…hat sich Terry de Gunzburg bewegt und schreitet damit auf für sie neuen Pfaden: Zehn Jahre hat sie an ihrer eigenen Duftkollektion gefeilt und sich damit ein weiteres Terrain erschlossen, denn eigentlich ist uns die Dame aus anderen Gefilden bekannt – aus der Kosmetikbranche. Geschichte hat sie dort geschrieben, und zwar vornehmlich im Hause Yves Saint Laurent. Dort schaffte sie einen kometenhaften Aufstieg, und zwar vom International Makeup-Designer zum International Director of Creation and Marketing. Endlich mal ein Anglizismus, der sich nach etwas Handfestem anhört – das scheint ihr Job dort auch gewesen zu sein, finden sich im Pressematerial Abbildungen von ihr gewidmeten Zeichnungen vom noch nicht allzu lange verstorbenen Maestro höchstpersönlich. Ihr haben wir Frauen das Kultprodukt Touche Éclat zu verdanken, jenen Hybrid aus Concealer und Highlighter, der seit mehr als zwei Jahrzehnten die Damenwelt verzückt. Dass Madame sich irgendwann selbstständig machte, lag auf der Hand, oder? So gründete die Visagistin ihre eigene Linie „By Terry“ – man kennt es ja bereits aus Amerika, Bobby Brown und Co. Lassen grüßen.
Terry de Gunzburg gilt in jedem Fall weltweit als „the Guru of Color“ – die Ambitionen sind nach wie vor hochgesteckt, ließ sie doch verlauten, sie wolle mit ihrer Kollektion das Iphone der Makeups werden… Jetzt also gibt es Düfte, und zwar fünf an der Zahl: Lanciert unter dem Namen „Terry de Gunzburg“, nicht „By Terry, erschienen Flagrant Délice, Lumière d’Épice, Ombre Mercure, Rêve Opulent und Parti Pris, die ich Euch heute und morgen vorstellen möchte.
Inspiriert wurde die kleine Kollektion von der französischen Parfumeurskunst sowie deren Haute Couture, entstanden ist sie zusammen mit Robertet – und Terry de Gunzburg scheint auch hier ein gutes Händchen zu haben: Jacques Flori, Arthur Le Tourneur d’Ison, Karine Vinchon-Spehner und Sidonie Lancesseur stecken hinter den Düften.
Flori schuft bisher einige Etro-Düfte, darunter Messe de Minuit und Shaal Nur, darüber hinaus kreierte er Amouage Opus IV aus deren Library Collection, diverses für Reminiscence sowie Jovoy als auch den neuen Houbigant, Orangers en Fleurs. Arthur mit dem unaussprechlich langen Nachnamen ist ein Newcomer, dafür kann ich Euch zu den beiden Frauen noch einiges erzählen: Karine Vinchon-Spehner erfand Opus III für Amouage sowie das wunderbare heilige Vetiverherz und Batucada für L’Artisan Parfumeur als auch den neuen Interlude for Woman, der mir neulich so nachhaltig den Kopf verdrehte. Und Sidonie Lancesseur dürfte die Königin einiger Eurer Herzen sein, hat sie uns doch erst neulich viel Licht beschert mit Lumière Blanche für Olfactive Studio – und ist nebenbei auch für einige by Kilian-Düfte verantwortlich.
Die Nasen also stimmen schon einmal – der Anspruch ist da und mit dem Selbstbewusstsein hapert es auch nicht bei Terry de Gunzburg, die ich an dieser Stelle aus dem Pressematerial zitieren möchte:
„Auf diese Duftkollektion, an der ich lange gearbeitet habe, haben die Frauen gewartet.“
Das wollen wir erst einmal sehen oder vielmehr – riechen…
Flagrant Délice, der erste Duft, den ich mir schnappe, verspricht „unwiderstehlich, delikat… und unglaublich sinnlich“ zu sein, „ein verführerisches Elixir für die Haut“, „verlockend, charismatisch und leidenschaftlich.“ Warum? „Flagrant Délice fesselt die Seele sofort. Es ist Liebe auf den ersten Blick, ein Duft, der Frauen im Sturm erobert und Männer betört.“ Aha. Und wieso denn bloß? Weil Flagrant Délice „die unwiderstehliche Versuchung verkörpert.“
Verführung? Ein betörender, verlockender Duft riecht für mich anders – ganz neutral gemeint. Vielleicht bezieht sich das aber auf die historische Bedeutung der Feige, die dem Gott Dionysos zugeschrieben wird – Ihr wisst schon, dem Gott des Rausches, der Trauben, des Exzesses und natürlich… der damit einhergehenden Fruchtbarkeit. Und eine Feige, die findet sich in Flagrant Délice, jener unverhüllten Köstlichkeit. Eine richtig feine Feige ist es, die mich an schon wieder an die Antike erinnert, nämlich an die Eklektiker, die sich aus vielen philosophischen Schulen einfach das (für sie) Beste zusammensuchten und eine eigene Philosophie daraus formulierten. Man nehme im Falle von Flagrant Délice: Zuallerst jene fruchtige (Johannisbeer-)Säuerlichkeit, die bereits in Byredos Pulp so wunderbar mit einer grünen Feige harmonierte. Dann füge man dazu prickelnd-spritzige Hesperidenanleihen, wie sie in zitrischen Feigenklassikern wie dem mediterranen Garten von Hèrmes sowie Acqua di Parmas Fico di Amalfi zu finden. Des weiteren tauche man das ganze in würzig-cremige Mandelmilch mit einem Hauch Kokosmarzipan, wie wir sie aus L’Artisan Parfumeurs Premier Figuier kennen und lieben, und bette das Ganze auf streichelzartem Moschus. Et voilà – heraus kommt alles andere als ein Opportunist oder ein Nachahmer, sondern das Beste aus allen Welten, das im Verlauf des Duftes immer und immer mehr zum perfekten Hautschmeichler wird. Schön!
