Womit Napoleon geduscht haben soll…

Natürlich lese ich auch andere Blogs und schaue mich um, was andere über Düfte schreiben. Bevor ich einen Artikel verfasse, wird erst einmal die Suchmaschine bemüht. Da ich mir für den heutigen Text CreedsBois du Portgal“ (auch im Splash-Flakon erhältlich) vorgenommen habe, wurde auch in diese Richtung recherchiert. Meine gesteigerte Aufmerksamkeit wurde durch einen Blogartikel namens „Bois de Portugal – Stinken wie die ‚Bullen von Portugal‘ – Napoleon liebte diesen Duft am liebsten“ geweckt. Verrisse sind meistens ungerecht, aber wenn sie gut gemacht sind, fast immer höchst amüsant zu lesen. Der hier Schreibende zieht zwar kräftig vom Leder, lässt sich am Ende aber ertappen: „Das Zeug riecht so unvergleichlich nach Bohéme wie ich mir das Parfum der staubtrocken gepuderten Wangen von Madame Pompadour im Moulin Rouge vorstelle. Aber mann gönnt sich ja sonst nichts“. So spricht nur einer, der die Flasche daheim stehen hat, nicht wahr?

Vor einiger Zeit schrieb ich schon einmal darüber, wie sich Creed historisch inszeniert. Mit diesen Informationen im Hinterkopf kann man sich auf das Spielchen einlassen und einfach davon ausgehen, dass Bois du Portugal tatsächlich Napoleons Lieblingsduft war. Im Pressematerial von Creed wird berichtet: „Sein Hofparfumeur Chardin [!] notierte 1806, dass seine Hoheit in den ersten drei Monaten 162 Flaschen verbrauchte, da er sich zwei Mal täglich von Kopf bis Fuß mit der Köstlichkeit den Körper beduftete.“ Jedem, der ihm etwas näher kam, dürfte es also nicht nur Freudentränen in die Augen getrieben haben.

Weiter geht es im Pressetext mit Bezügen zur Aufklärung und ihrem Leitsatz: „sapere aude“, was landläufig etwas ungelenk mit „habe den Mut, Dich Deines Verstandes zu bedienen“ übersetzt wird. Da wird es einem doch ganz bildungsbürgerlich warm ums Theaterabo. Schiller übertrug den Satz schon etwas ambitionierter mit „Erkühne Dich, weise zu sein“, am schmissigsten kommt wohl „Wage, weise zu sein!“ daher. Ob der Duft diese selbstgestellte Hürde überstolpern kann, werde ich heute abklopfen.

Die Duftnoten lassen keine Überraschungen erwarten, so wurde mit einer Bergamotte in den Kopfnoten, Lavendel in den Herznoten sowie Zedernholz, Mysore-Sandelholz, Vetiver und Ambra sicherlich nicht ganz tief in die olfaktorische Trickkiste gegriffen. Luca Turin bezeichnet ihn als holzigen Orientalen und als einen der besten von Creed, doch schickt er gleich hinterher, dass ihn NicolaïsNew York“ qualitativ übertreffe, um gar nicht erst vom Preis zu sprechen. Wer es noch einmal nachlesen möchte, hier ist mein Bericht zu „New York“. Ich verspreche, ich gehe unvoreingenommen an den Duft heran – an Herrn Turins Gefrotzel hat man sich genauso wie an das exaltierte Pressematerial von Creed gewöhnt.

Es geht wie erwartet zitrisch los, wobei sofort auch die krautigen Lavendelnoten hinzukommen. Ach, was schreibe ich, eigentlich sind alle Darsteller von Beginn an anwesend. Cremige Zedern- und Sandelholznoten tönen ebenso wie die Ambra. Vetiver ist im Speziellen nicht wahrnehmbar, wo wir schon am Ende des Duftverlaufs angekommen wären. Aber das ist gar nicht tragisch. Der Duft ist schlicht und einfach nicht sonderlich komplex. Ein klassischer holzig-frischer Herrenduft mit einem weichen Ausklang. Ich finde den Vergleich mit Nicolaïs „New York“ nicht fair. Man kann nicht so einfach einen schlichten und gelungenen Herrenklassiker mit einem Feuerwerk an Impressionen und Duftnoten vergleichen. In Foren wird immer wieder diskutiert, ob „Bois du Portugal“ ein Altherrenduft sei. Ich gehöre zu denen, die das nicht finden. Natürlich riecht er nicht wie Justin Bieber unterm Arm, aber für Opas Gesichtswasser taugt es auch wieder nicht.

Einfach ein geradliniger klassischer Herrenduft — ob man da jetzt gleich „sapere aude“ draufschreiben muss, steht auf einem anderen Blatt. Versteht man die Vernunft als zeitloses Ideal, als eine geistige Klarheit, könnte man sie durchaus mit „Bois du Portugal“ assoziieren. „Herr, schmeiß Hirn ra“ lautet das schwäbische Stoßgebet und Pendant zu „sapere aude“. Eine Forderung, die aktueller denn je ist, oder nicht?

Bis die Vernunft Einzug gehalten hat, vertreiben wir uns die Zeit einfach mit Düften. 🙂

Liebe Grüße von
Harmen

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Harmen Biró Verfasst von:

Hallo, ich heiße Harmen, war bis vor Kurzem irgendwas­unddreißig und habe immer die Nase im Wind, um Duftschätze für Euch zu finden und hier vorzustellen. Selbst bevorzuge ich feine Lederdüfte oder Gewürzkompositionen, ohne mich da aber festzulegen. Warum auch? Es gibt ständig so viel Neues in der Welt der Düfte zu entdecken. → BIRÓ

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