musste ich erst einmal googeln, als ich zum ersten Mal von ihren Düften hörte: Eine Australierin ist die Madame, und von Haus aus Hutmacherin oder auch Modist(in) – so nämlich lautet seit 2004 die korrekte Berufbezeichnung für „die Putzmacherin“ und „den Hutmacher“. Unter den Fittichen von Elsa Schiaparelli ist sie groß geworden nach ihrem Modedesignstudium – da wundert es nicht weiter, dass Madame dem Exzentrischen zugetan ist. Sie arbeitete bisher in der ganzen Welt, unter anderem auch an der English National Opera in London, fertigte für diverse Haute-Couture-Designer und Modehäuser. Eime Bilderbuchkarriere, die sich noch erweitern ließ: Seit 2008 kreiert Goodsir nun auch Handtaschen als auch Accessoires, und zwar für Damen und Herren. Ein Blick auf ihre Webseite hat mich sehr angenehm überrascht: Madame Goodsir, die im übrigen wohl auch gut befreundet ist mit der Isländerin Andrea Maack, erinnert mich an eine Mischung aus Lulu Guinness und Vivienne Westwood, während ihre Mode irgendetwas zwischen Punkrock, Alpenland, Retro/Vintage und archaischem MadMax-Look widerspiegelt, gepaart mit einer guten Prise Tom Ford, Alexander McQueen und nochmals Westwood.
Besonders angetan haben es mir zwei Dinge – einmal eine wirklich coole Kopfbedeckung namens The Springbok sowie eine Handtasche namens The Proposition. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, dass keine Preise angegeben sind – sonst müsste ich jetzt vermutlich weinen… [Edit: Ich habe die Preise gefunden und weine jetzt tatsächlich.] Aber, nicht alles ist unerreichbar, was aus Naomi Goodsirs Händen stammt – seit diesem Jahr gibt es zwei Düfte von ihr, die den Geist ihrer Arbeit meiner Meinung nach perfekt widerspiegeln und durchaus finanzierbar sind. An der Côte d’Azur in der Nähe von Grasse, wo Naomi arbeitet und lebt, werden ihre Düfte hergestellt und von Hand verpackt. Auch die Verpackung verdient unser Augenmerk: Jedes Element des Flakons, sowohl die Form als auch der Inhalt, stellt ein wichtiges Detail dar – eine schwarze Papierschachtel, ein Flakon in antikem Stil, wie er nur aus Grasse kommen kann, ein Bakelitdeckel sowie der schwarze, gradlinige gestaltete Bodenbeutel, der mit einem handgenähten, als Siegel dienenden Verschluss aufwartet. Die Parfumeure, die man für das Duftprojekt verpflichten konnte, sind auch nicht von schlechten Eltern, wie man so schön sagt. Und für Julien Rasquinet stimmt das auch zu – er ist ein Schüler von einem meiner Lieblinge, von dem legendären Pierre Bourdon (und hat, nebenbei bemerkt, für Andrea Maack einige Düfte kreiert). Die Dame an seiner Seite war Isabelle Doyen, die Haus- und Hofparfumeurin von Annick Goutal. Soweit ich das sehe, ist das ein Gemeinschaftsprojekt der beiden gewesen, sie waren wohl beide für beide Düfte zuständig – bevor hier das Rumrätseln beginnt, wer von wem ist 😉 Aber stürzen wir uns auf die beiden Düfte, die da heißen Cuir Velours und Bois d’Ascèse.
Cuir Velours, bei uns als Rauh- oder (missverständlich) auch als Wildleder bezeichnet, ist unverkennbar ein Lederduft. Und, meine Lieben, das lag ja auch mehr als auf der Hand, oder? Goodsir verarbeitet Leder, ständig. Und hatte bei diesem Parfum wohl einen Damenhandschuh im Kopf, einen parfümierten, so, wie man das früher immer gemacht hat. Ein Motiv, dem auch schon andere folgten, wie zum Beispiel Maître Parfumeur et Gantier mit deren Cuir Fétiche und neulich Arquiste mit ihrem Infanta en Flor. Deren Düfte sind aber sehr viel skinniger, zurückhaltender, schüchterner. Hier haben wir es mit einer Salondame zu tun – vielleicht auch: einer intellektuellen? Seele hat sie, und Tiefe. Und vermutlich auch einiges im Kopf, auch wenn dieser vielleicht schon etwas benebelt ist in fröhlicher Runde. Ich muss sofort an die 20er denken und deren grandiose Frauen, die auch schon Ernest Daltroff (Caron) zu seinen für die damalige Zeit mehr als mutigen Parfums inspirierten (man denke nur an Tabac Blond). Und ich denke an die Salonkultur der (vor allem deutschen) Romantik Ende des 18. / Anfang des 19. Jahrhunderts, die vornehmlich von Frauen wie Rahel Levin und Henriette