätte fast geschrieben“ habe ich mir ja eine Generalvollmacht ausgestellt, alle Unverschämtheiten schreiben zu können, ohne dass man mich zur Rechenschaft ziehen kann. 🙂
    Ein schlagendes Argument mit Schmiss, nicht wahr? 😀
    Liebe Grüße zurück
    Harmen

  3. Waltraud Seeman
    17. Juli 2013
    Antworten

    Lieber Harmen, schade, ich würde Dich gerne mit Schmiss sehen.Ich habe noch solche Leute kennen gelernt. Aber wozu gibts Theaterschminke. Aber wie ist es mit einer Augenklappe? Das ist schnell gemacht, Holzbein, Jodhpurhosen, Lodenmantel?:-D. da gäbe es noch ein paar Requisiten.
    Liebe Grüße, Waltraud

  4. Barbara
    18. Juli 2013
    Antworten

    Liebe Waltraud,

    Ich möchte mich nicht in Ihr Gespräch mit Harmen einmischen, aber ich ergreife die günstige Gelegenheit, um mich für Ihre immer tollen Produktbesprechungen zu bedanken.

    Es ist immer ein ganz besonderes Vergnügen. Und Ihr Kommentar zum „September“ von Erik Kormann… Ich war ganz gerührt.

    Ich freue mich schon auf Ihre nächsten Produktemeinungen.

    Ganz einen schönen Sommertag wünscht Ihnen

    Barbara

  5. Waltraud Seeman
    18. Juli 2013
    Antworten

    Danke, liebe Barbara, sie haben etwas von meinem Innersten verstanden, ich habe Sie ge/berührt. Es macht den Tag gleich heller, so etwas zu lesen. Ihnen auch besonders schöne Sommertage, Waltraud

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