Aus einer idealen Welt…

… scheinen die Düfte von Eutopie zu kommen, so zumindest der erste, den ich gestern testen durfte: Eutopie No. 1 wird seinem Anspruch absolut gerecht, ein kleiner, parfumgewordener Menschheitstraum zu sein. Schauen wir uns heute einmal an, ob Elodie Pollet dieses Versprechen auch mit ihren anderen Düften hält!

Eutopie No. 2 „is the impression of France from the Arab countries“ zitiert Fragrantica Pollet in ihrem Interview, siehe hier. Ein „spicy rose chypre“ für Mann und Frau soll der Duft sein und an Bakhour erinnern, jene Räuchermischungen, bestehend aus mit Ölen getränkten Holzsstückchen, die man auf Kohle „verheizt“ und die den Raum augenblicklich mit ihrem Duft erfüllen. Ich war selbst nur ein paar wenige Male auf Studienreisen in arabischen Ländern unterwegs und habe damals, aus welchen Gründen auch immer, nie Räucherwaren mitgebracht. Als aber vor einigen Jahren der Mann einer Freundin – er ist Tontechniker und somit ständig in aller Herren Länder unterwegs – eine Reise in den Oman antrat, bat ich ihn, mir doch auf den dortigen Märkten ein paar Mischungen mitzubringen. Wie ich später an seiner Ausbeute ausmachen konnte und mir von meiner Freundin bestätigen ließ, hat es ihm mächtig Spaß gemacht. Im Normalfall zeigt sich meine Freundin wenig begeistert von dem Tinnef, den ihr Mann sonst so mitbringt aus den hintersten Winkeln der Welt, insofern scheint es ihm richtig gut getan zu haben, sich einmal austoben zu dürfen: Er brachte mir diverse Räuchermischungen mit und Öle, die ich nacheinander hier ausprobieren konnte und die zu testen mir unglaublich viel Spaß gemacht hat.

Langer Rede… ich kann den Vergleich verstehen: Bei Eutopie No. 2 habe ich im Gegensatz zu seinem französisch anmutenden Vorgänger keinerlei Probleme, den Bezug zum Orient zu erkennen. Er kommt dem, was ich an Räuchererlebnissen hatte, ziemlich nahe: Der Anfang zeigt sich von fruchtig-rosiger Frische, die aber bereits von strengen, obgleich sehr angenehmen schweren Noten überschattet werden. Parfumöl- und harzgetränkt wirkt der Duft, daher bezieht er seine Opulenz, ohne allzu viele einzelne Noten zu offenbaren. Einzig – Safran, Safran ist hier mehr als prominent wahrzunehmen, würziger, ledrig-strenger Safran, der fast oudgetränkt anmutet (obgleich hier scheinbar keines drin ist…). Darunter finden sich Hölzer, Harze und Moschus, die allerdings nur als Bühne dienen – für diesen majestätischen Safran in seinem Ledergewand, der sich in von leichter Hand gezeichnete Rauchschwaden hüllt.

Marlene Dietrich (29)

Was fällt mir dazu ein? 1.) Ich habe selten so ausgeprägte Safrannoten gerochen in einem Duft – sofort fällt mir Xerjoffs unglaublicher Gao ein aus deren Oud Stars-Kollektion… danach muss ich aber schon schwer nachdenken… In der Kombination mit Rose gab es das auch bei Washington Tremletts schönem Black Tie und Montales Aoud Safran. Ich finde Eutopie No. 2 eine ganze Ecke schöner – aber auch direkter, weil deutlich und gewollt arabisch interpretiert. 2.) Trotz der Wollust, die der Duft ausstrahlt, wirkt er auf mich aufgrund der Herbheit des Safrans intellektuell und, zwar sehr erotisch, aber auch kühn und kühl, ein wenig distanziert… was mich dazu verleitet, eben nicht an eine exotische Schönheit zu denken, die sich in irgendeiner Opiumhöhle oder sonstwo lasziv auf einer Récamière räkelt – ich denke an die gute alte Dietrich, gerne auch in ihrer Rolle als „Blauer Engel“ Lola…

