… ist das so eine Sache, wie wir ja sicher alle wissen… Ich erinnere mich noch sehr genau an ein Seminar während meines Philosophiestudiums, in dem es um die Schrift „Der Trost der Philosophie“ von Boethius ging.
Eigentlich ist die Entstehungsgeschichte des Werkes eine traurige und mal wieder irgendwie heroische – derlei finden sich ja in der Geschichte der Philosophie viele, man denke zum Beispiel an Platon, der sich als Volksverhetzer hinrichten ließ, obgleich er hätte vorher fliehen können. Boethius ereilte ein ähnliches Schicksal: Wie viele Männer seiner Zeit (Boethius lebte in der Spätantike, von circa 480 bis circa 525) vereinigte er verschiedene Berufe in Personalunion – Gelehrter, Politiker, Philosoph und Theologe war er und erlangte unter dem Ostgotenkönig Theoderich höchste Staatsämter. Wie das Leben so spielt, fiel Boethius in Ungnade und wurde irgendwann des Hochverrates beschuldigt, sehr wahrscheinlich unschuldig und als Opfer von Intrigen, worauf man ihn gefangen nahm und Monate später ohne Gerichtsverhandlung schuldig sprach und hinrichtete. Sein bekanntestes Werk, jener „Trost der Philosophie“, entstand in ebenjener Zeit zwischen seiner Gefangennahme und seiner Hinrichtung und gilt bis heute als eines der Meisterwerke der Antike.
Was bewegt einen, wenn man in Haft sitzt und auf seinen Tod wartet? Die ganz essentiellen und vor allem existentiellen Fragen sind es, die Boethius umtreiben – der Sinn des Lebens vor allem – und er erörtert diese in Form eines semi-autobiographischen Dialogs, den ein zu Unrecht zum Tode verurteilter Gefangener mit Philosophia, der personifizierten Philosophie in Gestalt einer Ärztin, einer Halbgöttin führt. Vornehmlich geht es um – Glück, Lebensglück und gelingenden Lebensvollzug. Und eigentlich möchte ich Euch auch gar kein ganzes Boethius-Referat oder eine solche Rezension liefern – aber ich möchte Euch auf einige Punkte kommen, die mir persönlich sehr in Erinnerung geblieben sind.
Boethius hat das Rad auch nicht neu erfunden als Neuplatoniker und Aristoteles-Fan, aber er hat es ein Stückchen weitergedreht – und dabei einiges Wahres verlauten lassen, das sich nachzulesen bei Gelegenheit sicher lohnen würde, ist der Dialog seines gepeinigten Protagonisten mit der Philosophie doch ein mehr als lohnenswertes Stückchen Lektüre, dem es darüber hinaus nicht an immerwährenden Wahrheiten mangelt.
Worum geht es in erster Linie? Es geht um – das Glück. Boethius‘ Protagonist hadert, er habe das Glück verloren, worauf ihn die Philosophie eines Besseren belehrt. Macht Euch einmal selbst Gedanken – wie viele Bedeutungen hat das deutsche Wörtchen „Glück“, wie viele unterschiedliche Konnotationen weist es auf?
Im Gegensatz zu diversen anderen Sprachen ist die deutsche Sprache hier an dieser Stelle erstaunlicherweise wirklich arm, denn hier gibt es eben nicht diese Unterscheidung, die bei so ziemlich allen anderen gemacht wird: Die Griechen kennen sie genauso wie die Franzosen und die Engländer, auch im Lateinischen ist es so – man unterscheidet zwischen eutuchia und eudaimonia, zwischen fortune und bonheur, zwischen luck und happiness als auch zwischen fortuna und felicitas. Einerseits ist da jene Art von passivem Glück, jene Glückskonzeption, die vom Schicksal oder irgendetwas abhängt, auf die der Mensch selbst aber keinen Einfluss hat. Und andererseits ist da das (Lebens)Glück, die Ausgeglichenheit, die Glückseligkeit, jenes Glück, an dem jeder Mensch arbeiten kann, dessen Schmied er selbst sein kann und soll.
