Reispuder…

… ist in vielen Kosmetikprodukten heute gang und gäbe. „Erfunden“ beziehungsweise erstmalig angewendet in einem Puder wurde er wohl Ende des 19. Jahrhunderts von dem Apotheker T. LeClerc, dessen Produkte bis zum heutigen Tage als Visagistenlieblinge gelten. Oder, liebe Damenwelt, gibt es da draußen noch weitere Fans außer meiner Person? Puder auf Reisbasis mattiert ganz herrlich und verstopft die Poren nicht – wer weiß, vielleicht war es auch dieser Puder, den Henri Barbusse in seinem 1908 veröffentlichten Roman „Die Hölle“ erwähnt: „Die Luft in dem geschlossenen Raum war voll von schweren Gerüchen: Seife, Gesichtspuder, der stechende Geruch eines Eau de Colognes.“ Dieser Satz inspirierte Pierre Guillaume zu seinem Duft Poudre de Riz, den er soeben mit seinem Label Huitième Art lanciert hat. „Ein zarter Ambraduft“ soll es sein, der „den Charme vergangener Zeiten“ evoziert, und zwar mittels einem Akkord aus Reispulver, Rosenblättern, Tiaréblüten und Vanille. Neben diesen finden sich noch weitere Zutaten, die man bei einer solchen Ankündigung selbstredend schon vermutet hat: Iris, ganz wichtig in Makeup-assoziierten Düften, dann Sandel- und Zedernholz, Tonkabohne, Kokos sowie Tolubalsam und Benzoeharz.

Aber wenden wir uns nochmal der Vorlage zu: Henri Barbusse war ein französischer Autor und in der Politik engagiert, genauer: bei den französischen Kommunisten. Mit seinem Roman „Le Feu“, das Feuer, gewann er den (bis heute) renommierten Prix Goncourt. Le Feu gilt als einer der bekanntesten Antikriegsromane – hier lässt sich deutlich die Einstellung Barbusses herauslesen, der nach eigenen Kriegserfahrungen zum erklärten Pazifisten wurde. „L’Enfer“, die Hölle, hat eine ganz andere Thematik: Der namenlose Protagonist sitzt in seinem Hotelzimmer und wird durch ein Loch in der Wand, ein sogenanntes „Peephole“, zum Zeugen verschiedenster (sexueller) Orgien: Ehebruch, lesbische Liebe, zur damaligen Zeit noch tabuisiert, Inzest und Tod offenbaren sich ihm, dem geneigten Voyeur – und wie immer endet so etwas nicht unbedingt gut…

Boudoir baby!!!

Ich selbst kenne beide Romane nur dem Namen nach, habe aber natürlich diesen Artikel hier zum Anlass genommen, mein Bücherregal noch weiter zum Ächzen zu zwingen und mir die Bücher postwendend bestellt. Insofern kann ich vielleicht nachträglich noch etwas korrigieren, wenn ich L’Enfer gelesen habe, mich dünkt aber, dass es sich hier um kein überaus positives Büchlein handelt. Vielleicht aber sind zumindest die Ausschweifungen zwischendurch so schwelgerisch und zärtlich, wie es der dazugehörige Duft ist: In Huitième Arts Poudre de Riz entdecke ich nichts Negatives und keinerlei fiese Untiefen, die unüberschaubare Gefahren verbergen könnten (Man erinnere sich bitte an Nietzsche: „Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“). Verheißungsvolle Erotik ist es allenfalls, die mir um mein Näschen schwirrt, kokett mich umfangend. Der Anfang wallt alkoholisch auf… und offenbart umgehend Rosenblüten, genauer: Blütenblätter, und zwar im Rosenwasser, das seinen festen Platz im Boudoir gefunden zu haben scheint. Kaum hat man sich zurechtgefunden, schickt einen der Duft gleich weiter nach nebenan: Puderquasten stehen auf dem kleinen barocken Schminktischchen, groß, üppig und weich, sachte Spuren von den vielen Pudern noch in sich tragend, die um die Quasten verteilt sind. Zart parfümierte sind dabei, die nach Vanille duften, nach Blüten, tropischen und Freiheit verheißen genauso wie exotische Verführung. Lippenstifte stehen daneben, in allen möglichen Farben – Sündiges Karminrot, leuchtendes Magenta, unschuldiges Rosé, die Dame weiß um ihre Weiblichkeit und wie sie diese einzusetzen hat.

Und irgendwie wird man an dieser Stelle, nachdem man gleich dem Protagonisten in L’Enfer den Schminktisch und dessen Utensilien begutachtet hat, das Gefühl nicht los, dass die Besitzerin nicht weit ist… Hinter einem Raumteiler vielleicht? Zieht sie sich gerade um, streift die seidigen Nylons über die cremeglänzenden Beine? Und überhaupt, woher kommt dieser marzipanige Schimmer, der in der Luft hängt? Wohlige Vorahnung? Wehmütige Nachwehen? …

Burlesque Burlesque silk sleep mask in redIch finde Poudre de Riz… erotisch. Nostalgisch. Schwelgend. Anmutig. Feminin. Verlockend. Etwas für all jene, die Puder- oder generell: Makeup-Düften verfallen sind, einem kleinen Gourmandtouch (Marzipan!) nicht abgeneigt sind und die große olfaktorische Impression lieben. Denn Huitième Arts Poudre de Riz ist genauso malerisch wie beispielsweise Histoires de Parfums Moulin Rouge.

Na, hört sich das nicht interessant an?

Ganz viele liebe Grüße und ein schönes Wochenende Euch,

Eure Ulrike.

Neueste Kommentare

Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

4 Kommentare

  1. 5. Oktober 2012
    Antworten

    Ahhhhhh, herrlich beschrieben, liebe Uli!!!

    Und wie witzig: Auch ich habe mir schnell ein Büchlein ergattert, war doch ebenso neugierig wie Du und werd mich nun mit der Hölle noch intensivst befassen. :-))

    Wünsche Dir ein zauberhaftes Wochenende.

    Herzliche Grüße
    Evelyn

  2. Ulrike
    5. Oktober 2012
    Antworten

    Huhuu liebe Evelyn,

    mal sehen, vermutlich mag ich die Sartre-Hölle aus Huis Clos lieber, aber… ich werde es mir nicht nehmen lassen, auch diese hier einmal zu beleuchten 😉

    Viele liebe Grüße und ebenfalls ein schönes Wochenende,

    Uli.

  3. Dorothea
    5. Oktober 2012
    Antworten

    Da mir jetzt, in der dunklen Jahreszeit, nicht unbedingt nach „negativen“ Büchern ist, werde ich mich wohl erst mal mit dem Duft befassen…
    Der hört sich nämlich durchaus interessant an – bei der Kombi Iris+Reis musste ich sofort an meinen neuesten Herbstliebling Equistrius denken… Haben die beiden Düfte denn Ähnlichkeit?

    Viele liebe Grüße
    Dorothea

  4. Ulrike
    9. Oktober 2012
    Antworten

    Das „negative“ Buch ist angekommen – aber erst einmal im Regal gelandet, ich kann also noch nichts weiter berichten. Mir ist aber gerade eher nach Kuschelmuschel, ich lese gerade das ganz bezaubernde Buch „Samuel und die Liebe zu den kleinen Dingen“ *schmelz*. Was den Reispuder angeht – ich glaube eigentlich eher weniger, dass er etwas für Dich ist. Und mit dem Equistrius hat er meiner Meinung nach gar nichts am Hut 😉

    Viele liebe Grüße,

    Uli.

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