Eutopie No. 3 ist ein echtes Chamäleon: Weiter ans Mittelmeer heran führt er uns, allerdings von der arabischen Halbinsel aus. Ruhiger und kontemplativer soll er sein, der Duft, im Vergleich zu seinen Vorgängern. Dem kann ich folgen. Ein Blick gen mediterrane Ufer – nein, das ist es für mich nicht. Vielleicht soll der Blick aber gar nicht zu fernen Ufern schweifen, sondern einfach auf dem ruhigen Meer verharren… Eutopie No. 3 brilliert im Auftakt mit fruchtiger Herbheit in Kombination mit der für ihn typischen Safranwürze. Kühl und ledrig, durch Amyris und Nagarmotha, eine meiner Lieblingsingredienzen, aromatisch-dunkelgrün angehaucht. Von unten harzt und holzt es ganz gewaltig, darüber hinaus schwelt und glimmt es lauwarm – rauchiges Oud, dunkel, verhalten medizinisch anmutend. Dabei ist die No. 3 nicht unbedingt ein finsterer Duft, nein… Sophisticated und minimalistisch finde ich ihn, edel und puristisch. Hätten Amouage zu ihrem 25jährigen Firmenjubiläum Duchaufour und Ellena als Duo engagiert, dann wäre vermutlich etwas ganz Ähnliches bei deren (trotzdem herrlichen) Herrenduft herausgekommen: Ein orientalisch-minimalistisches Meisterstück.

desert walls at night

Eutopie No. 4 steht auch schon vor mir in einer Winzlingsprobe auf dem Tisch – nur leider habe ich bisher keinerlei Material dazu erhalten, ergo kann ich nur sprühen und raten, vielmehr: ein wenig verraten. Auf den ersten Riecher wirkt er nicht wie ein typischer Orientale, da hatten wir mit Eutopie dieser Tage nun schon ganz anderes… Warm, trocken, pudrig und süß – Tonkabohne, Hölzer, ein Harzhauch samt irgendeiner Würze, einer süß und gleichermaßen scharf anmutenden… Schön. Ich bin schon sehr gespannt auf die Inspirationen zum Duft – dazu müssen wir uns wohl noch etwas gedulden…

Und, ist was für Euch dabei bei der Eutopie-Kollektion?

Viele liebe Grüße und ein schönes Wochenende,

Eure Ulrike.

P.S.: Hier noch ein netter Bericht auf Französisch für die, die es können – Isabelle? 🙂

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

4 Kommentare

  1. Üt
    9. November 2012
    Antworten

    Liebe Uli,
    das Duft-Tagebuch hat mich wieder sanft und sicher durch die Woche geleitet. Vor allem das indische Foto von heute mag ich besonders. Indische Klamotten und Schmuck stehen ganz oben auf meiner Agenda. Auf meine Testliste haben es diese Woche White Fire und alle drei von Dir aufgeführten Düfte von Prudence Paris geschafft. Schon allein dieses Kinderfoto war so bezaubernd. Da schlägt das Herz höher in der Brust, obwohl man den Duft noch gar nicht gerochen hat. Aber alles was Du dazu geschrieben hast verleitet wie dazu Prudence Paris sofort haben zu wollen. Ohne Dich wüßte ich gar nichts darüber, also hab vielen vielen Dank !!!!

    Diese Woche hab ich von Annick Goutal – Les Nuits d’Hadrien getestet. Wow…. finde von allen Annick Goutal Düften am grandiosesten. Das Basilikum darin hat es mir völlig angetan. Von Basilikum angefixt. Petit Cherie war ja schon unwiederstehlich,Les Nuits d’Hadrien ist noch besser.

    Bald kommt mein Weihnachtsgeld, (Tage zähl … lol) und ich stehe vor schweren Entscheidungen. Unbedingt haben muß ich Atelier Cologne – Grand Néroli – da scharre ich schon mit den Hufen und auf alle Fälle will ich Rosa Incantevole das Mädchen-Set von Nobile 1942. Vorgestellt von Dir am 06.03.12 -das habe ich mir gleich notiert damals. Nach Erdbeeren riechend durch den kalten, langen Winter laufen. Duft-Therapie für mich selbst bevor es endlich wieder richtige Erdbeeren gibt. (Abgesehen von den Brechdurchfall-Erdbeeren aus China!)