Herz geprägt wurde, bei denen die Prominenz aus Kunst, Kultur und Politik ein und aus ging. Literaten, Philosophen, Maler, Bildhauer, der Adel, alles war hier vertreten, und, für diese Zeit außergewöhnlich: in so ziemlich allen Salons Männer als auch Frauen (!). Jenen intelligenten, gebildeten und oft genug auch betörend schönen und kühnen Frauen würde Cuir Velours perfekt stehen. Aber bevor ich weiter schwärme und mich im Abstrakten verliere, kommen wir zum Duft: Im Auftakt haucht er mich bereits an, der Rum-Odem, von feinem Tabak begleitet. Eine Garçonne, die mir etwas ins Ohr flüstert, eine aromatisierte Zigarette rauchend, die aus einer edlen Zigarettenspitze ragt? Trockenwürzig-tabakgeschwängert geht es weiter: Harze von einer subtilen Süße, rauhes, aber dennoch weiches Wildleder und Honignoten, die für mich das Leder auf einer fein parfümierten warmen Haut symbolisieren, verführerisch. Vor der Strohblume, die ebenfalls vorhanden ist – Pardon, die Zutaten hatte ich ganz vergessen: Tabak, Rum, Labdanum, Immortelle, Honig, Ambra, Weihrauch, Leder – muss sich keiner fürchten, sie ist nicht sonderlich dominant, eher für die Hintergrundwürze und -trockenheit zuständig. Sinnlich finde ich Cuir Velours, verlockend, kinky, auf eine Art und Weise. Und könnte ihn mir durchaus auch am richtigen Mann vorstellen, jawohl.
Wenn Ihr jetzt eine Einordnung von mir wollt: Für mich ist Cuir Velours das Ergebnis einer äußerst gelungenen Amour Fou einer Ménage à Trois aus dem Signature-Duft von Bottega Veneta, Serge Lutens‘ Daim Blond und Parfum d’Empires Cuir Ottoman.
Bois d’Ascèse, das asketische Holz, scheint mir den Ingredienzen nach zu urteilen so gar nicht asketisch zu sein: Kopfnote: Tabak, Whisky; Herznote: Zimt, Ambra, Labdanum (Zistrose); Basisnote: Eichenmoos, Zedernholz, Weihrauch. Whisky ist – männlich, yep. Aber steht jetzt nicht wirklich für Enthaltsamkeit… es sei denn, man bringt ihn mit einer solchen Lagerfeuerromantik zusammen, wie Goodsir es hier tut: Von selbstgewählter Einsamkeit ist hier die Rede, irgendwo in den Bergen, und von einem Lagerfeuer, von herbstlichen Wäldern, kalter Luft und Stille. Bei mir weckt das sofort Erinnerungen an Westernklassiker, Leone oder Peckinpah… Und – es erinnert mich an ein Projekt, das ich vor Jahren mal im Internet entdeckt hatte: Eine Partnerseite für Kanadier. Holzfäller, Farmbesitzer – eine Art frühes „Bauer sucht Frau“ mit zumindest so etwas Niveau, es schien auf den ersten Blick auf jeden Fall so. Einige sehr nette echte Kerle waren da dabei – und genau für solch einen Naturburschen ist auch Bois d’Ascèse gestrickt. Ein solcher Naturbursche wohnt aber auch in mir, und Goodsir und Konsorten haben mir mit Bois d’Ascèse einen Herzenswunsch erfüllt: Seit Jahr und Tag wünsche ich mir einen Duft, der nach Lagerfeuer riecht. Und hier ist er, endlich. Mit Bois d’Ascèse bin ich nun wahrlich im Glück.
Hier kokelt, zündelt, glimmt und raucht es ganz gewaltig: Dreckiges, verrußtes Holz, Feuer, funkelndes Knistern, knisternde Funken. Wo Prachtskerle unterwegs sind ist auch Fleisch, vielleicht gar selbst gejagtes, nicht weit – und hier hängt ein fettes Stück davon über dem Feuer, Bois d’Ascèse weist nämlich jene unerhörten Räucherschinkennoten auf, die mich an Annick Menardos Patchouly 24 für LeLabo trotz oder gerade wegen meines Vegetarierdaseins so begeistern. Andy Tauers Lonestar Memories-Cowboy hat zwar die prächtigen (Leder)Hosen an, dieser Prachtkerl hier macht im aber ordentlich Feuer unter dem Hintern. Wo Molton Brown mit Rogart dann doch noch Marshmallows über dem Feuer brutzelt, um dann gemütlich irgendwo in einem luxuriösen Chalet zu verschwinden, biegt Bois d’Ascèse hier nicht ab und nimmt – nur die Harten kommen in den Garten – den steinigen Weg: Sitzenbleiben, bis der Whisky im Schädel brummt und man gedankenversunken mit einem Holzstab in der Zen-Garten-ähnlichen Asche rumkritzelt, meist potentiell Weltveränderndes, Angesicht zu Angesicht mit Natur und dem dämmernden Morgen. Danach geht es ins Zelt, wohin einem der kalte Aschenhauch folgt…
Jaa! Ich will, her mit diesem Prachtburschen!
