Von Eusersdorff…

… trudelten vor nicht allzu langer Zeit bei uns im Shop ein: Ein monothematisches Quartett, das mich neugierig gemacht hat. Aus den USA kommt die Firma, von der ich vorher bereits etwas gehört hatte, ihre genaue Geschichte aber nicht kannte. Wir haben es mal wieder mit einem Familienunternehmen zu tun, dem vom Erbe zu neuem Glanz verholfen wurde. Die Von Eusersdorffs, eine Familie deutscher Einwanderer, verdingten sich wohl in Amerika als Händler edler Öle, Kräuter und Blüten, waren demgemäß im Rohstoffhandel tätig, der wohl sein Scherflein zu der Entwicklung der Parfumeurskunst beigetragen hat. Camille Henfling, seines Zeichens ein Er, ist derjenige, der die Wiedergeburt der alten Marke Von Eusersdorff initiierte, seinem Familienerbe. Vorher als Geschäftsmann in was auch immer für einem Business tätig gewesen, besann sich Henfling wohl auf seine Kindheitserinnerungen in der Apotheke seines Großvaters, seine Ferien als Kind in Costa Rica, wo er die Plantagen seiner Familie durchschritt, und beschloss, dem Familienunternehmen wieder neues Leben einzuhauchen. Irgendwo zwischen New York, dem Sitz der Firma, und Grasse, dem Parfum-Mekka und Herstellungsort der Düfte, wurde die Idee geboren und dann auch konsequent durchgesetzt – gekrönt von dem ersten Duft des Hauses: Classic Patchouli. Dieser erfreute sich eines solchen Erfolges und einer angeregten Nachfrage, dass man im September 2011 die nächsten drei Düfte präsentierte: Classic Myrrh, Classic Vétiver und Classic Mimosa. Alle vier werde ich mir heute für Euch unter die Nase klemmen.

Beginnen wir mit dem ersten Duft des Hauses, mit Classic Patchouli. „Ein Werk voll unvergesslicher Erinnerungen“ soll er sein, der Gute, „mit der langanhaltenden, reichen exotischen und holzigen Mischung von Bergamotte und schwarzem Patchouli“, die ihn wohl zum Liebling vieler Duftfreunde werden ließ. Ich kann es verstehen: Classic Patchouli hält, was der Name verspricht – ein klassischer, charakteristischer Patchouli, für meine Begriffe sehr harmonisch ausbalanciert. Erdig, feucht, wurzelig und würzig, samtig und mit deutlichen, pudrigen Kakaoanleihen. Ein charakteristischer Knabe. Die kühl-herben Bergamottesprenkler im Kopf tun ihm gut, sie halten den Duft in der Waage – ein schöner Dreiklang: Die dynamische Spritzigkeit jener Zitrusfrucht, die man dem Patchouli entgegengesetzt hat – Ambivalenz, aufgehoben im Sinne von verwahrt durch die sanften Basis aus Vanille, von Tonka unterstützt, und Sandelholz. Hat was Dialektisches, aber ich will Euch jetzt nicht mit Hegel und Co. Langweilen 😉 Ich mag diese Patchouli-Variation sehr gerne, weil sie mit ihrer Frische und Wärme, ihrer Leichtigkeit bei gleichzeitiger Tiefe und Substanz ein markanter Immergeher ist.

Classic Myrrh ist der nächste Kandidat… und überrascht: Weniger Myrrhe als vielmehr Veilchen sehe ich hier im Mittelpunkt – ja, liebe Veilchenfreunde, aufgepasst! Räucherwaren sollte man aber schon abkönnen – das hier scheint mir der große Bruder der zarten und feingeistigen Schönen Exultat von Maria Candida Gentile zu sein. Bitte trotzdem selbst testen: Meine Haut bringt das Veilchen vornehmlich zum Vorschein, lässt es „den Rest“ überstrahlen – der Teststreifen verhält sich etwas anders, hier steht das Veilchen gleichberechtigt neben den sehr ausgeprägten Harzen. Jedoch sollte man hier keine wärmenden Harze erwarten, was mir persönlich sehr gut gefällt, zur Abwechslung mal: Eine gewisse Trockenheit und ein damit einhergehender Hauch Wärme wohnt Classic Myrrh inne. Allerdings handelt es sich bei dem Duft in allererster Linie um einen kühlen Duft, der weniger typisch warm-harzig ist als vielmehr holzig, aromatisch und würzig sowie von jener speziellen Aura des Veilchens geprägt. Classic Myrrh ist ein toller Duft – kontemplativ und kräftig, charaktervoll und -stark, dabei unaufdringlich. Wahre Persönlichkeit braucht eben keine Vordergründigkeit.

Incense

Classic Vétiver greift ein Thema auf, das natürlich immer funktioniert: Vetiver, klar, und zwar in der Kombination mit Zitrusfrüchten – hier Bergamotte, Grapefruit und Zitrone – sowie schwarzem Pfeffer. Grasig, grün, salzig und verhalten rauchig, unterfüttert mit würziger Pfefferschärfe und angeführt von dynamischen Hesperiden. So lasse ich mir einen Vetiver sehr gerne gefallen, obgleich es bisher noch nicht besonders originell klingt. Classic Vétiver kann aber mehr: Geranium sorgt hier für eine weiche Minzigkeit, eine Frische ganz besonderer Natur, während Zedernholz einerseits Ernsthaftigkeit und Rückgrat in der Basis darstellt, dem Duft andererseits auch einen sachte-sauberen Seifencharakter verleiht. Je länger Classic Vétiver auf der Haut bleibt, desto anschmiegsamer wird er, was ihn immer interessanter werden lässt. Ich liebe solche Vetiver-Düfte und finde, dass es davon nach wie vor zu wenige davon gibt. Für mich ist das diese Sorte Duft, die ich eigentlich gerne als Barber-Duft bezeichnen würde – genau so sollte ein Mann riechen, wenn er von der Rasur kommt, gefällt mir sehr viel besser als immer diese Sandelholzklassiker. Eine Ähnlichkeit, die ich hier sehe, besteht zu Torre of Tuscanys schönem Vetiver Moderno.

