haben wir dieses Jahr in Mailand entdeckt und wie versprochen stelle ich Euch nun die fünf Düfte vor. Giuseppe Imprezzabile ist der Name des netten Herrns dahinter, der von Haus aus Chemiker ist. Monsieur besaß ein Reformhaus in der norditalienischen Stadt Salsomaggiore Terme, bis ihn seine Leidenschaft für Düfte, Dichtung – er ist ein großer Fan von Neruda, Rilke und de la Cruz – übermannte und er sein eigenes Dufthaus schuf: Meo Fusciuni. Meo war der Kosename seines Vaters und Fusciuni bedeutet im Sizilianischen „fließend“, ein Begriff, mit dem der Großvater ihn beschrieb. Alle Düfte von Imprezzabile werden handgefertigt, den hinter dem Namen Meo Fusciuni verbergen sich nur er und seine Geschäfts- und Lebenspartnerin Federica Castellani. Seine Werke sieht er von „Das Leben ein Traum“ inspiriert, jenem Versdrama von Pedro Calderón de la Barca aus dem 17. Jahrhundert, das sich um das Geheimnis des Lebens, die Rolle des Schicksals und den freien Willen des Menschen dreht.
Imprezzabile ist ein sehr sympathischer Zeitgenosse, was man in diesem, leider nur in italienischer Sprache geführten Video sofort sieht:
Sicher kann der eine oder andere von Euch Italienisch, ansonsten ist auch ein Blick auf die tollen Flakons einen Klick auf das Video wert.
Diesmal zäumen wir das Pferd, oder vielmehr die Kollektion, einmal von hinten auf: Beginnen werde ich heute mit einem neuen Duft von Meo Fusciuni, nämlich mit Notturno, dem morgen Luce folgt.
Notturno, die Nacht – schon alleine die Zutaten gereichen dieser zur Ehre: Kopfnote: Rum, Ananas; Herznote: Tinte, Leder, Gewürznelke, Birke; Basisnote: Ambra, Moschus, Weihrauch, Zedernholz. Wie war das bei Herta Müller – die Nacht ist aus Tinte gemacht. Was für eine schöne Metapher. Tinte ist für Fusciuni (Imprezzabile nennt sich gerne so) „der poetische Teil von Notturno, sie verleiht ihm eine Harmonie, und es ist das erste Mal, dass ich sie in einem meiner Düfte verwendete. Notturno entstand aus der Poesie, welche die Inspiration hinter dem Duft ist. Erst war er ein Gedicht, dann ein Parfum.“
Tinte in einem Duft kennen wir ansonsten nur von Comme des Garçons, schauen wir mal, wie Fusciuni es umsetzt… Hossa, ordentlich, würde ich sagen: Rum – eine Hommage an sagenhafte Feste mit Freunden, vielleicht auch… um die Ohren geschlagene Nächte beim Kreieren? Diese Amour Fou ist zünftig: Südseerum mit seinen leicht fruchtigen Anleihen, die hier von deutlich wahrnehmbarer Ananas gestärkt sich sehen, gepaart mit, – ja, Tinte. Tiefdunkelblauschwarzer Tinte. Eine, die die Nacht zum Strahlen bringt. Eine Nacht, die in Tinte getaucht ist und in Leder gewandet. Und Holz atmet, altes, erhabenes, trockenes Holz, von sanftem Rauch umwallt.
Notturno ist nicht für jeden. Aber sicher von Männlein wie Weiblein tragbar. Allerdings sollte ich auf die Diminuitive verzichten – „chens“ und „leins“ werden sicher nicht zu diesem Parfum greifen, dafür ist Notturno zu markant. Zu kraftvoll. Zu eigen. Der Duft hat Persönlichkeit. Und braucht Persönlichkeit. Und Zeit – die sollte man ihm geben, um ihn richtig einzuschätzen und zu schätzen.
