Nicht von dieser Welt…

sind Hors Là Monde, denn so würde man den Namen wohl auf die Schnelle übersetzen… aber dazu kommen wir noch. Die Geschichte zum Namen des kleinen Nischenduftlabels musste ich erst einmal recherchieren: Überall ist die Rede davon, dass der Namenspate eine Burg ist, die auf einer Klippe an der französischen Riviera liegt. Das ist so nicht ganz korrekt oder löst zumindest die falschen Assoziationen aus – Orlamonde ist nämlich kein Überbleibsel aus dem finsteren Mittelalter, sondern erst sehr viel später entstanden, so, wie ich das verstanden habe, Anfang des 20. Jahrhunderts. Wann genau jener italienisch inspirierte neoklassizistische Traum erbaut wurde konnte ich nicht eruieren, die Geschichte des monumentalen Gebäudes ist aber wohl folgende: Zuerst hatte man sich das Gebäude als Casino gedacht, mitten auf den Klippen erbaut, direkt am Cap de Nice, an der berühmten Basse Corniche gelegen. Bauherr war, soweit ich weiß, ein gewisser Comte de Milléant, der sich in ziemlich größenwahnsinnigen Bauplänen für einige Projekte verstieg. Dabei hatte er sich wohl etwas verkalkuliert: Die Bauarbeiten, vor allem auch die Erdbauarbeiten von Orlamonde sowie ein weiteres Casino verschlangen einen Großteil seiner Ressourcen, woraufhin das Gelände 1930 an den Schriftsteller und Nobelpreisträger Graf Maurice Maeterlinck verkauft wurde – angeblich bei einer Auktion, die bei Kerzenschein abgehalten wurde. Wieviel von dem schlossartigen Komplex damals schon stand und was genau Maeterlinck dann umbaute – keine Ahnung. In jedem Fall wohnte er, mit Unterbrechungen, bis zu seinem Tod in der architektonischen Schönheit, von ihm „Villa Orlamonde“ benannt nach einem Gedicht aus seinem 1900 entstandenen Werk Quinze Chansons. Ich habe Euch sowohl das französische Original als auch die englische Übersetzung gesucht:

orlamonde2 Les sept filles d’Orlamonde,
    Quand la fée fut morte,
Les sept filles d’Orlamonde,
    Ont cherché les portes.
 
Ont allumé leurs sept lampes,
    Ont ouvert les tours,
Ont ouvert quatre cents salles,
    Sans trouver le jour…
 
Arrivent aux grottes sonores,
    Descendent alors ;
Et sur une porte close,
    Trouvent une clef d’or.
 
Voient l’océan par les fentes,
    Ont peur de mourir,
Et frappent à la porte close,
    Sans oser l’ouvrir…
Quelle.
 
The seven daughters of Orlamonde,
When the fairy was dead,
The seven daughters of Orlamonde
Sought the doors ….
They lit their seven lamps,
Opened the towers,
Opened four hundred rooms,
Without finding daylight ….
Arrive at the sonorous grottos,
Then descend;
And in a closed door
Find a golden key ….
See the ocean through the chinks,
Are afraid of dying,
And knock at the closed door. —
Without daring to open it …
Quelle.
 
orlamonde1

Die Villa Orlamonde geriet wohl danach Jahrzehnte lang in Vergessenheit, was ich ehrlich gesagt nicht verstehen kann: Die Lage ist top – zwischen Nizza und Monaco gelegen –, der Ausblick ganz sicher einmalig, das vermag man schon anhand der Fotos zu erahnen. Und – es ist doch eine Promigegend, in der es von Leuten nur so wimmelt, die (zu)viel Geld haben… weshalb bei diesem Juwel keiner zugegriffen hat? Nun ja, irgendwann wurde die Liegenschaft dann doch aufgekauft und in ein Luxushotel umgewandelt, dass seit den Neunzigern bis 2008 betrieben wurde. Danach wurde Orlamonde, mittlerweile „Palais Maeterlinck“ genannt, von einem Privatmann gekauft und stand dann Mitte 2012 bei Sotheby’s wieder zum Verkauf, woraufhin der tschechische Milliardär Radovan Vitez zuschlug – für 48 Millionen Euro. Ganz ehrlich? Irgendwie doch Peanuts, oder? Zwar keine Peanuts, die ich habe – allerdings hätte ich den Preis, je nach Renovierungszustand – für solch ein prächtiges „Häuschen“ in dieser Lage doch wesentlich höher angesetzt. Egal, nun werden wohl irgendwelche Luxusappartements daraus gemacht. Die Fotos, die ich für Euch aufgetrieben habe, stammen aus dem Sotheby’s Katalog, googelt aber ruhig einmal, um die Dimensionen des Gebäudes zu sehen – es gibt einige Luftaufnahmen, die zeigen, wie groß der Komplex ist und wie perfekt er liegt. Ein Urlaub dort wäre sicher schön gewesen…

