… der vierte Duft aus der Kollektion von Arquiste, ist nicht Ludwig dem XIV. gewidmet wie sein Vorgänger Fleur de Louis, sondern seiner Frau Maria Theresia. In der gestrigen Rezension hatte ich bereits anklingen lassen, dass die Ehe der beiden, die perfekt als Drama-Schmonzette für Sat1 verfilmt werden könnte, keine glückliche war – zumindest von einer Seite aus. Die Leidtragende in diesem Falle ist, natürlich – Maria Theresia.
Die Hochzeitsnacht selbst muss noch glücklich verlaufen sein, genauso wie das Jahr danach – in diesem widmete sich Ludwig ausschließlich seiner Maria. Danach aber verlor er an ihr als Frau zunehmend das Interesse, sicherlich auch, weil die Arme jetzt nicht wirklich mit optischer Attraktivität gesegnet war und darüber hinaus, wie ich gestern schon erwähnte, nicht mit intellektuellen Pfunden zu wuchern vermochte. Pausbäckig war sie wohl und sehr klein, hatte einen hellen Teint und schlechte Zähne, dank einer ausgeprägten Leidenschaft für Kakao und Schokolade. Wenn man sich die, vermutlich eher noch zu ihrem Vorteil gemalten Bildnisse von ihr anschaut, vermag man sich das recht gut vorzustellen, finde ich. Sie zeigte kein Interesse an Kultur, Bildung, Tanz, Kunst oder ähnlichem, darüber hinaus war sie ein wenig naiv, kindlich, fromm, schüchtern und zurückhaltend und deshalb mit den Sitten des französischen Hofes überfordert. Dazu kam noch ihre Sprachbarriere, das machte sie vollends zum Außenseiter, der oft Ziel des Spottes war. Es hört sich alles nach einem sehr traurigen Leben an, da Maria Theresia an und für sich wohl eine gute Seele war und ein Herz aus Gold voller Güte besaß. Die Mutter ihres Gatten nahm sich ihrer wohl an und versuchte sie lange, vor den Intrigen des Hofes abzuschirmen und wurde so zu einer Art Freundin von Maria Theresia. Nach deren Tod allerdings stand sie relativ alleine da und schien auf Gedeih und Verderb ihrem Gemahl und den Launen seiner stetig wechselnden Mätressen ausgesetzt gewesen zu sein. Mal hatte er eine freundliche Gespielin, die ihn auch dazu bewegte, sich mehr mit seiner Frau auseinanderzusetzen – Maria Theresia freundete sich sogar mit einer davon an –, Ludwig bändelte aber auch mit Frauen an, die sich einen Spaß daraus machten, seine Ehefrau zu degradieren und zu verletzen.
Wie demütigend muss das alles gewesen sein fuhr es mir durch den Kopf, als ich diese Geschichte en détail für Euch recherchierte. Maria Theresia muss allerdings ihren Gatten zeitlebens geliebt haben, trotzdem. Auf dem Sterbebett im Alter von 44 Jahren sagte sie wohl: „Seit ich Königin wurde, bin ich nur einen einzigen Tag glücklich gewesen.“Ludwig der XIV. trauerte wohl um seine Frau – er ist mit dem Ausspruch überliefert: „Das war der erste Kummer, den sie mir je bereitet hat“. Dieser Kummer hielt nicht allzu lange vor – Ludwig der XIV. heiratete einige Monate später seine letzte Mätresse. Sechs Kinder hatte Maria Theresia mit Ludwig: Fünf davon starben schon während sie noch lebte, ein Junge erst später, Dauphin (siehe Bild rechts) – dieser wurde allerdings niemals Thronfolger, weil er vor seinem Vater verstarb.
Das Leben von Maria Theresia hört sich nicht schön an. Deshalb hat sie es in jedem Fall verdient, dass nun auch sie ein olfaktorisches Denkmal bekommt und nicht nur die Mätressen von Ludwig, die bereits für Cire Trudon mit deren herrlicher Tuberosenkerze Mademoiselle de la Vallière als auch für Roméa d’Améors Les Maîtresses de Louis XIV als Vorbild dienten.
Infanta en Flor von Arquiste widmet sich natürlich der noch glücklichen Zeit der Maria Theresia, nämlich als sie zum ersten Mal ihrem Zukünftigen begegnet: Unschuldig mit Orangenwasser parfümiert, erröten ihre gepuderten Wangen, als der König sie zum ersten Mal ansieht. Sie öffnet ihren parfümierten Fächer und wagt es, verstohlen zurückzublicken.
