Der rasche Blick diese Woche…

gilt folgenden Neuigkeiten, die ich heute für und mit Euch entdecken möchte: Inekes Hothouse Flower, Molton Browns Valbonne, Odins 08 und Etros Greene Street.

Ineke Rühland werkelt ja schon eine ganze Weile an ihrem Duftalphabet und schenkt uns mit Hothouse Flower das H und somit den achten Duft ihrer Kollektion – eigentlich. Sieht man nämlich mal von ihrer Kollektion ab, die sie für Anthology gemacht hat und die ich leider, leider immer noch nicht testen konnte. Kennt sie wer von Euch? Hothouse Flower ist… tatatataaa – eine Gardenie. Und ausnahmsweise mal nicht Billie Holiday gewidmet. Das macht aber überhaupt nichts, und überhaupt: Liebe Parfumeure da draußen, für mich soll es bitte Gardenien regnen in nächster Zeit! Kann ich doch gerade nicht genug bekommen von dieser normalerweise mit Hilfe von Tuberosen in Düften kreierten Blüte – zur Erklärung: Siehe diesen Artikel hier.

 

Ineke wäre nicht Ineke, wenn sie die Gardenie nicht gemäß ihrer Vorliebe Düfte zu kreieren erfasst hätte: Frisch, zart, dahingehaucht wie auf einem Aquarell. Und dennoch – modern. Komplex, aber gleichermaßen puristisch. Eine frische Gardenienblüte, von Tautropfen oder einem kurzen Regen benetzt, von schillernd dunkelgrünem Blattgrün umrankt. Noten von bitterem Earl Grey und herben Zypressen sowie eine grüne Feige rahmen sie ein, die seidig-saubere, von sachten Hölzern bewacht. Wer Annick Goutals Un Matin d’Orage mochte… oder ihn hätte mögen können, wäre er reduzierter gewesen, frischer, weniger süß-floral… der muss Hothouse Flower unbedingt testen. Wer Gardenien mag, muss das sowieso – diese hier ist eine echte Bereicherung für die Gattung.

Molton Brown erweitern ihre Navigations Through Scent Collection um Valbonne: Einmal mehr der Phiole von Jennifer Lambon entsprungen kredenzt man uns eine Impression aus dem sommerlichen Frankreich, die Harmen im Shop folgendermaßen übersetzte:

„Achtung: Der Duft könnte Lebensfreude enthalten! Frühjahr, ein kleines Château etwas außerhalb von Grasse, dem Zentrum wahrer Parfumeurskunst. Die Luft ist mit dem Duft von Mimosen erfüllt. Entspannte Tage, voller Lachen – heitere Abende und Nächte von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang, ganz nach unserem Geschmack, spontan, elegant und chic.“

Das mit der Lebensfreude glaube ich gleich, liegt Valbonne nicht nur in der Nähe des gut duftenden Grasse, sondern auch neben Nizza, das ja bekanntermaßen auch kein Kind von Traurigkeit ist… Pittoresk sieht es aus, das Städtchen – und macht gleich Lust auf Urlaub… aber kommen wir zurück zum Duft: Im Auftakt zeigt sich Valbonne verhangen von Bergamotte, einer zitrisch-dynamisch-herben, die sich aber als flüchtig erweist und alsbald in das Herz des Duftes führt, das mich ziemlich begeistert. Orangenblüte, eine eher fruchtig-florale denn honigsüße, sich mit einer zarten Mimose verbindend zu einer floralen Einheit, die im Dreiklang mit Vetiver und Leder eine herrliche Liaison eingeht. Kühles Wildleder, eher edles Understatement als Krachlederne, und Vetiver, sanft-salzig und verhalten rauchig. Das hier könnte der Vetiver des 21. Jahrhunderts sein. So modern und habenswert wie ein Hedi-Slimane-Anzug. Eine echte Klasse für sich, die auch von einem Herrn Heeley hätte stammen können, der einen optimistischen Tag hatte. Ziemlich perfekt, finde ich als alter Vetiver-Liebhaber.

Haeckel: Jungle River, Ceylon

Mit Odins 08, Seylon genannt, erwartet uns ebenfalls ein Vetiver, und zwar eine absichtlich erdig-rauchig gehaltene Interpretation – insofern, wie man schon jetzt ahnt, eine ganz andere Geschichte wie Valbonne. Seylon ist einer der vielen Namen von Sri Lanka, jenem Inselstaat auf dem unter anderem auch, ganz genau: Vetiver zu finden ist. Einen schönen Artikel zu der Ingredienz, unter anderem auch zu den geruchlichen Unterschieden in Bezug auf die Herkunft, findet Ihr hier bei Alaya Moriel, einer kanadischen Indie-Parfumeurin. Seylon zeigt im Auftakt ein herrliches Spiel von Zitrusfrüchten und Muskat, das immer gut funktioniert – jene dem Yuzu eigene seltsame zitrische Fruchtigkeit, Bitterorange, satte, die hier ähnlich an Heu erinnert wie in Ellenas Bigarade Concentrée für Malle, sowie ein Hauch Bergamotte, den Duft langsam in sein salzig-sauberes Vetiverherz überführend, das von einer zauberhaften Basis aus erdigen Anklängen, einer verhaltenen Wärme sowie sauberem, weichem Eichenmoos unterstrichen wird. Schön. Und kontemplativ.