    Freue mich sogar auf nächste Woche – sogar auf Montag, weil es dann einen neuen Beitrag gibt von Dir oder Harmen. 🙂

    Üt

  2. Isabelle
    12. November 2012
    Antworten

    Liebe Ulrike,

    genauso wie Üt finde ich das indische Foto absolut wunderschön. Und Lust habe ich wieder, nach Indien zu fliegen.
    Ich kenne nicht viele Düfte mit sehr erkennbarer Saffran Note (nur Safran Troublant von L’Artisan Parfumeur), daher denke ich mal, Eutopie 2 ist schon ein vernünftiger Testkandidat.
    Und jetzt bin ich auf Eutopie 4 gespannt!

    Ganz lieben Gruß,

    Isabelle

    p.s.: Bericht auf Französisch? Yes I can! 🙂 Vielen Dank für den Link!

  3. Susanne
    12. November 2012
    Antworten

    Liebe Ulrike,
    wieder eine Woche der Rezensionen, die – wie ich meinen Mit-Rezensentinnen entnehmen kann – auch die anderen Duftbegeisterten zum Will-ich-haben rufen animieren!
    Die Eutopie-Düfte scheinen mir aufgrund der Beschreibungen alle Kandidaten zum Ausprobieren zu sein – wieder soooo schöne Beschreibungen mit sooo schönen Fotos.
    Für mich war in der vergangenen Woche – nachdem mir die Glücksfee „Steam Aoud“ ins Haus flattern ließ – die Revelation Nagarmotha – noch nie vor Deinem Bekenntnis zu diesem Montale-Duft hatte ich davon gehört. Und ich stimme Dir vollumfänglich zu: ein unglaublicher Duft, der sich allerdings mir erst nach Stunden eröffnet hat: der erste Eindruck nach dem Aufsprühen … oh nein, dann immer wieder Schnuppern und mit der Duftentfaltung wuchs meine Begeisterung – und sogar am nächsten Morgen ist auf dem Handgelenk ein spürbarer Hauch des voll entfalteten Duftbouquets zu erschnuppern.

    Lieben Gruß und danke für diese verbalen Sonnenstrahlen im November, die jeden Morgen wärmen.
    Susanne

    PS: den Bericht auf Französisch habe ich auch mit Interesse gelesen – für mich umso interessanter, als ich bisher die Russinnen eher als den Mainstream-Düften zugewandt gekannt habe (der Name der großen Couturiers scheint das Wichtigste zu sein). Wie schön, wenn sich das ändert.

  4. Ulrike
    16. November 2012
    Antworten

    Hallo Ihr Lieben 🙂

    @ Üt: Warst Du schon mal in Indien? Ich habe es leider noch nie nach Asien geschafft, würde aber so gerne einmal… Prudence Paris ist eine sehr sympathische Marke. Du solltest auch mal den Mädchenduft testen, der ist auch beerig 🙂 Das Nobile-Set ist toll – ich mochte beide Kindersets sehr. Wenn Du nach einem solchen Stimmungsaufheller suchst, solltest Du Dir unbedingt auch mal den Libellentanz von Nobile unter die Nase klemmen – den werde ich mir vermutlich auch demnächst mal kaufen, zumal es ihn auch in einer so netten kleinen Größe gibt. Der Atelier Cologne ist ebenfalls schön.

    @ Isabelle: Wann warst Du denn in Indien und hast Du dir auch was vom restlichen Asien angeschaut? Falls Du demnächst fliegst – ich bin im Allgemeinen sehr pflegeleicht und passe in jeden Koffer 😉

    @ Susanne:
    Es freut mich sehr, dass Du den Steam Aoud ähnlich wahrgenommen hast. Es ist auch die Herz- und Basisnote, die an ihm so wunderschön ist. Er braucht, bis seine Ausstrahlung Fahrt annimmt 🙂
    Das mit den Russinnen kann ich im übrigen nur unterstreichen 🙂

    Viele liebe Grüße an Euch,

    Eure Ulrike.

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