Infanta en Flor – die Prinzessin in Blumen, oder auch – erblüht? Liebe Spanischkenner und -könner, könnt Ihr mir weiterhelfen? In jedem Falle orientiert sich der Duft mit seinen Zutaten an verschiedenem: Dem einerseits sehr strengen, mit Silber- und Goldstickereien verzierten Kleid der Prinzessin, die ganz nach spanischer Mode gekleidete war – hochgeschlossen in einem versteiften Kleid mit voluminösem „guardainfante“, jenem Rock, den Ihr auf den Bildern hier begutachten könnt und bei dem sich die Franzosen wohl kringelten. Und dann sind da noch die Ledernhandschuhe, jene parfümierten, sowie das nach Rosen duftende Rouge, das auf der blassen, glatt gepuderten Haut der Infante Kontraste setzt. Orangenblüte, Leder, Labdanum und Immortelle hat Herr Vasnier wohl für diesen Duft verwendet, ich bin gespannt…
…und werde natürlich nicht enttäuscht: Eine hauchzarte Orangenblüte wässrigen Naturells umfängt anfänglich meine Nase, pudert und cremt – nicht ohne bereits samtene Lederakzente anzudeuten. Die Orangenblüte verbleibt allerdings sehr natürlich, keinesfalls honigsüß und nicht überaus fruchtig, eher authentisch wie in Houbigants wunderschönem Orangers en Fleurs, allerdings ohne begleitendes Grün und cremiger. Das Lederchen zieht im Laufe des Duftes an, und zwar auf eine durchaus neckische Art und Weise: Rauer wird es, ein wenig rauchig-dreckig und vor allem verströmt es einen würzigen Hauch Angekokeltsein, der mir sehr gut gefällt in der Kombination mit der unschuldigen Orangenblüte.
Diese Frau – verlässt man nicht nur nicht, sondern diese Frau begehrt man(n). Das zumindest finde ich, denn für mich ist Infanta en Flor ein sehr erotischer Skin-Duft mit jeder Menge Understatement, der aber gleichzeitig zwischen Distanz und Intimität oszilliert und mit zurückhaltender Schüchternheit und einer gewissen Tiefe kokettiert. Wer sich vor Immortelle fürchtet, braucht hier keine Angst zu haben: Weder auf dem Teststreifen noch auf meiner Haut trat diese in den Vordergrund, ihre Präsenz ist sehr unterschwellig, ihr Vorhandensein nicht wirklich zu bemerken. Wieder mal ein so schöner Duft – Chapeau, Monsieur Vasnier!
Viele liebe Grüße und ein schönes Wochenende Euch,
Eure begeisterte Ulrike.
P.S.: Nächste Woche geht es weiter mit den letzten zwei Arquiste-Düften – ich hoffe, Ihr freut Euch genauso wie ich mich!
Liebe Ulrike, wunderbar hast Du das alles beschrieben. Was hast du denn wohl studiert? Kunstgeschichte? Literaturgeschichte-Philologie? Sowas kann man nicht in einer Woche recherchieren, man muss schon vorher alles Grundsätzliche wissen. Einiges wusste ich natürlich auch schon, ich habe viel gelesen, war ja mal als ich jung war, Buchhändlerin. Und wir schauen uns auch viel an. Wir waren neulich auf Schloss Friedenstein in Gotha, da muss ich einmal im Jahr hin, wenigstens – auch wegen der Houdon-Skulpturen und was es da sonst so alles von Ägyptologie über Vor- und Frühgesichte, Antike bis Cranach alles so gibt. Nächstes Jahr wird die japanische Lackarbeitensammlung ausgestellt. Wir hatten eine Führung oben durch die Gemächer des Herzogs mit ersten Badezimmer und so weiter. Aber was für kalte große Räume. Das Schloss ist allerdings jünger als Versailles. Der Führer erzählte uns, dass die Damen nur ihre dicken Roben hatten und sonst keine Unterwäsche. Das aber das Dekolletee dafür umso größer gewesen sei. Dass die Perückenmode dadurch entstanden sei, dass der Sonnenkönig überaus prachtvolle Locken und Haare gehabt hätte und alle hätten das nachgemacht – mit Perücken, wenn es die Natur nicht hergab.
