ist der Name eines neuen Labels, das dieser Tage bei uns im Shop gelandet ist. Die Nase dahinter ist die französische Parfumeurin Elodie Pollet, deren Name mir bisher kein Begriff war. Das hat sich nach ein paar Recherchen dann geändert: Unter anderem findet sich ein noch aktuelles Interview auf Fragrantica, das auf der diesjährigen Pitti in Florenz gemacht wurde – siehe hier. Darin erfährt man auch, wie Madame auf den Duft gekommen ist. Einmal ist es, Gott sei Dank, nicht die ganz gleiche Geschichte im Stile von „Ich liebte schon als Kind Düfte“, „meine Oma/Mutter/Tante/Großvater/X hat mich dazu gebracht, weil er Apotheker/Parfumeur/Duftliebhaber/X war“ – die kann ich, ehrlich gesagt, mittlerweile nämlich nicht mehr lesen, auch wenn sie oft wahren Inhaltes sind. Pollet landete wohl mehr oder weniger durch Zufall oder auch glückliche Fügung bei Hèrmes und hat dreizehn Jahre für das Haus auf der ganzen Welt gearbeitet. Ihr Mann, den sie 2007 geheiratet hat, kommt auch aus der Branche – ist er doch bei L’Oréal angestellt. Mit ihm verbrachte sie beruflich ein paar Jahre in Dubai, ein Aufenthalt, der sie sehr prägte – genauso wie ihre Zeit in Hongkong. 2009 hat Pollet sich dann ihren Traum vom eigenen Parfumlabel erfüllt.
Eutopie hört sich im übrigen nicht nur an wie Utopie, der Begriff ist auch ein benachbarter: Thomas Morus führte mit seinem Roman Utopia diesen Terminus ein, der fortan für die Vision einer Gesellschaft im Idealzustand steht – einer, die auf Fleiß beruht, vom Streben nach Bildung geprägt ist und Gleichheitsgrundsätze vertritt sowie demokratische Züge trägt. Eine Eutopie ist der Begriff für jenen Ort, an dem diese Vision bereits zur Wirklichkeit geworden ist: Eine ideale Gesellschaft, die alle positiven Menschheitsträume umgesetzt hat und lebt. Ob es das schon gibt, ob es das überhaupt geben kann? … das wäre ein Thema für eine eigene Diskussion 😉
Allerdings setzt der Begriff Eutopie natürlich auch die Erwartungen hoch an: Haben wir es hier mit den idealen Parfums zu tun? Jenen, die in jeglicher Hinsicht alles Positive ausdrücken, was ein Parfum auszudrücken vermag? Wir werden sehen.
Im Vorfeld sei noch erwähnt, dass sich Madame Pollet sehr durch die arabische Parfumkultur inspiriert sieht: In jenen Ländern benutzen die Menschen, vor allem die Frauen, vorrangig Parfumöle und Attars (die wir z.B. von Amouage kennen), die enorm duftintensiv sind und sich auch auf deren Kleider legen. Man schätzt dort kräftige, opulente Düfte – dem geneigten Parfumfan ist das ganz klar, man kennt ja die Duftfamilie der Orientalen und hat sich bisweilen auch dank Häusern wie Amouage einen Eindruck von derlei Düften machen können. Oud, Sandelholz, Hölzer und Harze sowie Rosen dominieren sie, alles geschätzte Materialien im Orient, wie uns auch schon die Franzosen von Dorin mit ihrer „Un Air d’Arabie“-Kollektion zeigten.
Madame Pollet verfolgt einen ähnlichen Ansatz wie Dorin, einen der, wie ich meine, im arabischen Raum ziemlich beliebt sein dürfte: Sie kreiert arabisch inspirierte Parfums, die sie mit ihrem französischen Charme und ihrer französischen Handwerkskunst vermengt. Ein Blick in den Orient – durch eine französische Brille. Französischer Chic trifft auf orientalische Lebenlust und Sinnlichkeit. Aber bevor ich noch weiter schwärme werfen wir uns doch einfach hinein ins olfaktorische Getümmel!
