mit Erik Kormann, Besitzer des Berliner Seifenladens 1000&1 Seife, leben wir heute einen weiteren Tag. Gestern hatte ich Euch bereits die Hintergründe zu Eriks Monats-Düften erzählt, vor allem aber zu seinem September, seinem olfaktorischen, der für uns hoffentlich erst einmal den Frühling einleitet? Die Wetterprognosen sehen nicht schlecht aus, vielleicht wird es ja doch noch was?
In jedem Falle gelüstete es Erik in diesen dunklen Tagen nach einer Neuauflage seines Septembers, die jetzt bei uns im Shop gelandet ist. Anlässlich dieses Relaunch hat uns Erik in seinem tollen Aromatischen Blog auch einige Fragen beantwortet, die man sich anlässlich seiner Flakongestaltung vielleicht gestellt haben mag:
„Es ist noch nicht ganz Frühling – Eiszeit wäre eine bessere Umschreibung der aktuellen Wetterlage – und ich sehe mich schon, wie ich zu Ostern die Eier im Schnee verstecke. Doch so rein dufttechnisch ist bei mir bereits September. Nach langer Zeit habe ich die No. 9 wieder angemischt. Mein Lieblingsparfum und diesmal erkläre ich auch warum. Erste Frage: Wie wird aus einer 9 ein Elefant? So! Zweite Frage: Warum ein Elefantenkopf. Ganz einfach. Welches Tier sonst hätte man leicht aus einer 9 heraus zeichnen können? Ich bin kein Grafiker, Jo war nicht da, und weil zum Thema Sandelholz ein Elefant gut paßt (Sandelholz, Indien, Elefanten ist schon logisch), wurde aus der 9 ein Elefantenkopf. Noch mehr Fragen zur Gestaltung?“
Ostern im Schnee hatten wir schon. Jetzt haben wir hoffentlich bald Frühling – und mich wird der neue September in eben diesem auch begleiten. Im ersten September verwendete Erik folgende Duftstoffe, die ich Euch gestern auch bereits näher erklärt hatte: Iso e Super, Hedione, Galaxolid, Polysantol, Javanol (pur, 6%), Timberol, echtes Sandelholz-Öl, Ketamber und Citral.
Das Ergebnis davon war ein beschwingt-heiterer Duft mit herben Anklängen: Verantwortlich dafür war eine leichte Wodka-Note, die einen beschwipst umschwirrte im Auftakt und hernach den Weg freimachte für ein gleichermaßen kokettes wie leichtes Duo von Zitronengras und Javanol, jenem floral-fruchtig-(sandel)holzigen Chemical, das es Erik so angetan hat und ihn überhaupt erst zu der Kreation des Duftes verleitete. Das Javanol bildete in jedem Fall die kraftvolle Basis, die von einer warmen und holzigen Wärme war, ohne jemals zuviel zu werden. Ein toller Stoff – und einer, der über eine unglaubliche Sillage verfügt. Auf der Haut hält er lange, auf Stoffen ewig – und erfreut(e) mich oft noch Wochen nach dem Tragen an Schals.
Diese Basis, das herrliche Javanol, bleibt „uns“ natürlich auch in dem neuen September erhalten – Erik hat aber an den anderen Ingredienzen etwas gedreht, wie er selbst verlauten lässt:
„Ursprünglich hatte der Duft eine leicht beschwipste Lemongrass-Kopfnote (mit etwas Grapefruit), was aber doch einige Leute, mich incl., gestört hat. Deshalb tauschte ich jetzt diese Kopfnote aus und nun gibt es dafür eine wirklich harmonische, fruchtig-süße Orange. Ein Herz im Sinne einer richtigen Komposition hat der Duft nicht. Wozu auch, schließlich wollen wir uns mal nicht mit Nebensächlichkeiten aufhalten. Einfach nur reichlich Hedione und fertig. Damit bekommt die fruchtige Kopfnote eine gute Haftung und in der Mittelnote treffen sich damit das zart blumige Hedione, noch etwas Orange aus der Kopfnote und erste Anklänge von der Basis, die aus zwei verschiedenen Sandelholzriechstoffen besteht (einer davon ist das Javanol), dazu eine leicht ambrierte Holznote (Ketamber) und etwas Moschus.
Und jetzt will ich ihnen verraten, was ich getan habe. Wie man Javanol verwendet, schrieb ich bereits [Nämlich so: „Man muß vielleicht noch wissen, daß dieser in der konzentrierten Form recht schwache Duftstoff in einem Parfum von absolut durchschlagender Wirkung ist. Wer Parfum selber mischen möchte und mit JAVANOL arbeiten will, dem kann ich nur empfehlen, sich eine 10%ige Lösung anzufertigen und von dieser Lösung max. drei bis fünf Prozent in einem Duft zu verwenden. Sie können auch mehr nehmen, aber das wird deshalb nicht stärker riechen (das ist eine wichtige Erfahrung. Mit Lavendel ginge das nicht)].