Ja, und dann wird immer gesagt, dass sie früher schlechte Zähne hatten und deshalb auf den Bildern und Portraits stets mit geschlossenem Mund allenfalls leicht lächelnd dargestellt wurden. Aber als ich mal Aktzeichnen gemacht habe ist mir klargeworden, dass man auch nicht länger als ein paar Minuten mit geöffneten Lippen lächeln kann, das geht nicht. Auch bei meinen Versuchen von Autoportraits(sind nicht zum Angucken, peinlich das), konnte ich nicht länger als ein paar Minuten grinsen. Heute hat man Fotos zur Hilfe und kann deshalb Menschen auch lächelnd und lachend portraitieren. Sicher hatten sie damals schlechte Zähne und das nicht nur wegen des Essens. Aber so eine Maler hätte es eben improvisieren müssen, denen schöne Zähne zu malen und das auch gekonnt. Es war wohl nie üblich damals.
Der alte Goethe hatte auch ein Gebiss und es hat ihm sehr zugesetzt, dass er im Alter ohne die sehr eingefallen und alt aussah. Schöne Zähne waren damals etwas ganz und gar Wertvolles und wurden durchaus als Zeichen von Schönheit geschätzt, wie Du sicher weißt.
Ja, ich freue mich auf Eure/Deine Rezensionen nächste Woche.
Ganz liebe Woche und einen guten Wochenanfang.
Waltraud
Vergessen: Ich kann nur ganz rudimentär Spanisch. Meine Schwiegertochter ist aus Sevilla, mein Sohn und sie sprechen nur spanisch miteinander. Ich verstehe es bruchstückhaft. Aber um „erblüht“ zu bedeuten, müsste das „Flor“ ja ein PPP sein, ein Partip Perfekt Passiv. Es scheint mir aber ein Substantiv mit Präposition zu sein? Wenn niemand sonst das genau weiß, frage ich mailig bei meiner Schwiegertochter an, sie lehrt Spanisch an der Uni in Jena. Dann wissen wir es genau.
Liebe Grüße
Waltraud
Liebe Ulrike,
Ich habe meine Schwiegertochter gefragt. „Infanta en Flor“ heißt: „Prinzessin in Blüte“.
Wie ich oben schrieb: ‚en‘ ist eine Präposition und Flor ein Substantiv.
Liebe Grüße
Waltraud
Hallo liebe Waltraud,
ich habe Philosophie und Pädagogik studiert und promoviere gerade (noch…) in Philosophie über den Ästhetikbegriff bei Sören Kierkegaard – Du wolltest es ja wissen 😉 Eine spannende Arbeit und ein Fass ohne Boden… was manchmal dazu führt, dass ich in meiner Freizeit komplett die Nase voll von Kultur habe. Dafür gibt es dann aber Filme und Bücher – ist auch Kultur, strengt mich aber nicht so an wie Museen, Ausstellungen, Theater, Oper etc. (was ich natürlich trotzdem mache).
Was diese Zeit anging mag ich mir ehrlich nicht vorstellen, wie einige damals gerochen haben unter den ganzen Puder- und Stoffschichten. Da schüttelt es einen, ganz abgesehen davon, dass so ein „Schlübber“ unter einem Rock schon seine vielfältigen Vorteile hat, wie ich wohl meinen will… 😀
Das mit den Perücken ist aber natürlich komplett gleich geblieben: Heute hat doch auch keiner der Promis echte Haare, echte Brüste, echte Nägel, echte Hinterteile, echte Rundungen oder sonst etwas. Silikon, Filler, Hyaluron, Botox, Shapewear, Haarteile und Plaste in jeglicher Form erledigen das doch für die Damen – und für den Rest gibt es den Stylisten und Visagisten 😉
Du warst mal Buchhändlerin? Toll 🙂 Und Malen tust Du auch? Ich habe immer den Eindruck, Dir wird es nie langweilig. Das ist wirklich toll. So bleibt man ewig jung.
Und danke fürs Nachfragen – ich habe mir meine Übersetzung oben angeschaut, die war natürlich deppert ausgedrückt. Ich meinte natürlich mit „erblüht“ dass sie in Blüte steht, die Maria Theresia. Aber jetzt haben wir es ja geklärt dank Deiner Hilfe 🙂 Und ich würde ja auch gerne zusammen mit Infanta en Flor erblühen – der Duft ist wirklich toll…
Viele liebe Grüße,
Ulrike.
