Der Prinz der Vagabunden…

… – was für ein herrlicher Name, oder? Das zumindest war der erste Eindruck von diesem neuen Label, der erste Gedanke, welcher mir durch den Kopf schoss, als ich erstmals davon las. Und es wird alles noch besser, noch viel, viel besser. Einen Duft hat man lanciert, bisher – und der hört auf einen ähnlich schönen Namen: Enchanted Forest, der Märchenwald. Die Macher dahinter sind auch die Macher hinter dem riesigen Parfumforum Fragrantica. Wir haben es diesmal also mit Menschen zu tun, die schon seit Jahren eine glühende Passion für Parfums und vor allem auch für die Nische hegen – und sich, wie ich annehme, einen lang gehegten Traum erfüllen mit ihrem ersten eigenen Duft. Aber lassen wir diese doch einmal zu Wort kommen:

Enchanted Forest is a fantasy that smells very realistic, almost tangible due to its natural parts and Bertrand’s mastery. Bertrand created a parallel reality, a tale that can be lived. When you smell Enchanted Forest, you don’t even need to fantasize, it comes instantly through recognition. The composition can be called a soliflore with its focus on one plant, but thanks to its magnificent complexity and ability to disguise, we can experience a whole landscape: the forest, from the green needles of its tips to the wet mossy floor.“ (Elena Knezhevich, Quelle: Fragrantica)

The_Vagabond_Prince_Side

Von Bertrand ist da die Rede – und der geneigte Leser wird sogleich wissen, von welchem Bertrand hier die Rede ist: Natürlich Monsieur Duchaufour, wer sonst? Man hat sich also einen exzellenten Parfumeur gesucht für die Umsetzung dieses Märchenwaldes. Und dieser weiß jede Menge zum Duft zu erzählen, wie er in einem langen und interessanten (von uns übersetzten) Interview bei Fragrantica preisgibt:

Enchanted Forest ist aus mehreren Gründen ein einzigartiger Duft. Enchanted Forest ist das einzige Parfum, das ich kenne, das um die Schwarze Johannisbeere als einziges Rohmaterial herum konstruiert wurde und das man somit als Cassis bezeichnen kann. Ein weiterer Grund seiner Einzigartigkeit ist sein Thema, das heidnische Kupala-Fest – eine typisch slawische Tradition, die selbst in Ländern wie Russland fortlebt und deren Riten eine Huldigung an die Natur und die Geheimnisse des Waldes darstellen.

Die Herausforderung war gewaltig: Ich musste das Rohmaterial (Schwarze Johannisbeere) vergrößern, ein Stoff, der oft in der Parfumkunst verwendet und manchmal auch durch die Noten von Roten Früchten überdosiert wird, so dass ich deswegen eine Art Soliflor herstellte. Soliflores werden in der Regel auf floralen Grundlagen wie Jasmin, Rose oder Tuberose aufgebaut, aber für Enchanted Forest war die Absicht eine ziemlich andere… ich hatte die Idee, die Schwarze Johannisbeere durch die gesamte Struktur des Parfums (Kopf, Herz, Basis) aufzubauen. Um dies zu erreichen, verwendete ich ein Schwarzes-Johannisbeer-CO2 (eine Methode, wie man die Schwarze Johannisbeere extrahiert und ein Concrete daraus macht), ein Absolu und zwei verschiedenen Basen aus Schwarzer Johannisbeere, eine davon war meine eigene Kreation, um eine Art Skelett zu bauen, eine vertikale Struktur, auf der das gesamte Parfum gebaut werden sollte.

Meine Inspiration für diesen Duft war primär die Frucht der Schwarzen Johannisbeere selbst, aus der ich enorme Kräfte für den Duft ziehen konnte. Die Schwarze Johannisbeere ist die WICHTIGSTE fruchtige Note ihrer Klasse, die es in der Parfumkunst gibt. Es gibt mehr als 400 Rohmaterialien in der Palette des Parfumeurs, die fruchtig riechen. Schwarze Johannisbeere und die Schwefeleffekte der Schwarzen Johannisbeere sind die Basis für die Rekonstruktion fast aller Früchte, die Parfumeure und Flavoristen kennen. Sie ist MÄCHTIG! Ich arbeitete mich durch alle Formen der Schwarzen Johannisbeere hindurch, die existieren, außer natürlicher Fruchtsaft, Marmelade und Bonbons… Ich habe die Effekte von Orange und anderen roten Früchten hinzugegeben, um einen kultivierteren Aspekt dieser Frucht zu erhalten.

Meine zweite Idee war es, die Schwarze Johannisbeere mit dem Geruch des Waldes zu verbinden… eine sehr interessante Verbindung, weil man in der Schwarzen Johannisbeere Nuancen von intensiven holzigen Pflanzen entdecken kann. Die Schwarze Johannisbeere besitzt Facetten von „Gras-Porridge“ (gekochte Kräuter, wie eine Suppe!), die direkt mit den grünen krautigen Noten harmonieren und sogar mit Aromen, die die Kreation verschiedener Walddüfte begünstigen… Ich wollte die dunklen, mysteriösen, fast beängstigenden Aspekte des Waldes herausarbeiten, all das, was Mystik hervorruft und dem Menschen im Wald fast übernatürlich erscheint: Tiere, deren Existenz (vor allem im Westen) vergessen wurde, die Sümpfe, die ewige Zersetzung abgestorbener Pflanzen und das konstante Nachwachsen, die Lebenskraft der Natur, die der Mensch zu tief in sich selbst versteckt hat…