Allerdings geht es auch anders! Gute 8% pur. Es hätten auch 4 sein können, für die Wahrnehmung macht das keinen Unterschied! Aber mit 8% riecht es einfach noch länger nach Javanol. Zumal dieser Duftstoff ohnehin eine Haftung hat, die man nicht in Stunden oder 1-2 Tagen, sondern vielleicht in Wochen angeben sollte. Ein im Chemical eingetauchter Papierstreifen riecht jedenfalls locker 3-4 Wochen und wenn einige Leute meinen, der Duft hätte keine Haftung, dann empfehle ich Hanns Hatt, “Das Maiglöckchen-Phänomen”, S. 58, das Kapitel mit der Überschrift: “Adaption – Wenn die Nase einen Geruchsreiz ausblendet”. Javanol riecht einfach länger, in einer Mischung mit anderen Duftstoffen und Ethanol zudem intensiver als im Rohzustand, als alle anderen Stoffe in diesem Parfum. Ein weiterer Grund, nicht nur Javanol zu nehmen. In der Kombination entfaltet dieses Chemical erst so richtig seine durchschlagende Wirkung.
Das ist der September. Und weil Javanol länger, viel länger als Hedione, Moschus, Iso e Super und natürliches Sandelholz riecht, duftet mein September für lange Zeit nach JAVANOL.“
Auch, wenn an den Inhaltsstoffen nicht viel geändert wurde, hat der neue September für mich eine komplett andere Aussage: Leichter ist er geworden, fröhlicher und unbeschwerter. September der Erste atmete mit seinem Wodkakuss und dem Zitronengras ein bisschen mehr… die melancholische „Leichtigkeit“ des Seins. September der Zweite ist… optimistischer. Und gefällt mir, entgegen meinen sonstigen Vorlieben, in der Tat besser. Ein lebensfroher Duft voller Energie, die mandarinenhaft anmutende Orangennote verhilft zu frühlingshaftem Aufwind. Einfach, aber wirkungsvoll – und insofern einfach ein perfekter Begleiter für die hoffentlich jetzt bald mal eintretenden wärmeren Jahreszeiten!
Viele liebe Grüße und ein schönes Wochenende Euch,
Eure Ulrike.
Liebe Ulrike, ich will das alles gar nicht so genau wissen. Es nimmt einem die Illusion. Ist schon klar, dass wir nicht mehr die vermeintlich „natürichen“ Essenzen in Parfüms verwenden. Keiner reibt sich mehr mit Blütenblättern, Katzen-, Wal- und Moschussekreten oder kaltgepreßtem Öl ein. Seit man so hochprozentigen Alkohol destillieren kann hat sich auch die Herstellung der Duftstoffe verändert und das, so meine ich, durchaus zu unserem Vorteil und größerem Vergnügen.
Liebe Grüße, schönes Wochenende, Waltraud
Geht mir ähnlich, liebe Waltraud, und irgendwie auch wieder nicht. Natürlich ist es schön, auch von der Sprache rund um einen Duft verzaubert zu werden. Manchmal führen Fantasienamen oder PR-Prosa allerdings auf eine völlig falsche Fährte oder in die Welt der inhaltarmen bis -leeren Schaumschlägerei (Uli wird vielleicht schon wissen, worauf ich mit letzterem anspiele – wobei ich da demnächst Abitte tun muss und werde, habe nämlich den ersten „Jul et Mad“ getestet und BIN verzaubert;-) Einer falschen Fährte indessen bin ich zB bei Kurkdjians „Cologne pour le Soir“ gefölgt – was da Rosenhonig heißt, riecht für mich nach einem altem, speckigem Tierfell. Bei Erik Kormanns September finde ich es somit ziemlich erfrischend, dass der Schöpfer Klartext redet. So weiß ich gleich: Nix für mich – diesmal lockt mich seine Ziel- und Zusammensetzung nicht. Kormanns erstes „Eau de Fröhliche“ indessen hatte mir fast sofort den Kopf verdreht; Im Zentrum dieses Duftes stand ein schweres dunkles Weihrauchöl,an dem man in Kormanns Seifenladen bei Interesse sogar schnuppern konnte. Hmm, köstlich – so wie der Duft auch. Und das sind doch am Ende die schönsten Illusionen – wenn sie irgendwie auch wahr sind 🙂
Liebe Uli, ich danke Dir sehr für diese wunderbaren Beschreibungen und möchte an dieser Stelle zugleich die Offenheit ein wenig verteidigen. Schließlich sind – vielleicht bis auf die Eau de Fröhliche Serie – alle Düfte im aromatischen Blog mehr oder weniger öffentlich entstanden. Als Anregung und Hilfestellung für alle, die gern mit ätherischen Ölen und Chemicals selber einen Duft mischen. Und ich persönlich würde sehr gern ein wenig von den Illusionen und Phantastereien wegnehmen, weil der ganze Kitsch häufig nur in die Irre führt. Vielleicht – ich betone das vielleicht – bräuchten wir eine neue, etwas zeitgemäßere Sprache um über Parfum zu sprechen und zu schreiben und ich finde, dies geschieht hier auf angenehme Art und Weise.