Liebe Ulrike,
dachte ich mir doch, dass Du in dieser Richtung studiert hast. Mein Schwiegertochter, ich will hier so öffentlich nichts Detailliertes schreiben, hat in Sevilla noch zu Franco-Zeiten, eine Mammut-humanistisches Studium absolviert und noch dazu Cembalo und Musikgeschichte? auf dem Koservatorium. Dann in Salzburg Musik und später hat sie in Münster in Europäischer Kunstgeschichte promoviert: „Die Affekte in der spanischen Barockmusik“. Sie kennt die spanische Geschichte rauf und runter, sie hält Vorträge und dergleichen. Aber sie hat auch als Cembalistin konzertiert. So habe ich sie auch kennen gelernt, ohne zu ahnen, dass sie mal meine Schwiegertochter werden würde. Jetzt nach vielen Jahren hat ihr ihr Studium und ihre Promotion endlich etwas eingebracht. Was für ein langer Weg.
Philosophie? Was für ein weites Feld! Alle Wissenschaften haben ihren Ursprung in der Philosophie. (Was sag ich Dir?) Bis Kierkegaard bin ich nie gekommen. Als ich jedoch noch mit 47 Sozialwesen studiern konnte, habe ich sehr Carl Popper schätzen gelernt, durch den habe ich viel über Philosophie gelernt. Aber für eine Promotion muss man ja ein noch nicht beackertes Feld bearbeiten. Und in Du bist nicht Herr von-und-zu. Wie ich es von Schwiegertochter kenne, bekommst du nicht ein zitiertes Zitat erlassen.
Nein, mir ist nie langweilig. Aber ich kann gelangweilt werden durch Menschen und durch langweiliges Fernsehen.
Ja, hier in Weimar kann man auch schon mal genug von Kultur bekommen, es ist auch zuweilen etwas einseitig. aber ich male eher weniger. Ich singe auch(meine Stimme ist gut ausgebildet unverbraucht, aber niemand hier will das noch hören, zuviele gute junge Sängerinnen) Außerdem lerne ich gerade Latein und Japanisch, letztes versuche ich sozusagen.
Jung bleiben? Es ist eher so, dass ich mich innen gar nicht alt fühle, man bleibt im inneren Wesen immer derselbe Mensch. Aber von außen wird einem das sehr gnadenlos klargemacht. Schon alleine solche Bemerkungen bei Kommenaren von Jüngeren: Das ist doch nur was für ältere „Damen“, wobei sie ein seltsames Bild von uns haben, sind verletzend. Solche Kleinigkeiten sind schon ausgrenzend. Wenn es geht, bratze ich zurück. Es ist aber meist eher gedankenlos um sich selber auf Kosten anderer aufzuwerten.
Was Deine Übersetzung angeht: Da sonst keine Reaktion war werden es wenige genau wissen wollen und es ist so ebenfalls verständlich. Infanten sind, so sagte mein Sohn (A-Kirchenmusiker aber nun Softwareentwickler) sind immer die Kinder von Königen, Prinzen und Prinzessinnen, auch wenn sie selber niemals einen Anspruch auf den Thron haben – so ungefähr.
Bis dahin, ebenfalls viele liebe Grüße
Waltraud
dauphin bedeutet thronfolger, der sohn hiess louis….danke für den netten beitrag..fast so schrecklich wie die geschichte mary stuarts…
Hallo liebe Waltraud,
das Studium Deiner Schwiegertochter hört sich sehr interessant an! Und lange Wege sind bei derlei Fächern ja normal 😉 Du hast nochmals spät Sozialwesen studiert? Das finde ich toll 🙂 Dann kannst Du ja jetzt eigentlich auch noch ran mit der Philosophie – wir hatten ganz viele über 50jährige in unserem Studiengang 😀 Und langweilig wird Dir damit sicher auch nicht 😉 Aber damit hast Du ja ohnehin keine Probleme 🙂
Finde ich toll, dass Du so agil bist!
Viele liebe Grüße,
Deine Ulrike.
Huhuu liebe Lisa,
danke für die Anmerkung! Und ja, die Geschichte ist fies. Wie so einige andere auch. Erinnert eben immer fatal an Shakespeare, die Realität – mich zumindest 😉
Liebe Grüße,
Ulrike.