Eutopie No. 1 ist eine Hommage an Dubai, so Pollet, und soll eine französische Variation eines arabischen Mukhallat sein, einer Duftölmixtur aus floralen und holzigen Aromen. In erster Linie für die Damenwelt bestimmt sieht Pollet Eutopie No. 1 auch durchaus am passenden Mann.
… dieser muss aber dann sehr gut passen, finde ich. Das wird schwer. Denn Eutopie No. 1 zeigt sich in erster Linie überaus feminin. Des weiteren… orientalisch? Nein, als typisch orientalisch hätte ich ihn jetzt nicht eingestuft, den Duft – aber er passt perfekt in obiges Konzept: Ist er vielleicht der erste Schritt in Richtung Orient? Ein Franzose mit, sagen wir mal, kokett orientalischem Anstrich oder besser: Untertönen? Das Naturell von Eutopie No. 1 ist in allererster Linie floral – wir haben es hier mit einem anmutigen und betörenden Duo aus Jasmin und Rose zu tun, die vorzüglich miteinander verwoben sind. Das Röslein zeigt sich hell und verhalten fruchtig, was von der Frische des Sternanis noch unterstrichen wird. Jasmin hingegen lockt – und zwar nicht mit den typischen indolischen Noten, sondern dank Unterstützung des Tabaks mit rauchig-warmen nektarsüßen Blütenschwaden, die dem Duft einen erotischen Touch verleihen. Die würzige Wärme sowie jener Rauch werden von ambrierten Sandelholzwolken getragen, während Zeder und Moschus für sauber-seidenen Untergrund sorgen.
Für mich ist mit Eutopie No. 1 ein perfekter Einstieg in eine vielversprechende Linie geschaffen: Mich begeistert dieser Duft mit seiner besonderen Interpretation von Weiblichkeit. Einerseits ist er von klassischem Charakter, elegant und edel, entbehrt auch nicht einer gewissen Frische und vor allem auch cremigen Sauberkeit. Er riecht gepflegt, feminin und auf eine gewisse Art und Weise teuer, exklusiv, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Und doch ist da noch eine andere Seite, das Andererseits: Eine gewisse Dämpfigkeit, eine Hitze, irgendwo dahinter, eine verlockend-verheißungsvolle. Die nach Haut duftet und warmer Sinnlichkeit.
Ich fühle mich bei Eutopie No. 1 an eine Frau erinnert, mit der ich schon zu meinen Teenagerzeiten gerne getauscht hätte: An die französische Kurtisane Apollonie Sabatier. „La Présidente“, wie sie von Edmond de Goncourt genannt wurde, war Bohémienne, Muse, Ausrichterin eines bekannten Salons, Freundin und natürlich auch Geliebte vieler damaliger Künstler, von denen so gut wie alle in ihrem Kreis verkehrten – Flaubert, Gautier, Ricard, Berlioz, Hugo, Barbey d’Aurevilly, Manet und viele mehr, um nur einige zu nennen. Darüber hinaus sei vielleicht noch erwähnt, dass sie eine der vier Frauen war, die Baudelaire als Inspirationsquelle für seine Fleurs du Mal dienten.
Damals war ganz offensichtlich nicht jeder Mann bestrebt, zwecks seiner Damenwahl einen Niveau-Limbo zu veranstalten (und zu gewinnen), wie es heute Bohlen, diverse (Ex-)Fußballer und Konsorten vorführen. Man hatte „vernünftige“ oder viel eher: vernunftbegabte Geliebte mit Esprit, meiner vollkommen irrelevanten Meinung nach erstrebenswerter, aber gut…
Morgen geht es weiter mit den restlichen drei Düften der Eutopie-Kollektion – bis dahin alles Gute und liebe Grüße,
Eure Ulrike.
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