Verzückte Grüße,
Eure Ulrike.
Liebe Uli,
laß mich wenigstens virtuell deine Tränen trocknen. Au weia…. kann deine Emotionalität was die Preise angeht gut verstehen. Die Kopfbedeckung ist ja echt cool ! Alter Schwede! Letztens habe ich ich eine Ausstellung mit der Mode von Alexander McQueen gesucht und hinterher war mir auch zum heulen. Da waren so herrlich geniale Kleidungsstücke dabei, die ich nie haben werde. Jaul…. Die Tränen trocknen bei mir aber, bei dem Gedanken, dass ich immerhin nicht in Bangladesch in einer Kleiderfabrik eingesperrt bin und dort nähen muß bis ich vom Stuhl kippe oder durch eine Feuersbrunst ins Jenseits befördert werde. Alles in allem geht es uns in Europa doch wirklich gut. Trotzdem habe ich auch Momente wo ich vor einem McQueen Kleid stehe und denke, das hätte ich gerne !
Was für eine Website ist das wo Kanadier eine Frau suchen? Gibt es die noch? Das wäre was für zwei gute Freundinnen von mir. Klingt zumindest lustig. Bei Farmbesitzer und Kanada muss ich immer an den Schweinefarmer denken der sich als blutrünstiger Serienmörder entpuppt hat und eine der längsten Mordserien in Kanada verübt hat. Bei Vox kam mal eine Doku über den Typ und mir stellten sich die Nackenhaare auf. Grusel…..
Freut mich das Du endlich einen Lagerfeuer-Duft gefunden hast!Du hast den Duft wiedermal herausragend beschrieben! Um so größer die Freude wenn Du dich freust!!!
Dein Urlaub rückt ja auch immer näher! Was mache ich in der Zeit ohne Dich? Schreibst Du vor? Läßt Du Harmen alleine an der Duft-Front? Wüßte nicht wie es sonst aushalte im Alltagstrost ohne Duft-Tagebuch ?! Jaul, winsel ….
Bin auch schon gespannt was Du vom Urlaub hinterher zu berichten hast. Wie riecht es dort? Angefangen von der Bettwäsche bis zum Geruch den die Einheimischen bevorzugen. Und wenn Du ausländische Touristen triffst, schnupperst Du heimlich an denen und schreibst es hier? Oh ja bitte….
In diesem Sinne, ein schönes Wochenende Uli !!!!
http://www.youtube.com/watch?v=bEL_Fzk41OU
Was lesen meine entzündeten Augen……….Lagerfeuer-Duft, mit dem Uli auch noch hochzufrieden ist. Hui, bin neugierig!
Was für eine coole Kappe 😀
Huhuu liebe Üt,
die Mütz ist cool, gell? Alexander McQueen, – keine Frage. Der Hammer. Ich habe auch noch ein, zwei Originalteile von ihm, die ich, obgleich ich nicht mehr hineinpasse, aufbewahren werde (vielleicht, vielleicht gibt es ja wieder andere Zeiten…). Na klar gibt es immer Wichtigeres, Statussymbole sind wurst bzw. Persönlichkeit definiert sich über anderes. Trotzdem gibt es einiges Materielles, das ich liebe – ob ich es mir nun leisten kann oder nicht. Dinge, die mit Herzblut, Können, Hingabe und Kompetenz gemacht sind, am besten noch von Hand, SIND einfach toll, ob es nun Autos, Kleidung, Möbel, Schuhe, Taschen, Essen/Getränke oder auch… Parfums sind.
Das Kanada-Portal habe ich nicht mehr gefunden, entweder es ist eingestampft oder es hat sich zu sehr verändert. Ist auch ehrlich schon Jahre her. Und, hatte ich erwähnt, dass ich ja davon überzeugt bin, dass Vancouver mein Städte-Soulmate ist, obgleich ich noch nie dort war? Das muss sich irgendwann mal ändern in Zukunft.
Was meinen Urlaub angeht – ich schreibe natürlich vor 🙂 Ihr werdet es nicht merken, wenn ich weg bin, ergo keine Abstinenz von mir, ich verfolge Euch 😀 Ich bin dort auch online. Und werde natürlich auch danach etwas darüber schreiben. Meine Düfte sind ja schon gepackt… Sechs werden es wohl werden: AdP Fico di Amalfi, Lutens Fleurs d’Oranger, VC&A Gardenia Petals, MPG Bahiana, MPG George Sand und Pantellerias Dammuso.
Viele liebe Grüße,
Uli.
Huhuu liebe Kaddel,
jaaa, doch, ich glaube, dieser Kracher könnte auch etwas für Dich sein! Ich in jedem Falle bin hochangefixt 🙂 Und trage schon Probe zu Hause. Und die Kappe, yep, der Hammer, oder? 😉
Liebste Grüße,
Deine Uli.