Das letzte Wochenende habe ich in meinem Luftschloss – der Franzose nennt es „Château en Espagne“ – in der Nähe von Wolkenkuckucksheim verbracht. So könnten Memoiren über das Reich der Fantasie beginnen. Als ich in meinen verbliebenen Duftproben herumwurschtelte, fand ich „Palais Jamais“ von Etro. Dass es hier um einen Sehnsuchtsort, einen Traumpalast geht, konnte ich mir selbst mit meinem Restfranzösisch noch zusammenreimen. Sofort musste ich an ferne Länder denken, wie sie in alten Reiseberichten fantastisch ausgeschmückt werden… Dann fiel mir das Buch „Die unsichtbaren Städte“ von Italo Calvino ein, einem kombinatorisch angelegten „Roman“, der das Zwiegespräch Marco Polos mit Kublai Khan darstellt und ersterer ihm von fremdartigen Städten erzählt. Diese sind durchweg fiktiv, existieren also nur in den Worten seiner Erzählung, besitzen aber zunehmend eine bedrohliche Dimension, die sehr wohl in die Wirklichkeit hineinragt.
Dieser Duft ist keine verträumte Reverenz an die Welt der Märchen, sodass ich meinen ursprünglichen Plan aufgebe, Euch vom norwegischen Märchen über das Soria Moria Schloss zu erzählen, das Ihr aber auch hier nachlesen könnt und das der kürzlich bereits erwähnte Maler Theodor Kittelsen im Jahr 1900 so wunderbar gemalt hat:
Der Teststreifen zeigt mir sofort, dass wir hier keinen bunten Zauber und auch keine zuckersüße Traumwelt zu erwarten haben. Einem zitrischen Auftakt folgen sogleich scharfe und vollwürzige Noten, Pfeffer und Kardamom kitzeln in der Nase und auch leichte Holztöne machen sich im Hintergrund bemerkbar. Eine subtile Rauchigkeit wabert ebenfalls durchs Bild. Auf der Haut nimmt der Duft deutlich an Krautigkeit zu, wahrscheinlich traut sich nun auch der Vetiver ein weniger weiter heraus.
Ich finde es sehr beeindruckend wie der Duft konstruiert ist. Ich stelle mir da ganz räumlich eine große Kugel aus allerlei Gewürzen und Gräsern vor: Tatsächlich wurden Maté, Koriander, Kardamom, Pfeffer und Birke im Herzen angegeben, eine solide Mitte. Aus dieser Gewürzkugel leuchten oben ein paar Hesperiden heraus, hier durch Bergamotte und Mandarine vertreten und als Brücke zum Herzen fungieren Petitgrain und Jasmin. Vom Herzen zur Basis sehe ich Vetiver als Mittelsmann, Eichenmoos und Salbei hingegen stellen diese pralle Gewürzkraftpaketkugel auf einen Sockel, damit sie nicht wegrollt. 😉 In der Langzeitwirkung wird der Duft immer weicher, die Würzigkeit lässt immer mehr nach und der Duft klingt weich aus, auf dem Streifen sogar begleitet von einer feinen Ledernote.
Mir gefällt der Duft ausgesprochen gut, ich kann ihn mir an Männlein wie Weiblein vorstellen. Ein Duft, der trotz kräftiger Noten eine innere Bescheidenheit mit sich bringt, eine meditative Innerlichkeit. Ich kann zu einem Test nur raten. 🙂 Freunde von grasigen Düften, Vetiverliebhaber und alle, die Lavendel lieben, sollten sich an „Palais Jamais“ einmal versuchen.
Ganz viele Grüße
von Harmen
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