Kommen wir zu einem Label, von dem ich einen Großteil seiner Düfte in meinem Schrank stehen habe, zu Etro. Etros neuester Streich, Greene Street, ist benannt nach der gleichnamigen Straße im New Yorker In-Stadtviertel Soho, wo sich die Mailänder Modefirma letztes Jahr niedergelassen hat. Seit Jahrzehnten bekannt ist Soho für seine kreative Atmosphäre, seine Galerien und Künstlerlofts – ein Mikrokosmos unterschiedlichster Menschen, Farben, Kulturen, Lebensstile, Einflüsse. Alles toll und die Idee finde ich auch schön, obgleich Bond No. 9 den Big Apple ja schon bis ins kleinste Detail olfaktorisch seziert haben… aber: Ich mag Greene Street nicht. Warum? Darauf möchte ich Euch eine ganz subjektive und emotionale Antwort geben, denn objektiv kann man Greene Street durchaus mögen. Dieses Marketinggeplapper von wegen „Verschmelzen von Gegensätzen, Kultur, Tradition, Neues & Altes treffen aufeinander“ blablabla kann ich manchmal einfach nicht mehr lesen. In Greene Street treffen jede Menge, ok: eine ganze Menge Ingredienzen aufeinander, nämlich folgende: Kopfnote: Basilikum, Muskatnuss, Rosa Pfeffer; Herznote: Weihrauch, Harze, Veilchen, Geranium; Basisnote: Talkum, Moschus, Labdanum (Zistrose), Ambra. Soweit so gut… Bei Aristoteles lässt sich nachlesen, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile – ein klassischer Synergieeffekt. Bei Düften sollte es auch eigentlich so sein, dass man aus verschiedenen Zutaten ein großes Ganzes schafft, das mehr ist als… seine Zutaten. Hier hat man wild alles Mögliche in einen Topf geworfen – und herausgekommen ist meiner Meinung nach nicht besonders viel (mehr). Klar, es holzt ganz nett vor sich hin und glimmt, ein paar kühle aromatische Anklänge, die mit warmen Noten wetteifern, Veilchen, ein bisschen Puder und Erde, dann weicher Moschus und so weiter… Trotz allem ist das nichts genuin Neues, ich frage mich die ganze Zeit, woher ich es schon kenne – vielleicht sogar von Etro? Eine Portion Messe de Minuit, ein Quentchen Lemon Sorbet ohne Lemon, ein Hauch Ambra und eine Winzigkeit Heliotrope… Was mir hier fehlt ist, neben einem erkennbaren Resultat samt vorhergehender, sich darin ausdrückender Motivation, – Innovation. Und mit Soho war diese Latte jetzt nicht wirklich niedrig gehängt. Sei es drum: Wer noch keinen weihrauchigen Gewürzling mit aromatisch-krautigen sowie pudrigen Anleihen im Schrank stehen hat, einen der immer geht und nirgends aneckt, obgleich er nicht flach ist – der kann mal probieren und mag Greene Street wahrscheinlich auch.

Ich wünsche Euch allen einen schönen Tag und verabschiede mich für heute mit den allerbesten Wünschen –

Eure Ulrike.

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

5 Kommentare

  1. Susanne
    15. November 2012
    Antworten

    Guten Morgen, liebe Ulrike,

    danke für die schöne Rezension heute und vor allem die gestrige! Heute konnte ich meinen Frühstückskaffee in Ruhe trinken, die heute besprochenen Düfte haben nicht das frenetische Haben-Wollen ausgelöst … zum Glück!
    Denn gestern war das ganz anders – Robert Piguet (? – wenn ich mich nicht täusche, ist das seit Jahrzehnten der erste neue Duft? Zumindest ist mir nichts anderes bekannt – bitte korrigieren, falls ich mich irre!). Macht Lust aufs Ausprobieren.
    Dann Grossmith … hmmm, hört sich genauso „anfixend“ an wie Laborattorio Olfatticos neuer Duft und auch Villoresis letzte Duftcreation (wobei mich etwas erstaunt, dass er „fremdgeht“).

    So, jetzt kann ich mich positiv gestimmt meinem Tagwerk widmen,
    und wünsche Dir und den Mitlesern Deiner Rezensionen einen schönen Novembertag
    Susanne

  2. Katharina W.
    15. November 2012
    Antworten

    Liebe Uli,
    deine Rezensionen wecken bei mir regelmäßig so starke Haben-Wünsche, daß ich mich gar nicht mehr so recht traue, deinen Blog zu lesen…
    Gerade die Düfte von Goutal und Etro haben es mir angetan. Der Gewittermorgen zählt dank dir schon seit Jahren zu meinen Lieblingen.
    Ach, wenn man halt einfach mehr Geld hätte…
    Dir und den Katzen wünsche ich dir einen schönen Nachmittag.

    Liebe Grüße
    Kati

  3. Avatar-Foto
    Ulrike
    16. November 2012
    Antworten

    Huhuu Ihr,

    tja ja, die Neuerscheinungen 😉 Wenigstens bin ICH nicht die einzige, die ich anfixe mit den Artikeln 😉 Ich bin ja auch schon mächtig gespannt auf einiges und habe natürlich ebenfalls starke Haben-Wollen-Reflexe bei einigem…

    Von Piguet gab es tatsächlich ein paar Neuigkeiten die letzten Jahre, schau mal hier: http://www.parfumo.de/Parfums/Robert_Piguet
    Getestet habe ich leider auch noch nicht alles, kann ich ja mal für Euch nachholen 🙂

    Ganz viele liebe Grüße,

    Eure Uli.

  4. Susanne
    18. November 2012
    Antworten

    Liebe Ulrike,
    danke für den Link zu den Parfums Robert Piguet bei parfumo – da war ich doch tatsächlich nicht sehr helle, hätte ich auch selbst nachschauen können …
    Noch schönen Rest-Sonntag, Susanne

  5. Avatar-Foto
    Ulrike
    21. November 2012
    Antworten

    Huhuu liebe Susanne,

    das macht doch gar nix 😉

    Liebe Grüße,

    Ulrike.

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