Diese Kraft erweckte ich durch die pulsierende Skelettstruktur eines würzig-holzigen Chypre (Patchouli, Moos, Vetiver, Castoreum), aber auch durch die warme und beruhigende Wirkung von Tannenbalsam (Piniennadel-Absolu), welches die holzigen Noten verstärkt und jedem Parfum einen immergrünen Aspekt verleiht. Ich verwendete das Tannenbalsam, weil es die Quintessenz des russischen Waldes verkörpert… Ich liebe den Duft des Waldes, so war es ein Leichtes für mich, die erdigen Noten, die ich liebe, mit der Pinie zu verbinden und mit den getrockneten Piniennadeln, welche den Boden der endlosen Pinien- und Tannenwälder bedecken. Das erinnert mich an meine Kindheit, denn ich verbrachte 11 Jahre mit einem Pinienwald hinter meinem Haus. Außerdem lebte ich in der Gegend von Nancy, im Osten Frankreichs, die am meisten an Russland erinnert. In dieser Region haben wir einige der schönsten Wälder in Frankreich!“

Soviel Material, dem es nachzugehen lohnt… Heute konzentrieren wir uns erst einmal auf – schwarze Johannisbeeren, denn diese sind, wie generell dunkle und oder rote Beeren, nicht allzu oft in Düften anzutreffen, vor allem monothematisch. Sublime Balkiss, die moderne Schöne von Céline Ellena, die chypriert-beerige, kommt mir in den Sinn. Darüber hinaus denke ich an… Lancômes neuen La Vie est belle (Das Leben ist schön), der mir viel zu papsig-süß war, an den schlicht-klassischen Immergeher Rose Wood/Blackcurrant/Cyclamen von Korres, an die herrliche fruchtige Iris namens 04 Petrana aus dem Hause Odin als auch an Van Cleef & Arpels zuckrige Feerie. Und dann wären da noch Spuren zu finden in diversen Düftchen – Juliette has a Guns Mad Madame, Bond No. 9 Bleecker Street, Malles Portrait of a Lady und anderen. Dann wäre da noch ein alter Klassiker, Kenzos Le Monde est beau (Die Welt ist schön), ein sommerlich-grüner Wildwuchs-Abenteuergarten mit prägnanter schwarzer Johannisbeere.

Freshed Picked Currants

Und da verließen sie ihn oder vielmehr mich aber auch schon wieder – so wahnsinnig viel mehr Johannisbeertaugliches mag mir nicht einfallen, Euch?

Bezüglich dem Märchenwald Enchanted Forest gibt es allerdings noch mehr zu lüften als die Johannisbeernote – mehr zum Duft folgt morgen in Teil 2 der Rezension. Bis dahin alles Liebe,

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

4 Kommentare

  1. Waltraud Seemann
    2. Mai 2013
    Antworten

    Liebe Ulrike, auch sonst mag ich keine schwarzen Johannisbeeren. Finde ich ekelhaft. Sie sollen, so habe ich einmal gelesen, den Geruch von Wanzen haben. Jedoch mit Rose und geschickt abgemixt kann es doch sehr schön sein. Ich müsste es probieren. Jedoch, da habe ich jetzt erstmal viele andere Wünsche. Ich weiß gar nicht, wieso auf einmal in so vielen Düften Joha enthalten ist. Auch zu Zeiten, als ich noch Wein trank, war bereits der Joha-Geschmack in vielen Rotweinen. Offenbar kann man Johannesbeere in Weinstöcke einkreuzen. Es gibt so viele schöne Riechstoffe, warum ausgerechnet diese sauren, Oxalsäure enthaltenden Gartenfrüchte?
    Liebe Grüße, Waltraud

  2. Jutta L.
    2. Mai 2013
    Antworten

    Liebe Uli,

    Du machst es ja mal wieder spannend! Aber neugierig wie ich bin, habe ich den Duft natürlich schon getestet und es war einer der wenigen Düfte in letzter Zeit, der mich richtig berührt und getroffen hat. Ich habe da etwas völlig Neues gerochen, er ist einerseits so klar, aber dann wieder kraftvoll, vielschichtig und irgendwie noch etwas fast lüsternes. Ist vielleicht das Erdige gegen später. Leider nur mal wieder für meinen Geschmack zu männlich im „Finish“. Bitte das Gleiche nochmal in feminin, dann ist er mein ;o).

    Lieben Gruss
    Jutta

  3. Chris
    2. Mai 2013
    Antworten

    Oh,ichhoffe,morgendannauchzuerfahren,obdieseherfrdieDamenweltwaswreoderobmanndasauchtragenkannoderdarf,undzwarzweifelsfreioderTendenzen,dennmeinereinersuchtnochwasfrischfruchtigesfrdenSommer,sofernerdannnundemnchstmalkommensollte…

  4. Ulrike
    6. Mai 2013
    Antworten

    Hallo Ihr Lieben,

    zuerst einmal vielen Dank für Eure zahlreichen Kommentare!
    Betreffs der Frage im zweiten Artikel zu Enchanted Forest: Es gibt KEINE Freitagsverlosungen mehr. Aber da das Interesse an dem Vagabundenprinzen so ungebrochen ist, habe ich ein kleines Schmankerl für Euch: Die ERSTEN ZEHN, die mir an meine E-Mail-Adresse u.knoell@ausliebezumduft.de schreiben (bitte mit Namen und Adresse), bekommen ein Gratispröbchen zugesendet 🙂

    Viele liebe Grüße,

    Eure Ulrike.

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