Fusciuni liebt Neruda – und ich finde, dass Notturno in seiner Kompromisslosigkeit etwas von dessen Gedichten an sich hat. Habe ich schon mal erwähnt, dass ich den Mann sofort heiraten würde, der mir solche Gedichte schreiben könnte und würde? Nein? Würde ich. Neruda, chilenischer Nobelpreisträger, hat viele Liebesgedichte geschrieben, eigentlich fast nur. An Frauen – meistens an eine, aber hintereinander betrachtet an mehrere. Der „Dichter der Liebe“, wie in seine letzte Frau nannte. Da kommen dann solch glühende Zeilen heraus wie diese hier – „Deine Hände“:
Wenn deine Hände, Liebe, meinen entgegenkommen, was bringen sie mir, fliegend? Warum hielten sie plötzlich inne auf meinem Mund? Wie erkenne ich sie, als hätte ich sie damals, früher schon mal berührt, und als wären sie früher, ehe sie selber waren, mir schon über die Stirne, über die Hüfte gestreift? Ihre Sanftheit kam her, fliegend über die Zeit, über das Meer, den Rauch, über den Frühling flügelnd, und als du deine Hände mir auf die Brust gelegt, erkannte ich die Flügel der goldfiedrigen Taube, erkannte ich die Kreide und die Farbe von Weizen. Mein ganzes Leben habe ich nach ihnen gesucht. Treppen stieg ich empor, ging über Pflasterstraßen, Züge trugen mich fort, Wasser brachten mich her, und auf der Haut der Trauben meinte ich dich zu fühlen. Das Holz gab unversehens mir Berührung mit dir, und die Mandel verhieß mir deine heimliche Sanftheit, bis deine Hände sich schlossen auf meiner Brust, um hier nun wie zwei Flügel zu beenden die Reise.Unglaublich schön, wie ich finde. Diese Glut, dieses Temperament, diese Emotionen. Deren Intensität, deren Gier, deren Verzweiflung, die sich auch in solchen Zeilen wie in den folgenden finden – „Die Verfehlung“:
Wenn Dein Fuß noch einmal fehlgeht, wird er abgehauen. Wenn Deine Hand Dich auf einen anderen Weg führt, fällt sie verfault zu Boden. Wenn Du mir Dein Leben entziehst, stirbst Du bei lebendigem Leibe. Als Tote oder als Schatten wirst Du ohne mich dann durch die Welt gehn.Neruda passt zu Notturno und dessen Gefühlslage – Ihr werdet sehen. Und mir hoffentlich berichten!
Viele liebe Grüße,
Eure Ulrike.
Bei „markant“ wollte ich ja schon abwinken. Aber Pablo Neruda ist ein Reizwort. Seine Gedichte sind enfach großartig und berührend. Auch seine Autobiografie ist spannend und dazu noch voller Poesie und wunderschöner Worte und Bilder geschrieben – unbedingte „Test“-Empfehlung. Wie auch für den Namenspaten – Jan Neruda – nebenbei bemerkt.
Nach dem ich von Luce sehr begeistert bin (leider nicht meine Haut :-(, muss ich nun unbedingt die Nacht testen.
Das eine Vampirmutter die Nacht empfiehlt ist ja wohl irgendwie zwingend?
Nachtrag: So, nun konnte ich auch die Nacht testen ;-). Und sie gefällt mir ausnehmend gut. Und dezent gesprüht entfaltet sich gar kein Wummser sondern ein sehr tragbarer und zugleich distanzierter Begleiter. Schön, sehr schön und ein weiterer Pflasterstein auf dem Weg zum Ruín – den will nein muss ich haben!
Oh ja, ich liebe Neruda, Pablo. Von Jan kenne ich nichts – sollte ich mal, ja?
Das mit der Vampirmutter und der Nacht – nun ja… ähöm… *grins*
Ich finde sie toll, die Nacht – freut mich, dass sie Dir ebenfalls gefällt!
Viele liebe Grüße,
Uli.