Ein ganz wesentlicher Aspekt des Glückes, wie Boethius‘ Protagonist auch von der Philosophia erfährt: Sie bezeichnet es als Dummheit, sein Seelenheil von einer so flüchtigen und treulosen Göttin wie der Fortuna, dem Zufallsglück abhängig zu machen. Glück, dass die Göttin Fortuna einem zuteil werden lässt, sei ein Geschenk und könne Besitz werden, niemals aber Eigentum. Besitztümer können einem jederzeit genommen werden, Eigentum aber nicht.
Die Quintessenz ist so einfach wie schwierig gleichermaßen: Wahres Glück liegt im Selbst, liegt in einem selbst. Je abhängiger man sich von Äußerem macht, von Materiellem, von Zierrat und sonstigem, das man nur sehr bedingt beeinflussen kann, umso unglücklicher macht man sich – ganz abgesehen davon, dass man sich ganz nebenbei selbst entwertet, weil man dem Prunk und Protz mehr Bedeutsamkeit beimisst als dem eigenen Charakter, der eigenen Persönlichkeit.
Boethius wandelt mit dieser Erkenntnis natürlich ganz auf den Spuren des Orakels von Delphi, das uns bis zum heutigen Tage ein unerschütterliches „Entdecke Dich selbst!“ entgegenschreit, während von ferne Kants martialische Aufforderung, sich selbst aus den Ketten der eigenen Unmündigkeit zu befreien, herüberschallt.
Wie in vielen kleinen und großen Werken aus der (Philosophie-)Geschichte liegt für mich in dem überschaubaren Ergebnis viel Weisheit, so kompliziert diese manchmal auch umzusetzen sein mag und ja, in manchen Momenten auch zu verstehen ist.
Ich werde aufgrund meines Studiums doch recht oft von Menschen gefragt, was ich denke, dass der Sinn des Lebens sei. Ihr habt mich nicht gefragt, aber ich will es Euch trotzdem verraten: Ich denke, dass es keinen (einen) Sinn des Lebens gibt. Ich denke, dass die Schwierigkeit des Lebens exakt daraus erwächst, dass sich jeder Mensch diesen selbst schaffen muss, für sich, aus sich selbst heraus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Glücklichsein Streben und Ziel eines jeden Menschen ist – und dass dieses nur zu erreichen ist, wenn man man selbst wird (Ihr erinnert Euch? Ich erzählte neulich von meinem Promotionsthema Herrn Kierkegaard in dem Artikel zu Amouages neuem Duftduo Interlude). Dazu kann Boethius‘ Rat nicht schaden: Sich selbst und sein Lebensglück so wenig wie möglich im Außen suchen, sich so wenig wie möglich davon abhängig machen. Und – sich an den kleinen Dingen erfreuen. Das Auge für das Einfache zu schärfen.
Ich gebe es zu, die Überleitung zu Parfums, die ja augenscheinlich Luxus sind, dürfte nicht jedem einleuchten 😉 Trotzdem – seitdem ich diesen Artikel schreiben möchte, schwirrt mir dieser Aufhänger zu dem Duft im Kopf herum, von dem ihr noch nicht einmal wisst, wie er heißt. Ich spreche, vielmehr schreibe von – La Danza delle Libellule von Nobile 1942.
An dieser Stelle könnte ich mir jetzt einen abbrechen und auf Teufel komm raus eine Relationalität zwischen Leben, Glück und Libellen herbeischreiben, könnte irgendeine Metapher für das Leben im Tanz der Libellen sehen. Und wenn es vielleicht auch nicht völlig daneben wäre – ich will es gar nicht, den meine gedankliche Verknüpfung war eine ganz andere.