Bei Lumière d’Épices war ich namenstechnisch ebenfalls anfänglich komplett auf dem Holzweg: Gewürzlicht assoziierte ich mit einem hellen Orientalen, vielleicht in Richtung von The Different Companys Oriental Lounge, dem einzigen (Wohlfühl)Orientalen, den ich zu Jeans und Sneakers trage. Vielleicht hätte ich mir die Überschrift im Pressematerial gleich ansehen sollen? „Bezaubernde Illusion der Sinne“… da war sie schon bei mir, die Illusion. Von „Eindrücken aus fernen Ländern“ ist da die Rede, die „durchsetzt sind vom Licht des Südens und den Aromen des Orients“, ein „Souvenir aus der Ferne“. Nun, um was handelt es sich bei Lumière d’Épices? Um einen Jasmin:
„Lumière d’Épices erinnert sofort an mediterranen Jasmin: eine Blüte, beinahe grün und bereit, sich zu öffnen, verfeinert mit Zitrusfrüchten, Gewürzen und Honig.“
Meine neuerliche Liaison mit Weißblühern dürfte ja mittlerweile hinreichend bekannt sein… was Jasmin angeht bin ich noch deutlich unterversorgt, würde ich sagen. Lutens Jasmin hat es zu mir geschafft als auch der von Floris, darüber hinaus der hinreißende Paradis Paradis von Atelier Flou. Dieses Lichtlein hier hat aber auch die allerbesten Chancen, in meine Sammlung zu kommen…
Lumière d’Épices ist ein überaus betörender Jasmin voller Lebendigkeit und sinnlicher Weiblichkeit: In zart-süßen Honig getaucht zeigt sich der wertvolle arabische Jasmin und nach diesem Bad verbleiben auf seinen samtigen Blüten winzige Honigtröpfchen, die sich mit Blütentau vermischen. Jasmin-Honig-Wasser umfängt mein Näschen und lässt mich schwelgen… Für mich ist diese Interpretation perfekt – und das meine ich wortwörtlich: Auf geniale Art und Weise hat der Parfumeur – und mich würde WIRKLICH interessieren, wer von den vieren es war! – in der Kopfnote Grapefruit, Blutorange und Bergamotte verwendet. Letztere stiftet zitrische Frische, den Morgentau darstellend, der sich mit subtil-sachtem Blattgrün vermengt. Und dem Grapefruit-Blutorangen-Gespann wird eine nicht minder wichtige Rolle zuteil: Es hält das honiggesüßte Blütenwasser in der Balance – die säuerlich-spritzigen Anklänge verhindern, dass der cremig-wollüstige Jasmin kippt, sich in eine mediokre Süßblume verwandelt. Leise dahingehaucht findet man akzentuierend Gewürze wie Muskat und eine, für ihre Verhältnisse sehr zivilisierte Nelke im Hintergrund samt einiger Hölzer im Schlepptau, die dem Duft eine luftige Herbheit vermitteln. Für mich ein echter Sommernachtstraum mit einer femininen Aura, die ich ansonsten nur von Düften wie zum Beispiel meiner geliebten Iris Poudre aus dem Hause Malle kenne. Testen, meine Lieben, testen!
Morgen geht es weiter mit den restlichen drei Düften – bis dahin alles Liebe und viele Grüße,
Eure Ulrike.
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