syminesalimpour Kommen wir aber jetzt zu der Duftkollektion Hors Là Monde: Der Mensch dahinter ist Symine Salimpour. Salimour ist französisch-israelischer Abstammung und stammt aus Nizza. Ihre Berufslaufbahn hört sich nach einigem an, von Menschenrechten ist da die Rede, einem abgeschlossenen Jurastudium und von vielen Reisen… wonach Salimpour wohl erst einmal Schmuck designte, bis ihre Duftkollektion dazu kam. Am Anfang des heutigen Artikels war die Rede davon, dass Hors Là Monde auf den ersten Blick so etwas wie „Nicht von dieser Welt“ heißt – tatsächlich ist es aber eine Wortspielerei: Die Welt auf Französisch ist männlich, es müsste also „Le Monde“ heißen im Gegensatz zum weiblichen „La“. Durch den Accent wird aber aus dem „La“ das Wörtchen „Wo“ oder auch „hier“. Hors le Monde müsste es also heißen, würde man es mit „Nicht von dieser Welt übersetzen“. Hors Là Monde aber heißt ungefähr soviel wie „Abseits von hier, eine/die Welt“, etwas gestelzt übersetzt (Isabelle, bitte korrigiere mich, wenn ich falsch liege!). Bei Sniffapalooza kommt diese Frage auch auf in einem schönen Interview, das Ihr Euch nicht entgehen lassen solltet – siehe hier.

Das Emblem des Labels ist ein Kompass – und zusammen mit dem Namen erinnert mich das ganze ein wenig an St. Exupérys kleinen Prinzen: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Und Heimat ist eben da, wo man sich geborgen fühlt, der Ort, zudem es einen zieht, vielleicht auch die Menschen… „The Guide of our Heart“ wie Salimpour es in obigem Interview ausdrückt.

Drei Düfte sind es mittlerweile, die das Label lanciert hat, und zu jedem gibt es eine Geschichte: Shiloh, Shiloh Lady und Shiloh X, die ich Euch allesamt die nächsten Tage vorstellen werde. Gemacht hat die Düfte eine große Nase, nämlich niemand geringeres als Michel Roudnitska. Der Apfel fiel hier nicht weit vom Stamm – Edmond Roudnitska, sein Vater, war ebenfalls Parfumeur.

horslamonde1 Beide zusammen haben den Parfummarkt um einige wesentliche Kreationen bereichert: Edmond zum Beispiel war der Erschaffer von Diors kongenialem Diorissimo, Diorama, Diorella und Eau Sauvage gehen ebenfalls auf sein Konto. Er schuf Eau d’Hermès und Grande Eau d’Hermès für Hermès, darüber hinaus einiges für Rochas, nämlich Femme, Mousseline, Mouche, Moustache und La Rose. Es ließen sich noch etliche Düfte mehr nennen, einen ganz wichtigen zu erwähnen, den ich irgendwann einmal rezensieren sollte, liegt mir aber noch am Herzen: Parfum de Thérèse.

Parfum de Thérèse war ursprünglich ein Duft ausschließlich für Thérèse, Edmonds geliebte Ehefrau und Michels Mutter. Eine olfaktorische Liebeserklärung, deren Rezeptur Edmond für sich behielt, den niemand sonst sollte diesen Duft tragen außer Thérèse. Michel Roudnitska hat den Duft zu Ehren seines Vaters mit Frédéric Malle zusammen in dessen Kollektion aufgelegt – unter diesem Namen, als Erinnerung an seine Eltern und deren Liebe. Und was für ein herrlicher Duft ist es, für dessen Verständnis zumindest ich einiges an Zeit brauchte: Für die Fünfziger Jahre äußerst modern, geradezu hellseherisch brilliert der Duft mit einer von Melone getränkten aquatisch-fruchtig-frischen Kopfnote, die in Parfums meiner Meinung nach erst ab Mitte der Neunziger Jahre zu finden war. Das Herz von einer pflaumigen Rose dominiert und von Vetiver und Leder abgerundet ist der Duft elegant, mondän, zurückhaltend, klassisch, retro und gleichzeitig modern, alles zusammen. Und einer meiner Lieblinge, und das nicht nur wegen der wunderschönen Geschichte.

Michel Roudnitska selbst ist Autor, Weltenbummler, Künstler und vieles mehr – und landete schließlich irgendwann in den Fußstapfen des Vaters. Bisher war er überwiegend im Nischenduftbereich tätig und kreierte folgende Düfte: Noir Épices für Malle, Ellie und Ellie Nuit für Ellie Perfume sowie vieles für Delrae Roth.

Das war heute – ein langes Vorwort. Deshalb geht es erst die nächsten Tage mit den Düften von Hors Là Monde weiter – Ihr dürft gespannt sein!

Viele liebe Grüße,

Eure Ulrike.

Bildquelle für die Bilder des Palais Maeterlinck: Sotheby’S Realty, some rights reserved.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

Ein Kommentar

  1. Hans-Jürgen Becker de Grammont
    19. Februar 2016
    Antworten

    Rund sind die Bögen,
    Vollkommen die Sicht!
    Der Schatz der Armen
    Ist mehr als Licht!

    Maurice Maeterlinck
    Hat dieses gebaut,
    Gab´s ihm ein hoher Wink?
    Wer ha je solches geschaut?

    hjb de grammont copyright

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