Ein schönes WE und ganz liebe Grüße aus Berlin.
Erik
Liebe Uli,
habe neulich ein Buch über die Geschichte des Parfums gelesen mit einem Interview von Erik am Schluss. Beim lesen des Buches fiel mir auf, ich weiß eigentlich gar nix über das Thema. Außer das ich weiß, das mag ich gerne riechen und das weniger. Wie es hergestellt wird, weiß der Geier. Nun ist mir ein Zufall des Buch von Jean-Claude Ellena in die Hände gefallen: Parfum – Ein Führer durch die Welt der Düfte – und er erklärt alles auf seinen 171 Seiten. Keine Frage die noch offen bleibt. Er beschreibt alles wunderschön und ich habe große Hochachtung davor was ein Parfumeur leistet. Fühlte mich wie aus dem Tal der Ahnungslosen. Einen Duft zu „zaubern“ hat für mich was alchemistisches. Im Grunde sind es doch alle verkappte Alchemisten in ihren Höhlen – die mich dann – wenn meine Nase verzückt ist – ins Paradies befördern. Natürlich benutzen alle Alchemisten eine Geheimsprache. Entweder kann ich diese für mich auch entschlüssen – oder ich lasse es bleiben. Finde es aber super cool, das Uli die Geheimsprache auch entschlüsseln kann.
Empfehle jetzt allem mal die mehr darüber wissen wollen das Buch von Jean-Claude Ellena: Parfum
Neue Proben habe ich mir auch schon ausgesucht, nächste Woche mehr darüber, dann halte ich sie vermutlich schon in den Händen. Vorfreude, schönste Freude!!!!
Werde jetzt mit meinem „Ananas“-Duft grenzenlose Entspannung einatmen und mir natürlich vorstellen, das mich der Duft von Millionen glücklich ausgequetschen Ananas benetzt.
Und allen Alchemisten da draußen – und natürlich Uli, ohne Euch wäre das Leben, düster und traurig!!!!
Üt
Hallo Ihr alle zusammmen, ich kritisiere das nicht so negativ, wie es vielleicht rübergekommen ist. Ich habe das in gestraffter, übersichtlicher und verständlicher Form geschriebene Buch von Eléna mit Begeisterung gelesen, ich besitze es. Ich kann also bei Bedarf nachschlagen, wenn ich etwas genau rekapitulieren möchte. Mit dem Lesen habe ich kapiert, wie das heutzutage funktioniert mit den Parfüms. Und ich finde das vollkommen in Ordnung. Es steht ja auch auf den Verpackungen, wenn es einen interessieren sollte. Ich bin doch eine, die immer alles wenigstens in Grundzügen genau wissen will.
Aber mehr brauche ich nicht zu wissen, ganzheitlich im Hinterkopf. Düfte müssen auch für mich ihre Dufterotik behalten ohne dass ich jedesmal zu denken gezwungen werde: Ah, das ist Javanol, das soll den Duft…evozieren. Im Parfumo ist ein interessanter Blog von einem Parfümeur der das noch weiter ausführt, den habe ich mir auch ausgedruckt und in meinen Parfümordner geheftet.
Aber ich wünsche mir nicht, dass nun jeder Duft auf diese Weise rezensiert und vorgestellt wird.
Außer, wenn damit angedeutet werden soll ohne das zu verreißen, dass der Duft eher nicht so klar rüberkommt oder die Chemie dominiert – so in etwa.
Es gibt nämlich Menschen, die mögen genau solche Düfte.
Mir ist nur wichtig, ob ein Duft nach dem Thema des Parfüms auch so duftet in etwa. Sowieso habe ich beschlossen, nicht mehr zu sagen: Das und das mag ich als Duft und das nicht. Ich muss die Düfte auf der Haut und unter der Nase testen. Dann kann ich sagen, ob er mir gefällt, mich begeistert, hinreißt oder mich eben abstößt, den Bäh-Effekt hat oder was man sonst für merkwürdige Gerüche wahrnehmen kann bei gewissen, wie soll ich schreiben: Konzeptdüften.
Kurz, ich brauche auch die Duftillusion. Elléna-Düfte sind eine Klasse für sich, die perfekte Illusion zuweilen. Wer will sich nicht gerne durch Illusionen verführen lassen, hier und da?
Schlecht komponierte Düfte werden durch die Benutzer abgestraft. Es ist dann auch wieder eine Frage des Preises ob man die Chemie noch wahrnimmt und/oder akzeptiert oder nicht.
Waltraud