La Danza delle Libellule ist eine Hommage an den Libellentanz, eine Operette von Franz Lehár. Eine Ode an die Weiblichkeit soll es sein, von Fairytales ist die Rede, von träumenden Mädchen, opulenten Kostümen, großen Schlössern und Lustgarten in denen sich lustwandeln lässt. Romantik ist natürlich mit von der Partie und – La Danza delle Libellule soll die Fähigkeit haben, selbst „most troubled hearts“, also furchtbar aufgewühlte Herzen sanft zu beruhigen, wie man hier lesen kann:
„With this inspiration La Danza delle Libellule by Nobile 1942, brings all the lightness necessary to soothe even the most troubled hearts. Pure vanilla, a so-called gourmand fragrance that warms the heart and envelops you in a sugary cloud. It is good our soul to be pampered and loved, in an Epicurean joie de vivre, with moderation but also indulgence with ourselves.“
Liebe Freunde, wie Ihr ja wisst, bin ich normalerweise kein ausgesprochener Freund von Gourmanddüften… Einige erwachsene Kandidaten würde ich tragen, andere kann ich ohne Probleme als Kunstwerke so stehen lassen, ohne dass sie jemals längere Zeit auf meine Haut wandern würden…
La Danza delle Libellule vermag aber jedes einzelne (Marketing-)Versprechen zu erfüllen: Jener kleine Duft ist einfach solch ein Seelenschmeichler, er ist so gut zu einem. Selten, äußerst selten vermag es ein Duft, mir innerhalb von wenigen Düften ein derartiges Lächeln ins Gesicht zu zaubern, das dazu noch von Nachhaltigkeit geprägt ist (der letzte, an den ich mich erinnere, ist Nez à Nez‚ Hiroshima Mon Amour). Die Rede ist von Noten von Bergamotte, Apfel, Zedernholz, Zimt, Moschus, Vanille und Kokosnuss und mich beschleicht der Verdacht, dass Zimt in jedem meiner heiteren Kandidaten vorhanden ist… das ist aber alles vollkommen gleichgültig, wenn ich Euch sage, wie ICH den Libellentanz rieche: Für mich riecht er wie ein kleines und überaus köstliches Erdbeertörtchen, eines aus feinstem Biskuit mit einer zarten Vanillecreme. Diese kleine Libelle macht – glücklich. Einfach nur glücklich. Auf einfache Art und Weise einfach nur glücklich. Das Glück liegt manchmal ganz nahe – man muss nur zugreifen… und in diesem Falle testen 😉
Viele liebe Grüße und viel… Glück, gleich welcher Art 😉
Eure Ulrike.
Aah, liebe Ulrike……..herrlich…wie immer. So schön, so treffend. Habe schon ein paar mal den Artikel gelesen und kann es nicht lassen, daran, was Sie geschrieben haben, zu denken……muss mich jetzt aber langsam konzentrieren und weiter arbeiten….mit einem zauberhaften Lächeln im Gesicht:-)
Besten Dank für den schönen Start ins Wochenende!
Viele Grüße,
Lena.
Ps. Bin schon sehr gespannt auf den Duft, habe bereits den Set bestellt:-)
Hallo liebe Lena,
es freut mich sehr, dass Sie den Artikel so gerne mögen – der Duft dazu ist ebenfalls ganz zauberhaft. Berichten Sie doch mal, wie er Ihnen gefällt, ich bin gespannt!
Viele liebe Grüße und alles Liebe,
Ihre Ulrike.
Liebe Ulrike,
la Danza delle Libellule muss ich unbedingt nochmals testen – das einzige Mal, dass ich diesen Duft gerochen habe, war im Sommer und leider fand ich ihn viel zu süß – vielleicht war es zu warm war an diesem Tag?
Jetzt gibt es auch la Danza in Parfum – Extrait: wie würdest du die zwei Varianten unterscheiden? Kennst du schon die Extrait Version?
Auf deine Meinung würde ich mich sehr freuen!
Vielen Dank und liebe Grüße,
Isabelle
Huhuu liebe Isabelle,
ich habe die beiden noch nicht im Vergleich getestet, das hole ich aber gerne für Dich nach 🙂 In jedem Falle solltest Du die Libelle nochmals testen – ich mag sie sehr gerne, sie macht mich so fröhlich, weil sie so herrlich unbeschwert ist.
Viele liebe Grüße,
Uli.