Johan Christoffersens barber- og frisørsalong / Johan Christoffersen's Barbershop (1918)

Mit Classic Mimosa haben sich Von Eusersdorff sicherlich einen Gefallen getan – und uns auch: Mimosendüfte gibt es nicht zuhauf, deshalb kenne ich einige, inklusive meiner Person, die immer wieder Ausschau halten nach schönen Exemplaren. Classic Mimosa kann sich hier sogleich einreihen, es handelt sich um eine meiner Meinung nach äußerst gelungene Interpretation dieses zarten Blümeleins. Wir haben es hier mit einer grünen Mimose zu tun, einer frischen, taubenetzten. Diesem Eindruck wird mit leicht ozonigen Noten und einer weichen Wässrigkeit im Auftakt Ausdruck verliehen, begleitet von zart-zitrischer Bergamotte, herb(!)-fruchtigen Neroliblüten mit krautigen Anklängen und einem Hauch dunkelstem Blattgrün. Rose sorgt für anhaltende Frische, während Veilchen jene samtene Fruchtigkeit mit einbringt, die ihm so genuin ist. Classic Mimosa ist nicht unbedingt ein Soliflor, aber auch kein richtiges Bouquet. Die Mimose zeigt sich vorzüglich eingebettet zwischen Rose und Veilchen. Mir gefällt Classic Mimosa ausnehmend gut – das hat nicht nur damit was zu tun, dass ich Mimosen liebe, sondern auch damit, dass der Duft so gut wie keinerlei Süße an den Tag legt, was zwischen all den opulenten Blüten da draußen hin und wieder ehrlich gut tut 🙂

[Auguri]

Und, neugierig geworden? Welcher Duft aus der Von Eusersdorff-Kollektion spricht Euch denn am ehesten an?

Liebe Grüße,

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

3 Kommentare

  1. Waltraud Seemann
    21. Dezember 2012
    Antworten

    Liebe Ulrike, durch eifriges Tauschen bekam ich neulich eine Abfüllung des „von Eusersdorf, Classic Myrrh“.
    Was für ein Duft! Bei mir wabert das Veilchen um mich. Aber zuerst hat es heftigst gequalmt. Auf der Haut blieb es rauchig: Geräuchertes hält länger dachte ich gelassen. Aber es war wunderbar diesen leicht rauchigen Duft mit viel Veilchen um mich zu haben. Es ist allerdings kein Duft für Erotisches was mich betrifft. Ich rieche ja dicht auf der Haut, als habe ich soeben das Holzfeuer im Herd angezündet. Aber nur von 5 geschätzten Zentimetern von der Haut entfernt ist das sehr viel schwächer. Und die Schleppe? Mein Mann kam hier ins Zimmer und meinte, dass es ganz stark duften würde, schön, nach Blüten und Frühling und nach seinem Kamin früher. Er würde es schon im anderen Raum wahrgenommen haben. Er mag das auch. Er gab mir Recht, dass Classic Myrrh auf der Haut sehr rußig riecht. Am Schluß wird es ein pudriger Rauch. Sowas kann nur Parfüm entwickeln.
    Die Beschreibung der anderen Düfte machen mich auch neugierig.
    Herzlichst,
    Waltraud

  2. Dorothea
    23. Dezember 2012
    Antworten

    Liebe Uli, im Frühsommer trage ich sehr gerne Mimosa Pour Moi von Artisan Parfumeur (übrigens einer der wenigen Nicht-Iris-Düfte in meiner Kollektion) und würde mich sehr über einen zweiten Mimosenduft in meiner Duftgarderobe freuen…
    Dass er überhaupt nicht süß sein soll, macht ihn für mich umso interessanter…

    Eine wunderschöne Weihnachtszeit Euch allen,

    Liebe Grüße
    Dorothea

  3. Ulrike
    31. Dezember 2012
    Antworten

    Huhuu Ihr Lieben,

    @ Waltraud: Dass die Myrrhe je nach Hautchemie auch „deftig“ werden kann, kann ich mir lebhaft vorstellen… auf meiner Haut bleibt es verhältnismäßig zahm und eben veilchenlastig – wobei für einen Veilchenduft schon wieder recht markant. Ich mag ihn. Und Du solltest dringend mal den Rest testen, vor allem die schöne Mimose 🙂

    @ Dorothea: Yep, grüne Mimose. Ich liebe ja Mimosa Pour Moi ebenfalls sehr. Für mich kann, das ist unfair, ich weiß, kein anderer Duft so toll sein wie dieser. Aber – diese Mimose hier ist wirklich sehr schön. Und die fehlende Süße ist tolltolltoll. Auch einen Mimosentest wert ist im übrigen meiner Meinung nach die Rose aus der Armani-Privé-Kollektion.

    Viele liebe Grüße,

    Ulrike.

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