Eines muss man Etro lassen: sie machen, was Namen angeht, keine Mätzchen. Wir haben das Jahr 1989, ich bin noch in der Grundschule, aber Parfumeur Jacques Flori und das Team von Etro sitzen zusammen und beratschlagen, wie die neue Kreation heißen soll. Es ist verdammt heiß und der Deckenventilator scheint die zähflüssige Luft kaum bewegen zu können. Madonnas „Like a prayer“ dudelt leise im Hintergrund und Flori wirft entnervt den Kugelschreiber auf den Tisch. Kleinste Spritzer von Kugelschreibertinte haben sich fächerförmig über dem Tisch verteilt. Flori schaut auf die Uhr und sagt „Vetiver“, ohrfeigt den rechts neben ihm Sitzenden kräftig, schüttet sich selbst ein Glas Wasser in den Kragen und verlässt den Raum.
Natürlich von mir frei erfunden…wahrscheinlich war alles viel langweiliger mit Mindmap, Brainstorming und anderem Blödsinn. Der Duft jedenfalls hätte ein paar Gefühlsausbrüche verdient. Auf dem Duftstreifen werde ich an einen bitteren Hustensaft erinnert, war es Sinupret? Könnte immerhin sein, kommen doch bei diesem Saft Extrakte aus Eisenkraut, Enzianwurzel, Holunderblüten, Sauerampferkraut und Schlüsselblumenblüten zum Einsatz. Was mir hier vom Duftstreifen entgegenkommt ist trocken, erdig, wurzelig, grasig, holzig, rauchig. Wie viel davon der Vetiver alleine beisteuert und welche Aspekte z. B. von den Hölzern kommen, lässt sich nicht so leicht beantworten.
Auch auf der Haut werden meine medizinischen Noten bestätigt. Diese rühren vermutlich von den zitrischen Akteuren in den Kopfnoten her, die recht schnell wieder verflogen sind. Auf der Haut knarzt es weitaus holziger und auch die Bitterkeit bleibt im Rahmen.
Die Duftnoten
Kopfnote: Bergamotte, Petitgrain, Muskatellersalbei, Salbei
Herznote: Guajakholz, Zedernholz, Zypresse, Vetiver
Basisnote: Tabakblüte, Wermut, Ambra
Irgendwie leuchtet der Duft nostalgisch und sepiafarben. Er wirkt natürlich, erdverbunden, charakterstark, nicht unbedingt nobel und feingeistig, aber geradeaus und ehrlich. Ich kann ihn mir sehr gut an einem Mann vorstellen, der zupacken kann und ein bisschen kernig ist, und vielleicht auch ein wenig melancholisch.
Liebe Grüße
von Harmen
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